Kommentar Brasiliens Umweltpolitik: Lulas Offenbarungseid
Lulas skandalöses Privatisierungsgesetz ist der bislang schwerste Schlag für die Bemühungen von Brasiliens Umweltschützern, die Katastrophe in Amazonien hinauszuzögern.
Gerhard Dilger ist taz-Korrespondent für Südamerika. Er lebt und arbeitet im brasilianischen Porto Alegre.
Bei den jüngsten UN-Klimagesprächen hatten sich Brasiliens Umweltdiplomaten an die Spitze der Schwellenländer gesetzt und die uneinigen Industrienationen zu verbindlichen Zielen bei der Reduzierung der CO2-Emissionen aufgefordert - unter Verweis auf Vorgaben, auf die sich Brasilien letztes Jahr erstmals verpflichtet hatte: Die Zerstörung des Regenwalds im brasilianischen Amazonasgebiet sollte bis 2017 um 60 Prozent verringert werden.
Alles umsonst: Der Nationale Plan zur Bekämpfung des Klimawandels, vor der letzten UN-Klimakonferenz in Poznan mit heißer Nadel zusammengestrickt, ist ein Papiertiger, ein Dokument für gutgläubige Gringos. Letzte Zweifel daran hat Präsident Lula jetzt mit seinem neuen Gesetz ausgeräumt. Den Urwaldzerstörern in Amazonien will er eine Fläche von nahezu der doppelten Größe Deutschlands überschreiben. Nutznießer sind Landspekulanten, Sojafarmer und Viehzüchter, kurzfristig auch Kleinsiedler, die jedoch bald mächtigeren Interessen werden weichen müssen. Das Riesengebiet deckt sich mit dem "Bogen der Zerstörung", der sich unaufhaltsam von Osten und Süden in den Regenwald hineinfrisst.
Lulas skandalöses Privatisierungsgesetz ist der bislang schwerste Schlag für die verzweifelten Bemühungen der brasilianischen Umweltschützer, die drohende Katastrophe in Amazonien hinauszuzögern. Damit nicht genug: Immer öfter werden sie vom Präsidenten lächerlich gemacht, als ideologisch verblendete "Radikale" bezeichnet.
Mit seinen pharaonenhaften Großprojekten und der Karikatur einer Umweltpolitik knüpft Lula an die Vision der Militärs in den 1970ern an. Für eine ernsthafte Strategie gegen den Klimawandel, der auch Brasilien immer heftigere Überschwemmungen und Dürreperioden beschert, ist da kein Platz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Altkleider-Recycling
Alte Kleider, viele Probleme
CDU will „Agenda 2030“
Zwölf Seiten rückwärts
Verteidigung, Trump, Wahlkampf
Die nächste Zeitenwende
Israelische Angriffe auf Gaza
Können Journalisten Terroristen sein?
Weidel-Musk-Talk auf X
Kommunisten-Hitler und Mars-Besiedlung
Julia Klöckner löscht AfD-Post
CDU bietet „was ihr wollt“