Kommentar Bundesparteitag der FDP: Das gelbe Dilemma
Die Entscheidung der FDP gegen Jamaika war aus Sicht der Liberalen richtig. Doch nach der Wahl 2021 werden sie in keiner besseren Position sein.
C hristian Lindner hat für seine Entscheidung, nicht in Koalitionsverhandlungen über Jamaika einzutreten, viele Prügel einstecken müssen. Aber man muss sich nur einen Moment vorstellen, Deutschland würde heute von einer Jamaika-Koalition regiert, um zu wissen, dass die Entscheidung der FDP richtig war.
Die Liberalen wären eingekeilt zwischen einer CSU, die die chaotische Flüchtlingspolitik von 2015 durch eine antiliberale Kampagne überkompensiert, einer Kanzlerin, die nichts Grundlegendes mehr entscheiden will, und den Grünen, die auf die Durchsetzung vieler ökologischer Ziele drängten.
Nicht mal einen vollen Erfolg in der Steuerpolitik, etwa beim Solidaritätszuschlag, könnte die FDP vorweisen. Ihre Umfragewerte mögen jetzt niedriger sein als im Herbst, aber mit der Beteiligung an einer Großen Koalition wären sie mit großer Wahrscheinlichkeit noch schlechter.
Das eigentliche Problem stellt sich für die FDP mit Blick auf 2021. Einen nochmaligen Ausstieg aus Regierungsverhandlungen dürfte ihnen ein guter Teil der eigenen Anhänger nicht abnehmen. Die Liberalen werden erpressbarer sein als 2017. Und zugleich stehen sie Grünen gegenüber, die unter Robert Habeck und Annalena Baerbock bislang sozialpolitischer aufgestellt sind als unter Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt – was im Zweifel mehr staatliche Ausgaben bedeutet, auf jeden Fall aber Steuersenkungen in großem Umfang verhindert.
Die FDP ist für viele ihrer Anhänger im Kern aber noch immer die Partei, die dafür sorgt, dass die eigenen Steuern sinken. Wie soll das zusammengehen? Die FDP beschweigt dieses Dilemma, auch auf dem Bundesparteitag am Wochenende war dazu nichts zu hören. Die Grünen schweigen ebenso.
Wir werden bald viel über nette Gespräche zwischen FDP und Grünen in Hinterzimmern hören. Aber wie das Ganze 2021 zusammengehen soll, ohne dass linke Grüne oder die Liberalen oder beide gleichzeitig enttäuscht sind, ist noch nicht zu sehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?