Kommentar China Nobelpreis: Chinas wunder Punkt

Es wird genau der Richtige geehrt. China geriert sich jetzt als autoritär um sich schlagendes Regime. Dabei sind friedliche Reformen überfällig.

Der Friedensnobelpreis ist nicht immer an Personen verliehen worden, die ihn auch verdienten. So weckte bereits die letztjährige Verleihung an US-Präsident Obama Zweifel an der Weisheit des Komitees – wobei es durchaus schon gravierendere Fehlentscheidungen gab. Dass der Preis für Liu Xiaobo Chinas Regierung erzürnen würde, war klar, schließlich setzten ihre Diplomaten das Nobelkomitee schon vorab unter Druck. Doch aus der richtigen Entscheidung für Liu, die durch Chinas Drohungen nur befördert wurde, strickte Pekings Propaganda dann auch noch eine westliche Verschwörung. China drohte Staaten, die an der Zeremonie teilnehmen wollten, mit "ernsthaften Konsequenzen". Damit verlor Peking jedes Maß, und diese Arroganz sagt inzwischen mehr über China aus als der Preis für Liu selbst.

Pekings Reaktionen zeigen, dass das Komitee genau den Richtigen geehrt hat. Statt als erfolgreich sich modernisierendes Land und als verantwortungsvolles Mitglied der internationalen Gemeinschaft aufzutreten - wie China sich selbst sieht und wie es in Ansätzen auch ist - geriert es sich als verbal um sich schlagendes autoritäres Regime, das mit berechtigter Menschenrechtskritik nicht souverän umgehen kann.

Wäre Chinas Führung im Recht, könnte sie den Preis für Liu lächelnd ignorieren. Stattdessen blamiert sie sich mit ihren Reaktionen und bleibt eine Antwort auf die Frage schuldig, warum sie überfällige politische Reformen, wie Liu sie fordert, verweigert und damit das eigene Volk für dumm erklärt. Die von Peking strapazierte Angst vor Instabilität kann nur zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden, wenn Chinesen nicht lernen dürfen, ihre Interessen auszugleichen und Konflikte konstruktiv zu lösen. Zu Recht wies der Chef des Nobelkomitees bei der Zeremonie am Freitag darauf hin, dass Reformen im Sinne Lius China nicht schwächen, sondern stärken würden.

Chinas Erfolge der letzten Jahrzehnte rechtfertigen es eben nicht, dass friedliche Reformforderungen weiter harsch unterdrückt werden. Genau darauf verweist der Nobelpreis für Liu Xiaobo, und genau das ist Pekings wunder Punkt.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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