Kommentar Bundespräsidentenwahl: Merkel totgesiegt
Dass Christian Wulff erst im dritten Wahlgang gewählt wurde, ist eine Warnung an Merkel. Die nächsten Tage werden zeigen, ob die konservativen CDUler weiter putschen.
D ieser Denkzettel ist mit fetten Lettern beschrieben. Dass es knapp werden könnte im ersten Wahlgang, war klar. Aber dass Christian Wulff als Kandidat der Regierungskoalition dann auch beim zweiten Wahgang so klar nicht gewählt wurde - das ist viel mehr als ein Warnschuss an Angela Merkel. Dieser Mittwoch bestätigt: Die Vorsitzende hat sich innerparteilich totgesiegt. Ihre bis dato machtpolitisch außerordentlich erfolgreiche Strategie, hat sich ins Gegenteil verkehrt.
Mit Wulff wollte sie ihren letzten Konkurrenten aus der Partei loben. Genau das ist ihr nun auf die Füße gefallen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Kandidat der Regierungskoalition im dritten Wahlgang doch noch ins Ziel kroch. Die nächsten Tage werden zeigen, wie sehr das konservative Unionslager Blut geleckt hat. Und ob die Männer, denen der Liberalisierungskurs ihrer Partei-Chefin viel zu weit ging, den begonnenen Putschversuch erfolgreich weiter treiben können.
Merkel ist sehr allein zu Hause. Gut möglich, das ihr nun die Truppen fehlen, um sich vor den Angriffen aus dem eigenen Lager zu schützen.
Ines Pohl ist Chefredakteurin der taz.
Merkel ist aber nicht die einzige Verliererin dieses denkwürdigen Tages. Natürlich werden die Sozialdemokraten versuchen, den Verlauf der Bundespräsidentenwahl als ihren Sieg zu verkaufen. Vom Grinsen Sigmar Gabriels sollte man sich aber nicht in die Irre führen lassen. Was, geneigte Opposition, wird denn am Ende dieser Gauck-Festspiele übrig bleiben? Nichts. Außer der Tatsache, dass Grüne und vor allem die SPD einmal mehr gezeigt haben, dass sie Merkel ärgern können. Das macht bestimmt Spaß. Es ist aber keine in die Zukunft gerichtete Politik.
Großer, vielleicht der größte Verlierer ist allerdings der Linkspartei. Sie hatte es in ihren Händen, einem rot-rot-grünen Bündnis eine realpolitische Perspektive und mit Joachim Gauck ein kluges und glaubwürdiges Gesicht zu geben. Diese Chance hat die Linkspartei vertan. Damit verantwortet auch sie fünf Jahre Wulff als ersten Mann im Staate.
So ist es fast bezeichnend für diese Wahl, dass der Verlierer der eigentliche Gewinner ist. Bei einer Direktwahl wäre Joachim Gauck ohnehin ins Präsidentenamt gehoben worden. Dass er auch im Parlamentsgebäude für so viel Aufruhr sorgte, spricht sehr für ihn. Und zeigt, wie wichtig gelebte Glaubwürdigkeit ist.
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