Kommentar CDU Hamburg: Opportunismus an der Alster
Aus machtstrategischen Gründen ist die Anbiederung der Hamburger CDU an den Villenviertel-Anwalt verständlich. Nackter Opportunismus ist das dennoch.
P ack schlägt sich, weiß der Volksmund, und Pack verträgt sich. Anders lässt sich nicht erklären, warum die Hamburger CDU dem Anti-Schulreform-Aktivisten Walter Scheuerl, der mit seinem Volksentscheid die schwarz-grüne Koalition zu Fall brachte, jetzt den roten Teppich ausrollt.
Aus machtstrategischen Gründen mag es verständlich sein, dass sich die Hanse-Union an den alerten Anwalt aus den Villenvierteln an der Elbe anbiedert. Mit einer Parteineugründung hätte er der CDU Konkurrenz im bürgerlichen Lager gemacht. Mit Scheuerl an Bord darf die Hanse-Union nun wieder auf den Sprung über die 30-Prozent-Hürde hoffen. Walter Scheuerl wiederum scheute - die unrühmlichen Schicksale von Statt- oder Schill-Partei vor Augen - davor zurück, eine neue bürgerlich-populistische Gruppierung zu gründen. Stattdessen darf er nun mit einem sicheren CDU-Listenplatz den bequemeren Weg gehen.
Dass die CDU-Spitze aber allein aus wahltaktischem Kalkül mit diesem Schritt auch ebenso schneidig wie geschmeidig alle schulpolitischen Positionen, die sie in der schwarz-grünen Koalition noch mitgetragen und -vertreten hatte, flugs zu politischen Irrtümern erklärt, spricht für Charakterlosigkeit. Die Primarschulreform sei vom Tisch, posaunt Hamburgs Bürgermeister und Ole-von-Beust-Nachfolger Christoph Ahlhaus schon.
ist Redakteur bei taz Nord.
Das gilt aber nur, sollte die CDU nach der Neuwahl im Februar weiter regieren dürfen. Nach aktuellen Umfragen erscheint das derzeit allerdings eher unwahrscheinlich. Aus diesem Grund nimmt Ahlhaus nun auch die unpopulärsten Teile jenes Sparpakets zurück, das er selbst erst im September schnürte: Gebühren in Kitas werden nicht erhöht, das Weihnachtsgeld der Beamten wird doch nicht gestrichen. So sieht nackter Opportunismus aus.
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