Kommentar Beutekunst: Versöhnliches statt Bitterkeit
Der Eklat um die Petersburger Ausstellung konnte gerade noch vermieden werden. Putins versöhnliche Worte brachten im letzten Moment die Wende.
D er Eklat in den deutsch-russischen Beziehungen konnte dann doch noch vermieden werden. Angela Merkel und Wladimir Putin rauften sich zusammen und eröffneten am Abend schließlich doch gemeinsam die Ausstellung „Bronzezeit – Europa ohne Grenzen“.
Zuvor hatte Russlands Weigerung, die Kanzlerin bei der Eröffnung sprechen zu lassen und die deutsche Position zur Beutekunst noch einmal deutlich zu machen, Merkel dazu bewogen, den Auftritt ganz abzusagen.
Das Gespräch mit Wladimir Putin unter vier Augen soll dann die Atmosphäre bereinigt haben. Versöhnliches statt Bitterkeit und Beleidigtsein.
ist Russlandkorrspondent der taz in Moskau.
Grundsätzlich muss sich der Kreml klare Worte auch aus Berlin gefallen lassen. Innenpolitisch gibt es reichlich Anlass, Putins letzte Vorbereitungen für einen ungeschminkten Autoritarismus zu benennen und auch zu kritisieren.
Das birgt genügend Sprengstoff und hat die Beziehungen bereits auf den Gefrierpunkt gedrückt. Den Zwist indes an der Ausstellung zur Beutekunst zu exemplifizieren, wäre der unglücklichste Weg, um auf politische Differenzen zu antworten.
Berlin würde dabei in Russland – aber wohl auch in der westlichen Öffentlichkeit – wenig Zustimmung finden. Gerade jetzt, nachdem Merkel-Deutschland in der Krise in Südeuropa als Erbe der Nazi-Väter karikiert wird. Beutekunst verlangt etwas mehr Empathie.
Berlins Position in der Beutekunst ist einfach: Von Deutschen begangenes Unrecht kann nicht durch Unrecht gesühnt werden. So sieht es auch das Internationale Recht.
Eine Position allerdings, die es sich vielleicht doch zu einfach macht. Russland hält in diesem Fall nichts vom formalen Recht. Leiden, Gerechtigkeit und Moral werden in den Vordergrund gerückt und historische Verantwortung angemahnt.
Dafür sollte man Verständnis haben. Auch wenn sich das System mit dem Rückbezug auf den „Großen Vaterländischen Krieg“ als patriotische Klammer und wichtigstes Ideologem fragwürdige Legitimität verschafft.
Putin schlug mit seinen Worten zur Deeskalation den richtigen Ton an: die Politik sollte den Kunstexperten über Divergenzen hinweg folgen und nach Lösungen suchen. Vor allem das Aufrechnen sein lassen.
Mit der gemeinsamen Eröffnung und dem Gemeinsamen der Kunst weist „Europa ohne Grenzen“ vorsichtig in eine neue Richtung. Mit der Beutekunst als Botschafter – sozusagen – wirbt die Bronzezeit für eine Alternative jenseits von Dogma und Alttestamentarischem.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen