Kommentar Brustimplantate: Wenn der Prüfer plötzlich klingelt
Hersteller werden bald unangemeldet kontrolliert. Schadenersatz zahlen sie nur, wenn sie auf eine Versicherung verpflichtet werden.
M edizinprodukte sind so heikel wie Arzneimittel. Insbesondere bei Produkten, die in den Körper eingebaut werden – also zum Beispiel Herzschrittmacher oder Katheter, aber auch Brustimplantate –, müssen die PatientInnen darauf vertrauen können, dass Gefahren und Risiken nach Möglichkeit ausgeschlossen werden.
Zwar sind vermutlich die allerwenigsten Hersteller von Medizinprodukten so kriminell wie der französische Implantate-Hersteller PIP. Aber wie in jeder Branche gibt es auch hier schwarze Schafe. Es ist daher unbefriedigend, wenn der Europäische Gerichtshof nun feststellen musste, dass unangemeldete Kontrollen bei den Herstellern bisher nur in Ausnahmefällen zwingend sind.
Immerhin hat der europäische Gesetzgeber aus dem PIP-Skandal gelernt. Bald werden unangemeldete Kontrollen obligatorisch. Die eingeschalteten privaten Prüffirmen, etwa der TÜV Rheinland, müssen dann regelmäßig testen, ob auch der Alltag der Produktion den gesetzlichen Anforderungen genügt. Wie so oft brauchte es den Skandal, damit sich die Gesetzgebung weiterentwickelt.
Allerdings ist auch bei unangemeldeten Kontrollen möglich, dass die Prüfer hinters Licht geführt werden. Dann stellt sich wieder die Frage nach dem Schadenersatz. Die kriminellen Hersteller sind meist insolvent. Eine Versicherung ist nicht vorgeschrieben.
Auch hier besteht deshalb Handlungsbedarf für den EU-Gesetzgeber. Die Hersteller von Medizinprodukten sollten verpflichtet werden, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, die Schäden in unbegrenzter Höhe abdeckt – und zwar ebenso bei kriminellem Vorsatz des Herstellers wie auch bei Schäden außerhalb des Herstellerlandes.
Medizinprodukte werden dadurch teurer werden. Da aber potenziell jeder von einer solchen Versicherungspflicht profitieren kann, wird es auch Akzeptanz dafür geben.
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