Kommentar Bundeswehreinsatz in Syrien: Nicht ohne meinen Bundestag
In Deutschland muss das Parlament Auslandseinsätzen der Armee zustimmen – bisher. Diesen Vorbehalt zu schleifen, ist keine gute Idee.
D ie Mitsprache des Bundestages bei Militäreinsätzen stört einige Verteidigungspolitiker in der Union schon seit Langem. Deutschland sei militärpolitisch zu träge, da das Parlament Auslandseinsätzen der Armee in der Regel zustimmen muss, kritisieren sie. Den Parlamentsvorbehalt würden sie deswegen gern schleifen.
Warum das eine schlechte Idee ist, zeigt sich an den Überlegungen aus dem Verteidigungsministerium, über die die Bild-Zeitung am Montag berichtete und die Regierungssprecher nicht dementierten. Demnach prüft das Ministerium, deutsche Tornado-Jets für Luftangriffe nach Syrien zu schicken. Sie sollen das Land bombardieren, wenn syrische Regierungstruppen wieder Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einsetzen. Ein Bundestagsmandat wolle die Regierung in diesem Szenario nachträglich einholen.
Bei Gefahr in Verzug lassen die Gesetze diese Reihenfolge zwar grundsätzlich zu, aber noch nie hat eine Bundesregierung dieses Verfahren für einen Einsatz genutzt, dessen Legitimität so fraglich war wie die eines möglichen Angriffs auf Syrien. Völkerrechtlich wäre ein solcher Einsatz unzulässig. Zu dieser Einschätzung kam nach einem ähnlichen Angriff der USA, Frankreichs und Großbritanniens im April schon der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags. Damals wollten die Angreifer ebenfalls einen Chemiewaffeneinsatz vergelten, dessen Hintergründe aber noch nicht unabhängig untersucht worden waren – wer weiß, ob das beim nächsten Mal mit deutscher Beteiligung anders liefe. Und schließlich könnte ein Angriff leicht eskalieren, da Russland in Syrien aufseiten der Regierungstruppen kämpft.
Natürlich gibt es gute Argumente dafür, Assad in den Arm zu fallen und Zivilisten zu schützen. Ob diese Argumente schwerer wiegen als die Einwände, muss aber vorab debattiert werden. Das ist der Zweck des Parlamentsvorbehalts. Einen Vergeltungsangriff auf Syrien macht der übrigens nicht unmöglich: Dass der Bundestag im Zweifel innerhalb weniger Tage in einer Sondersitzung entscheiden kann, hat er mehrfach bewiesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen