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Kommentar BombenattrappeDe Maizieres Testlauf

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Eine Kofferbombe als Sicherheitsprüfung? Warum nicht! Angesichts der Überreaktion mancher Politiker erleichtert die relative Gelassenheit der Bevölkerung.

D ie Kofferbombe von Windhuk war gar keine - ein Testlauf nur, eine Sicherheitsüberprüfung. Das ist sinnvoll, und die Probe ist bestanden. Völlig verantwortungslos ist es hingegen, wenn so ein Test als Bombenfund an die Öffentlichkeit gerät und selbst die Behörden im vorgeblichen Adressatenland offenbar nicht informiert sind.

Da drängt sich dann doch der Verdacht auf, dass hier jemand Ängste schüren will. Wer den Koffer auf den Weg gebracht hat, ist noch nicht bekannt - hergestellt ist die Attrappe in den USA.

Seit Innenminister Thomas de Maizière am Mittwoch die Warnungen vor eventuellen Terroranschlägen in Deutschland Ende November in die Öffentlichkeit gebracht hat, rechtfertigt er sich dafür - nur helfen seine Erklärungen überhaupt nicht weiter. Die Bevölkerung solle so weiterleben wie bisher, sagt der Minister. Danke, das hätten wir wohl ohnehin getan.

Bild: taz

Bernd Pickert ist Auslandsredakteur der tat.

Angesichts der neuen Lage habe er nicht anders gekonnt, als die Öffentlichkeit zu informieren, heißt es überall. Warum eigentlich? Polizei und Sicherheitsbehörden müssen sich gewiss einer veränderten Gefährdungslage anpassen - von der wir nichts wissen, außer dass die Regierung sie behauptet. Aber das können sie ganz im Stillen tun.

Es gibt eigentlich nur zwei denkbare Begründungen für de Maizières Vorstoß: Der Minister rechnet tatsächlich mit einem Anschlag und will Aktivität demonstrieren, um anschließend besser dazustehen. Das wäre ein furchtbares Spiel.

Oder aber man hofft darauf, mit Handlungs- und Kommunikationsdruck Fehler bei jenen zu provozieren, die womöglich tatsächlich irgendetwas planen. Dazu würde genügen, was schon gemacht wird: Durchsuchungen, Überprüfungen, Festnahmen zum Verhör.

Angesichts der Überreaktion mancher Politiker erleichtert die relative Gelassenheit der Bevölkerung. Was sollen die Leute auch machen? Sie leben ihr Leben - trotz de Maizière.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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10 Kommentare

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  • J
    jps-mm

    Tiefe Entfremdung zwischen Bürgern und Politikern

     

    Eine bundesweite Umfrage des Leipziger Institut für Marktforschung für die "Leipziger Volkszeitung" kommt zu diesem Ergebnis. Für 58 Prozent der Bundesbürger zeigen demnach die jüngsten Proteste eine tiefe Entfremdung zwischen dem Volk und den Politikern.

     

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,728640,00.html

     

    Das muss Gründe haben. In Deutschland werden Menschenrechte fortgesetzt massiv verletzt. Und das nicht erst seit letzter Woche! Deutschland ist ein asozialer Unrechtsstaat!

  • J
    jps-mm

    Wer hat die Bombenattrappe platziert?

    Ein Koffer voller Fragen

     

    Handelte es sich also um einen Test einer amerikanischen Sicherheitsbehörde? Aber warum waren die deutschen Stellen dann nicht informiert - und warum dauerte es so lange, bis es am Freitag endgültig Entwarnung gab? "Das hätte so nicht passieren dürfen", sagte ein Innenexperte der Nachrichtenagentur dapd. Sollte sich herausstellen, dass der Koffer auf deutsche Initiative hin in Windhuk war, wäre es äußerst peinlich, dass die höchsten Sicherheitsleute darüber offenbar nicht informiert waren und es so lange dauerte, bis die endgültige Entwarnung gegeben werden konnte.

     

    http://www.tagesschau.de/inland/gepaeckstueck106.html

  • A
    asdf

    So unkonkret wie die Mitteilung war, ist deren Informationsgehalt: Null. Vielleicht liegt es ja auch an den Wahlen die demnächst anstehen.

  • S
    systemix

    Der Reichstag soll es nun sein, der im Fadenkreuz steht. Da kam ja die Bombenattrappe sehr gelegen. Nun mag es ein namibischer Angestellter des Bewachungsdienstes gewesen sein, der sie einschmuggelte. Die Motive sind unbekannt. Mag sein, dass es so war. In vielen Dörfern gibt es Feuerwehrleute, die gern Brände legen um sich bei Löscharbeiten hervorzutun. Warum aber der Aufwand eine Attrappe aus den USA zu importieren?

     

    Nun wird heiß diskutiert, ob der Reichstag Ziel eines Anschlages sein soll. Vielleicht wäre es gut, wenn man sich noch einmal an Ulrike Meinhof erinnern würde. Sie gab damals zur Antwort, als man sie fragte, warum ausgerechnet Hanns-Martin Schleyer entführt wurde:"... wir haben auch an Franz-Josef Strauß gedacht, aber wenn der entführt ist, will den ja Keiner wieder zurück haben."

     

    Gleiches gilt für den Reichstag. Denken wir einmal an die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Große Teile der Bevölkerung würden doch einen Anschlag auf den Reichstag nicht besonders verurteilen, weil der eh' nur spärlich mit "Mandatsträgern" besetzt ist und es um die Politiker drinnen auch nicht schade ist.

     

    Das hat nämlich die schwarzgelbe Koalition wirklich erreicht. Eine Politikverdrossenheit wie in der Weimarer Republik, wo man das Parlament als "Quatschbude" abtat. Das ist die wirklich terroristische Bedrohung. Terroristen suchen sich als Anschlagsziele schon sehr genau Orte aus, wo sie für ihre abstrusen Ideen die größte Resonanz bekommen. Ein zerbombter Reichstag würde keinen islamistischen Volksaufstand lostreten. Solche Kalkulationen sind stets sehr unsicher, weil es den Faktor "Mensch" nicht einbezieht. Auch die gern geschürte These, dass die tschechische Exilregierung den Anschlag auf Heydrich nur geplant hatte, weil durch die nach dem Tod von Heydrich losgetretene Terrorwelle den Widerstand der tschechischen Bevölkerung mobilisieren würde, geht nicht auf. Die Terrorwelle kam, aber der Widerstand blieb am Boden.

     

    Es bleibt also eher der bohrende Verdacht, dass hier jemand gern wieder am Stellrad in Richtung Polizeistaat drehen möchte.

  • M
    Michael

    Aus der Geschichte lernen heißt verstehen lernen.....

     

    Wir stecken doch längst in einem "irregulären" 3.Weltkrieg!

     

    Mit aller Konsequenz: Lug und Trug!

  • N
    Nico

    Dass eine real erhöhte Gefahr besteht, ist wohl kaum eine Erfindung der Regierung.

    Und es gehört zu den AUfgaben des Staates die Bevölkerung wenigstens über eine Gefährdungslage zu informieren.

    Man kann nicht auf der einen Seite nach mehr Mitbestimmung und Transparenz schreien (wie viele Menschen das tun), dann aber soetwas mehr oder weniger als "Panikmache" oder Aktionismus bezeichnen.

     

    Im Übrigen ist es völlig natürlich, dass Herr de Maizière es vermeiden will, dass - falls es tatsächlich einen Anschlag geben wird - ihm Tatenlosigkeit vorgeworfen wird.

    Ich halte unseren Innenminister für äußerst kompetent und denke er hat in der Hinsicht einen guten Kurs eingeschlagen. Auch wenn ich kein CDU-Anhänger bin.

  • M
    Matthias

    Die FDP ist gegen eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung.

    Um sie dennoch unter dem Deckmäntelchen der Terrorbekämpfung einzuführen, muss die Angst vor dieser "Bedrohung" durch den Terrorismus nun mal künstlich erhöht werden, ist doch ganz klar.

    So kann man die FDP weichklopfen.

  • H
    Hubert

    Testlauf für den Innenminister schlecht gelaufen, wann entlässt nun die BK Merkel diesen Panikmacher?

    Dieser Minister ist verbrannt und unfähig zugleich, wenn ein Minister nur Panik inzenieren will, damit das Gesetz über die Datenspeicherung, was aber vom obersten Gericht abgelehnt wurde neu auf die Tagesordnug kommt, dann sollten wir uns fragen, was wird dieser Mann noch alles anstellen, nur um seinen Kopf durchzusetzen.

    Das alles hat in einem demokratischen Rechtsstaat nicht zu suchen, dass ist die Handhabung von Diktatoren.

    Wenn jetzt doch irgentwo Anschläge geplant werden sollten, dann wir die Bevölkerung aufgrund ihrer Lügen sie nicht mehr für ernst nehmen.

    Herr Innenminister treten sie doch mal aus politischen Anstand zuück.

  • V
    vic

    Das ganze stinkt zum Himmel. Angefangen von dem dubiosen, anonymen Privatbastler aus USA und seiner 80-jährigen Mutter, die diese Testsendungen herstellen, über die geradezu idiotische Anordnung von Batterie, Drähten, Uhr, weißer Kartonriegel, völlig ungetarnt, bis zur Behauptung, niemand habe davon gewusst. Nicht US Regierungsstellen, und Deutsche schon gar nicht.

    Ich bin allerdings sicher, de Maizière wusste genau welchen Knopf er drücken muss, um Deutschlands Massenmedium und einige Leichtgläubige in ihren Vorurteilen zu bestärken.

  • B
    bürger

    "Sie leben ihr Leben - trotz de Maizière."

     

    So sieht es aus!!

     

    Sollen wir jetzt wegen jeder TÜTE Schweißausbrüche bekommen???