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Kommentar Bluttest auf Down-SyndromEntscheidungsfreiheit zählt

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Es ist in Ordnung, wenn der Bluttest in Einzelfällen zur Kassenleistung wird. Aber wir müssen über den Umgang mit Behinderungen reden.

Der „Praena-Test“ auf Trisomie 21 Foto: dpa

E s ist verrückt: Da können Schwangere schon seit einigen Jahren ihr Blut testen lassen, ob sie womöglich ein Kind mit Down-Syndrom erwarten oder nicht, der privat zu zahlende Test kostet ab 130 Euro aufwärts, also nicht die Welt. Aber erst jetzt, wo die Krankenkassen in bestimmten Fällen die Kosten für diesen Test übernehmen werden, toben die Protestwellen durch das Land: „Diskriminierung, Selektion!“ heißt es.

Behindertenverbände befürchten ein „Screening“ des mütterlichen Blutes aller Schwangeren per Krankenkasse, mit dessen Hilfe bestimmte Menschen mit Behinderungen quasi schon im Vorfeld „aussortiert“ werden. Die Welt soll angeblich hässlicher, unmenschlicher werden, als sie jetzt schon ist, nur weil die Kasse die Kosten für den Bluttest übernimmt.

Das ist übertrieben, nicht nur, weil der Gemeinsame Bundesausschuss aus Vertretern der Ärzte und Krankenkassen am Freitag entschieden hat, dass die Kassenleistung künftig ausdrücklich nur für Risikoschwangere gelten soll, und darunter auch nicht automatisch für die älteren werdenden Mütter über 35, es muss schon ein nachweisbares individuelles „Risiko“ vorliegen.

Es muss sich also um werdende Mütter handeln, die, gäbe es den Bluttest nicht, womöglich die für den Fötus viel riskantere Fruchtwasseruntersuchung gemacht hätten. Der Beschluss des Bundesausschusses für eine Kassenfinanzierung in Einzelfällen ist, so gesehen, in Ordnung. Doch der Protest und die Debatte um den Test hat auch etwas in Bewegung gesetzt, und das ist zu begrüßen.

Behindertenverbände beklagen den „Rechtfertigungsdruck“ auf Eltern mit einem behinderten Kind, der sich verstärken könnte, sollten Reihenuntersuchungen auf chromosomale Abweichungen tatsächlich Schule machen. So nach dem Motto: „Wer heute noch ein behindertes Kind bekommt, ist doch selbst dran schuld.“

An dieser Befürchtung der Verbände ist was dran. Die Schuldzuweisung an Familien mit einem Kind mit Behinderung ist historisch betrachtet schon immer eine Methode für Nicht-Betroffene gewesen, das Thema Behinderung, überhaupt Abweichung von der Norm, weit von sich zu weisen.

Der Blick in den Spiegel

Dabei ist dies ein fruchtloser Versuch: In Wirklichkeit macht eine alternde Gesellschaft inzwischen in jedem Leben, in jeder Familie, die Erfahrung, was ein Leben mit Einschränkungen, mit Behinderung bedeutet.

Anstatt die Behinderung, die Abweichung, abzulehnen, sollten wir uns damit beschäftigen: Zur sozialen Kompetenz heute müsste es gehören, wie man mit einem Menschen mit Demenz, mit Sehbehinderung, mit Taubheit, im Rollstuhl umgeht. Denn genau diesem Menschen werden wir wahrscheinlich in unserer Familie oder im Freundeskreis begegnen. Und vielleicht auch dann, wenn wir uns irgendwann mal im Spiegel betrachten.

Der Umgang mit Behinderungen, mit Abweichungen von irgendwelchen Normen ist das eine. Nur sollte man die notwendige Inklusion eben trennen von der Freiheit zum Wissen und zur Entscheidung und von der Verantwortung und Belastung der Mütter und Väter.

Eine Schwangerschaft abzubrechen, weil der Fötus eine Abweichung aufweist, der man sich nicht gewachsen fühlt, bedeutet nicht, dass man grundsätzlich gegen Inklusion ist oder Behinderte diskriminiert. Genauso wenig, wie man Menschen mit Behinderungen und deren Familien diskriminieren darf, sollte man Mütter herabsetzen, die sich für einen Bluttest und im Falle eines positiven Ergebnisses für den Schwangerschaftsabbruch entscheiden.

Das dürfte meist ein Trauma sein, eine schwere Entscheidung und kein schmerzloses „Aussortieren“ oder „Selektieren“ – Behindertenvertreter sind da mitunter auch etwas leichtfertig in ihrer Terminologie.

Es kann nicht darum gehen, Gräben aufzureißen. Stattdessen muss alles möglich und akzeptiert sein: Eltern, die erst gar keine Tests machen; Eltern, die mit einem Kind mit Behinderung ein glückliches Familienleben haben; Eltern, die sich für einen Test entscheiden und sich mit den Konsequenzen auseinandersetzen müssen. Das Unglück kann überall wohnen. Und das Glück auch.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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8 Kommentare

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  • Au weia, was für eine unglaubliche und geradezu perfide Argumentation! Menschen mit Down Syndrom haben also grundsätzlich eine schwere Behinderung und sie leiden grundsätzlich ihr ganzes Leben daran und sie wollten lieber nicht auf der Welt sein und ihre Eltern machen sich schuldig, dass sie ihrem Kind ein solches Leben zumuten und die Schwangerschaft nicht rechtzeitig abgebrochen haben! Wie wäre es mit einer Nachfrage bei ihnen, ob sie lieber nicht leben wollten? Wer kann sich anmaßen zu beurteilen, dass ein Mensch besser nicht auf die Welt kommen sollte, weil er eine Behinderung oder Krankheit hat oder einen IQ von 50, welches Leben also lebenswert ist oder nicht? Und: Was machen wir denn dann mit all den Menschen, die ohne Down Syndrom mit einem IQ von 50 auf die Welt kommen und/oder Herzfehler, Darmverschlüsse, Leukämie kriegen und an Alzheimer erkranken?? Was für ein fatales Denken....

    • @AgLa:

      Meine Anmerkung bezieht sich auf den ersten Kommentar von Thomas Friedrich heute um 4:18...

    • @AgLa:

      Ja, ich gehe davon aus, dass Herzfehler, Darmverschlüsse, Leukämie und eine frühe Alzheimererkrankung Leid verursachen. Der geringe IQ an sich ist vielleicht nicht mit Leid verbunden, aber doch mit radikal eingeschränkten Lebensmöglichkeiten. Überlegen Sie mal, was die besten Erfahrungen in Ihren Leben waren und welche davon Sie mit Down-Syndrom hätten machen können. Freies Leben, eigenständiges Reisen, Studieren, intellektuelle Erfahrungen, sich beruflich entfalten, normale Beziehungen, Familiengründung - fällt bei den meisten Betroffenen alles weg. Die meisten bleiben lebenslang auf dem geistigen Niveau eines Kindes und werden um alles geprellt, was das Leben darüber hinaus zu bieten hat.

      Dass man auch ohne Trisomie 21 krank oder behindert werden kann, ist kein Grund, vermeidbare Behinderungen mutwillig in Kauf zu nehmen. Sie würden ja auch nicht auf die Impfung Ihrer Kinder oder auf Anschnallgurte verzichten, nur weil die Möglichkeit von Krankheit und Behinderung dadurch nicht ausgeschlossen wird. Sie würden auch nicht in der Schwangerschaft Alkohol trinken, nur weil der Verzicht auf Alkohol nicht garantiert, dass das Kind nicht behindert sein wird.

      Eltern sollen das Mögliche tun, um sicherzustellen, dass ihr Kind ein qualitativ gutes Leben führen kann. Die Vermeidung des Down-Syndroms gehört zu den Möglichkeiten, die Eltern heute schon haben.

  • Kommentar entfernt. Bitte verzichten Sie auf pauschale Unterstellungen. Danke, die Moderation

  • Diesen Widerspruch muss die Gesellschaft aushalten. Einerseits ein Test mit dem Ziel bestimmtes Leben vor seinem Beginn zu verhindern, andererseits hohe Aufwände, wenn solches Leben doch da ist.

    Das mit dem Rechtfertigungsdruck ist natürlich Unsinn. Wenn ich die zum Teil erheblichen finanziellen und personellen Aufwände und Alimenten für wenige Betroffene she, sind doc Fragen erlaubt. Das war vor 1000 Jahren so und wird in Zukunft so sein. Eltern, die ihr Kind lieben, werden diese Entbehrungen in Kauf nehmen ... wichtig ist nur, dass die "Gesunden" nicht zu kurz kommen, wie man es leider oft in Familien beobachten kann.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Dem Text kann ich nur voll zustimmen.



    Behinderung ist auch für die Beeinträchtigten nicht lustig.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Das wird leider auch von Befürwortern der Pränataldiagnostik vollkommen ignoriert. Die erwähnen die Belastung der Familien, gehen aber mit keiner Silbe darauf ein, was es für das Kind bedeutet, ein ganzes Leben unter einer schweren Behinderung zu leiden. Neben einem IQ von 50 winken auch Herzfehler, Darmverschlüsse, ein 20 mal höheres Leukämierisiko und vieles anderen. Ab 40 entwickeln die meisten Menschen mit Down-Syndrom Symptome der Alzheimerkrankheit. Das alles muten die Eltern nicht etwa sich selbst zu, sondern einer anderen Person, die nicht mal gefragt wird.

  • Danke für Ihre differenzierten Artikel und Kommentare, Frau Dribbusch! Liest man immer mit Gewinn.