Kommentar Berliner Kulturpolitik: Künstler als Beharrer
TänzerInnen des Staatsballetts wehren sich gegen ihre designierte Chefin Sasha Waltz und Kultursenator Müller. Das steht ihnen aber nicht zu.
Wenige Bereiche des Lebens gelten als soinnovationsfreundlich wie die Kultur. Offenheit gegenüber Neuem gehört da schier zur Grund-DNA. Viele Kulturschaffende tragen das auch gern vor sich her, um sich vom angeblich veränderungsresistenten Biedermann abzugrenzen, wenn der sich etwa über Geschrei und zu viele Nackte auf der Bühne mokiert. Darum ist es schon erstaunlich, dass sich jetzt das Staatsballett und damit schon die zweite äußerst renommierte und bundesweit bekannte Kultureinrichtung gegen Veränderung wehrt.
Besser gesagt: Ihre Beschäftigten tun es. Nachdem es schon an der Volksbühne Protest dagegen gab, dass Chris Dercon, erfolgreicher Chef der Londoner Tate Gallery, Intendant werden soll, wenden sich nun die staatsfinanzierten Tänzer gegen Sasha Waltz als künftige Chefin.
Beide gelten als absolute Koryphäen. Beide hat der Kultursenator berufen, und weil Michael Müller auch noch Regierungschef ist, kommt seinem Staatssekretär und SPD-Parteifreund Tim Renner dabei gleich große Bedeutung zu. Beide Kultureinrichtungen hätten es aber gefühlt lieber wie ihre Kollegen von den Philharmonikern, die sich ihre Chefs – Chefinnen hatten die bisher nicht – selbst ausgucken können, ohne dass ihnen ein Senator reinreden kann.
Die Grünen liegen daneben
So ist es aber nicht, und das ist auch gut so. Ein Ensemble ist nicht für sich selbst da, sondern erfüllt eine herausragende kulturpolitische Aufgabe. Wäre das nicht so, wären die vielen Millionen in der Kulturförderung, beim Staatsballett jährlich fast neun, kaum zu rechtfertigen. Also hat auch der oberste Kulturverantwortliche in der Politik das letzte Wort – an dem er ja auch gemessen wird.
Dass absehbare Veränderungen auch bei sonst so innovationsfreudigen Künstlern Ängste auslösen, mag ja menschlich nachvollziehbar sein, vor allem wenn der ganze Job in Gefahr ist. Und sollte Müller tatsächlich erst die Medien und dann die Mitarbeiter über seine Entscheidung pro Sasha Waltz informiert haben, wäre das durchaus suboptimal. Am Ergebnis aber hat das nichts geändert.
Dass Grünen-Landeschef Daniel Wesener dem Regierungschef nun „Kulturpolitik nach Gutsherrenart“ vorwirft, obwohl er die Berufung selbst begrüßt, ist darum Unsinn. Müller und Renner haben das gemacht, wofür sie im Amt sind: Sie haben Entscheidungen getroffen, die sie für die richtigen für ganz Berlin halten.
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