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Kommentar Bundesparteitag der FDPDas gelbe Dilemma

Kommentar von Martin Reeh

Die Entscheidung der FDP gegen Jamaika war aus Sicht der Liberalen richtig. Doch nach der Wahl 2021 werden sie in keiner besseren Position sein.

Welche ihrer eigenen „gelben Linien“ muss die FDP überschreiten, um in die Regierung einzubiegen? Foto: Unsplash/Luke Stackpoole

C hristian Lindner hat für seine Entscheidung, nicht in Koalitions­verhandlungen über Jamaika einzutreten, viele Prügel einstecken müssen. Aber man muss sich nur einen Moment vorstellen, Deutschland würde heute von einer Jamaika-Koalition regiert, um zu wissen, dass die Entscheidung der FDP richtig war.

Die Liberalen wären eingekeilt zwischen einer CSU, die die chaotische Flüchtlingspolitik von 2015 durch eine antiliberale Kampagne überkompensiert, einer Kanzlerin, die nichts Grundlegendes mehr entscheiden will, und den Grünen, die auf die Durchsetzung vieler ökologischer Ziele drängten.

Nicht mal einen vollen Erfolg in der Steuerpolitik, etwa beim Solidaritätszuschlag, könnte die FDP vorweisen. Ihre Umfragewerte mögen jetzt niedriger sein als im Herbst, aber mit der Beteiligung an einer Großen Koalition wären sie mit großer Wahrscheinlichkeit noch schlechter.

Das eigentliche Problem stellt sich für die FDP mit Blick auf 2021. Einen nochmaligen Ausstieg aus Regierungsverhandlungen dürfte ihnen ein guter Teil der eigenen Anhänger nicht abnehmen. Die Liberalen werden erpressbarer sein als 2017. Und zugleich stehen sie Grünen gegenüber, die unter Robert Habeck und Annalena Baer­bock bislang sozialpolitischer aufgestellt sind als unter Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt – was im Zweifel mehr staatliche Ausgaben bedeutet, auf jeden Fall aber Steuersenkungen in großem Umfang verhindert.

Die Liberalen werden erpressbarer sein als 2017

Die FDP ist für viele ihrer Anhänger im Kern aber noch immer die Partei, die dafür sorgt, dass die eigenen Steuern sinken. Wie soll das zusammengehen? Die FDP beschweigt dieses Dilemma, auch auf dem Bundesparteitag am Wochenende war dazu nichts zu hören. Die Grünen schweigen ebenso.

Wir werden bald viel über nette Gespräche zwischen FDP und Grünen in Hinterzimmern hören. Aber wie das Ganze 2021 zusammengehen soll, ohne dass linke Grüne oder die Liberalen oder beide gleichzeitig enttäuscht sind, ist noch nicht zu sehen.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
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2 Kommentare

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  • Immerhin müsste man mit einer Schwarz-Gelb-Grúnen Regierung nicht der SPD zuschauen, wie sie versucht das Kamel der Erneuerung durch das Nadelöhr der Regierung zu treiben.

  • „Aber wie das Ganze 2021 zusammengehen soll, ohne dass linke Grüne oder die Liberalen oder beide gleichzeitig enttäuscht sind, ist noch nicht zu sehen“

     

    Allerdings lehrt die Erfahrung: Solange sich nichts „besseres“ findet, halten Bündnisse, mit denen beide Partner gleichermaßen unzufrieden sind, am längsten. Anderenfalls wurde wahrscheinlich der eine oder der andere Partner über den Tisch gezogen.