Kommentar Büchergelderhöhung: Nicht wirklich begabt
Stipendiaten der Begabtenförderwerke bekommen ab September mehr Geld. Dieses Wahlgeschenk ist so unsinnig wie das Betreuungsgeld.
A ls Bildungsministerin hat sich Johanna Wanka (CDU) keine Begabtenförderung verdient. Im Frühjahr verkündete sie noch vollmundig eine Bafög-Reform. Gehört hat man davon nie wieder was. Auch sonst fällt die Bilanz ihrer kurzen Amtszeit mager aus. Dafür führt sie unbeirrt den größten Schwachsinn ihrer Vorgängerin fort.
Unter Annette Schavan stiegen die Summen kräftig, die die Bundesregierung in die Päppelung vermeintlicher Elitestudenten pumpt. 81 Millionen Euro waren es im Jahr 2005, jetzt sind es schon 176 Millionen. Interessanter Umstand dieser Politik für Privilegierte: Schavan war einst selbst bei einem der zwölf Begabtenförderwerke, dem katholischen Cusanuswerk.
Das ist etwa so, als ob ein ehemaliger Bankchef als Wirtschaftsminister großzügig sein eigenes ehemaliges Geldhaus subventioniert. Eine solche Konstellation würde zu Recht einen Aufschrei provozieren. Das Bildungsministerium ist wohl eines der wenigen Ressorts, in dem man sich diesen Lobbyismus leisten kann.
Nun steigt das Geld für Studierende, die von einem Begabtenförderwerk unterstützt werden, noch einmal: 300 Euro bekommen sie ab September, ganz egal ob sie es brauchen oder nicht. Sie brauchen es in der überwiegenden Mehrzahl nicht, das zeigen die Statistiken überdeutlich. Stipendiaten kommen in der Regel aus gut situierten Akademikerfamilien.
Die Büchergelderhöhung ist ein Wahlkampfgeschenk, das in seiner Unsinnigkeit dem Betreuungsgeld in nichts nachsteht. Ja, seine Unsinnigkeit ist sogar noch offensichtlicher.
Während das Betreuungsgeld seine negativen Auswirkungen in der Praxis also erst noch beweisen muss, stehen sie beim Büchergeld längst fest. Eine Ministerin, die das nicht einsehen kann, muss man wirklich nicht für begabt halten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“