Kommentar Bundespresseball-Parodie: Ganz tief nach unten getreten
Die Hauptstadtjournaille reißt Witze über Mittelmeerflüchtlinge. Darf Satire sowas? Stellen wir die Geschmacksfrage!

E s gibt wieder eine Kontroverse in der Medienwelt über die Frage, was Satire darf – und sie hat rein gar nichts mit der neuen „Charlie Hebdo“-Ausgabe auf Deutsch zu tun. Sondern mit einem Tanztee für Politik und Hauptstadtjournaille. Im „Almanach“ des Bundespresseballs, einem spöttischen Heftchen, das jedes Jahr zum wichtigsten Gesellschaftsevent in Berliner Journalistenkreisen erscheint, hat man sich dieses Jahr an ertrunkenen Menschen im Mittelmeer abgearbeitet.
Zu sehen ist dort eine Mittelmeerkarte, neben der Schwimmkurse für Flüchtlinge angeboten werden: „Vorschul-Flüchtlingsschwimmen (ab 3 Jahre)“, dazu gehört „Springen vom Schlauchbootrand und Atemtechniken bei Nacht und Kälte“. Empörung darüber gab es jede Menge. Aber auch Verteidigung. Die „Almanach“-Redaktion erklärte lakonisch, das Stück solle ja auch nicht gefallen. Vlogger Thilo Jung sprang ihnen zur Seite: Satire sei eben „Geschmackssache“. Okay, dann reden wir über Geschmack.
Satire sollte natürlich auch das Schreckliche aufarbeiten können. Man stelle sich vor, jemand flüchtet, überquert das Mittelmeer, entgeht dabei knapp dem Tod, schlägt in Deutschland auf und schreibt über seine Erfahrung diese „Schwimmschulen“-Satire. Ein starker Akt – und ein unangenehmer Spiegel, der damit der satten deutschen Mehrheitsgesellschaft vorgehalten würde.
Da es aber nicht so ist, sondern der Bundespresseball ein Stelldichein der Elite ist, in Frack und Perlen, wo Bundespräsident Gauck mit Bundespressekonferenzvorsitzendengattin Sonja Mayntz walzert. Auf dessen Webseite der Tipp steht, die Damen mögen doch beim Tanzen den Herren die Führung überlassen – da hier die Unbeteiligten sprechen, die das Mittelmeer entspannt überfliegen könnten und sich darin gefallen, mit dieser Satire unbequem und edgy rüberzukommen. Da dies so ist, handelt es sich einfach nur um schlechten Geschmack.
Klar, Satire darf alles. Sie darf auch ganz tief nach unten treten. Ob das der Satire insgesamt aber gut steht, ist zu bezweifeln.
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