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Kommentar Camerons EU-StrategieBlendende Isolation

Ralf Sotscheck
Kommentar von Ralf Sotscheck

Cameron will einen deregulierten EU-Markt, so dass jedes Land sich das herausnehmen kann, was es möchte. Mit Juncker ist das nicht zu machen.

David Cameron steht unter dem Druck der EU-Gegner. Bild: dpa

D avid Cameron sitzt in der Klemme. Der britische Premierminister muss zwischen Brüssel und den Europaskeptikern im eigenen Land lavieren, um einerseits die europäischen Verträge zu erfüllen und andererseits die eigenen Hinterbänkler bei Laune zu halten, die möglichst wenig von der Union behelligt werden wollen.

Indem er lautstark Reformen verlangt, hofft er, seine eigenen Hinterbänkler und vor allem die offen europafeindliche Ukip in Schach zu halten. Doch das ist ein Trugschluss: Für die EU-Gegner ist das alles nicht genug. Wenn Cameron ihnen einen Brocken hinwirft, legen sie nach und fordern mehr. Ihr Ziel ist schließlich die Ausgangstür.

Cameron weiß, dass Großbritannien mit einem Austritt aus der Union mehr zu verlieren hat als die EU. Deshalb strebt er nach einem vollständig deregulierten Binnenmarkt und einem Europa à la carte, wo jedes Land sich aussuchen kann, wobei es mitmachen will.

Dabei wird die EU aber nicht mitspielen, bisher hat sie es noch immer darauf ankommen lassen.

Für viele Tories ist die EU längst zum Missverständnis geworden. Nahm man zum Beitritt 1973 noch an, dass die anderen Mitgliedsländer die Integration nicht sonderlich ernst nehmen und sich auf den freien Binnenmarkt konzentrieren würden, so wurden sie spätestens mit den Maastrichter Verträgen eines Besseren belehrt. Die Schere zwischen Großbritannien und der EU ging seitdem immer weiter auf.

Eine Wahl des Föderalisten Jean-Claude Juncker zum Kommissionspräsidenten ist für Cameron deshalb nicht hinnehmbar. Es wäre ein Signal, dass seine Chancen, die EU zu den gewünschten Reformen zu bewegen, bereits im Keim erstickt wären.

In diesem Fall wäre Cameron nicht mehr in der Lage und auch nicht bereit, gegen den Widerstand in der eigenen Partei für die Europäische Union zu kämpfen.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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7 Kommentare

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  • Solche Kommentare kann man auch sonst überall lesen - vüllig überflüssig!

  • Im englischen nennt man das was Mr. Cameron gerne möchte ''cherry picking'

  • Wenn die Briten die EU nicht brauchen, warum sind sie noch drin? Die Nordamerikansche Freihandelszone scheint so attraktiv nicht zu sein...

  • passt schon: Wenn es die Briten so glücklich macht, Zoll zu bezahlen und isoliert zu bleiben, sollen sie das eben tun.

     

    Juckt keinen. Und der Bremser wäre weg.

    • @uli moll:

      Wenn alle Stränge reißen... Wenn die Briten rausgeekelt werden...

       

      Dann haben sie eine Alternative im Ärmel, die fatalerweise auf dem Kontinent gar nicht diskutiert wird, die aber die Insider sehr gut kennen, weil sie auf der Insel intensiv diskutiert wird (Warum das hier nicht bekannt ist - Ein weiteres Totalversagen unserer Medien!):

       

      Dann tritt GB der nordamerikanischen Freihandelszone bei. Da werden sie mit Freuden begrüßt und aufgenommen werden.

       

      Die Briten brauchen die EU nicht so sehr wie die EU die Briten braucht.

       

      Das ist genauso wie die Idiotenhaltung der EU zu Russland: Russland braucht die EU nicht. Sie kann an China seine Rohstoffe verkaufen,d ie Chinesen küssen ihnen die Füße dafür.

       

      Die Briten brauchen die EU nicht. Die Briten können mit Amerika zusammengehen.

       

      Wenn die Entwicklung weitergeht, wie sie sie sich seit einiger Zeit ankündigt, hocken wir mit dem ClubMed da und sind die absoluten Deppen der Welt: Ohne Rohstoffe, mit abgerissenen Verbindungen nach jenseits des Atlantik, dafür aber mit Zahlungsverpflichtungen ohne Ende für den ClubMed.

       

      WOLLT IHR DAS?

  • "Dabei wird die EU aber nicht mitspielen, bisher hat sie es noch immer darauf ankommen lassen. "

     

    Von wegen. Die EU ist noch immer vor dem UK eingeknickt:

     

    Die Briten haben einen Beitragsrabatt erhalten.

    Die Briten müssen nicht beim Euro mitmachen.

    Die Briten machen beim Fiskalpakt nicht mit.

    Usw. usf.

     

    Das UK hat sich noch immer durchgesetzt. Und die EU hat stets den Schwanz eingezogen. Die EU weiß nämlich, was sie zu verlieren hat, wenn sie die Briten hinausekelt:

     

    - Den zweitgrößten Nettozahler (trotz Britenrabatt)

     

    - Eines der Länder, die im Gegensatz zum ClubMed geschlossene Verträge verlässlich einhalten und auch umsetzen. Wenn die Briten mal eine Abmachung treffen, dann halten sie sie auch, im Gegensatz zu solchen Trickserländern wie Italien.

     

    - Einen Verbündeten der Zentral- und Nord-Länder, wenn es darum geht, egoistische Begehrlichkeiten des ClubMed abzuwehren.

     

    - Den wichtigsten Brückenkopf zu den USA.

     

    Wenn die EU meint, auf all das verzichten zu können, wenn die EU meint, mit Staaten wie Griechenland, Portugal, Spanien, Italien, Frankreich das "Haus Europa" stabil bauen zu können, bitte... Die EU wird sehen, was sie davon haben wird.

     

    Vor allem Deutschland und einige andere Länder der Mitte und des Nordens werden sehr darunter leiden, wenn die Briten aussteigen.

     

    Der Austritt der Briten würde der Anfang vom Ende der EU sein.

  • Das in der EU trotz Wahlen nur Stagnation im alten Kurs zu erwarten was ist jetzt nicht die neuste Neuigkeit.

     

    Würden Wahlen etwas ändern wären sie ja auch verboten.