Kommentar Cannabis-Legalisierung: Verbote in der Pfeife rauchen
Kanada legalisiert Cannabis und entzieht das Geschäft mit der Droge der Organisierten Kriminalität. Schade, dass die meisten anderen Länder das nicht tun.
E s gibt politische Entscheidungen, die so überfällig sind, dass man über den verbliebenen Widerstand dagegen nur noch den Kopf schütteln kann. Die Legalisierung und Regulierung des Cannabis-Marktes ist so eine Entscheidung.
Seit Jahrzehnten ist allen drogenpolitischen Expert*innen klar, dass Verbot und Kriminalisierung von Cannabis unsinnig und kontraproduktiv sind. Und doch ist erst jetzt mit Kanada das erste Industrie- und zusammen mit Uruguay überhaupt erst das zweite Land weltweit den Schritt gegangen, den auch in all den Jahren der Illegalisierung stetig gewachsenen Markt dem Zugriff der organisierten Kriminalität zu entziehen. Selbst wenn die Regelungen in den kanadischen Provinzen im Einzelnen differieren – klar ist doch, dass nur so Verbraucherschutz, Prävention und Geldflusskontrolle überhaupt eine Chance haben.
In Deutschland scheitert dieser Fortschritt noch immer am Widerstand des konservativen Lagers, das sich so zäh an eine ideologisch begründete, von Fakten nicht gestützte Verbotsposition klammert, als würden CDU und CSU am Schwarzmarkt mitverdienen.
Auch die Trump-Regierung in den USA toleriert bislang die gesetzlichen Regelungen in den 9 Bundesstaaten, die Cannabis inzwischen zum Genuss freigegeben haben, und den rund 30, in denen die medizinische Anwendung erlaubt ist. Aber sie lehnt es nach wie vor ab, den entscheidenden Schritt zu unternehmen, Cannabis gänzlich von der Liste der verbotenen gefährlichen Substanzen zu streichen und die Gesetze US-weit zu ändern. Damit bleibt die Cannabis-Ökonomie in einer für die beteiligten Unternehmen schwer zu handhabenden Halblegalität. Statt endlich vom größten Konsumentenland aus eine globale Kehrtwende der Drogenpolitik einzuleiten, bekräftigte die US-Regierung gerade am Rande der UN-Generalversammlung erneut ihr Festhalten an einer für zigtausende Menschen tödlichen Prohibitionspolitik.
Jetzt liegt es an Ländern wie Kanada und Uruguay sowie an den US-Bundesstaaten, die den Schritt bereits gegangen sind, ihre Erfahrungen systematisch auszuwerten, gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen und die Welt daran teilhaben zu lassen. Sie können Beweise und Empirie dafür liefern, dass die Ängste, mit denen konservative Prohibitionisten operieren, absurd sind.
Die Gesellschaft, auch hier in Deutschland, ist weiter als die Politik. Es war jahrelanger öffentlicher Druck, der schon Linke, Grüne, FDP und Teile der SPD zum Umdenken gebracht hat. Das darf nicht nachlassen. Die gesellschaftlichen Kosten der Prohibition sind einfach zu hoch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“