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Kommentar Bauernproteste in FrankreichDie andere Europa-Krise

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Nicht nur die Griechenland-Krise spaltet die EU. Auch die Landwirtschaftspolitik der Union sorgt für Ärger. Das zeigt sich nun in Frankreich.

Bauernprotest in Saint-Malo in Nordwesten Frankreichs Foto: reuters

D ie Bauernproteste in Frankreich sind ein Alarmsignal. Nicht nur für die Regierung in Paris, die jetzt in panischer Angst vor einer Ausweitung und Radikalisierung der Aktionen mit einem improvisierten Unterstützungsplan und vage klingenden Zusicherungen reagiert.

Was aber die französischen Viehzüchter und Milchproduzenten auf die Barrikaden treibt, ist auch ein europäisches Problem. Die EU hat nicht (bloß) mit der griechischen Schuldenkrise Existenzsorgen, welche die Zukunft der Gemeinschaft infrage stellen.

In der Landwirtschaft driftet diese Wirtschaftsunion mit divergierenden Interessen und Methoden ebenfalls auseinander. Mit der letzten Revision der Gemeinsamen Agrarpolitik, die das System der Subventionen den Realitäten angepasst hat, wurde am Grundproblem kaum etwas geändert: Der Binnenmarkt ist offen, die europäische Konkurrenz frei, doch von einer Harmonisierung der Sozial- und Umweltnormen oder der Fiskalpolitik ist die EU immer noch weit entfernt.

Bauernprotest Frankreich

Die französische Regierung hat nach heftigen Protesten der Landwirte eine Soforthilfe für Viehzüchter und Milchbauern im Wert von 600 Millionen Euro angekündigt. Paris reagiert damit auf die heftigen Proteste der Bauern, die seit Montag unter anderem die Straßen bei Caen in der Normandie sowie die Zufahrt zum touristischen Mont-Saint-Michel blockiert hatten. Der wichtigste Bauernverband FNSEA reagierte eher positiv auf die Ankündigungen, ließ aber offen, ob alle Straßenblockaden sofort aufgehoben würden.

Den Preis dafür bezahlen unter anderem die französischen Landwirte. Sie müssen nach französischen Gesetzen und Standards produzieren, doch die Preise, die sie für ihre Produkte erhalten, entsprechen den europäischen Marktbedingungen und den billigeren Produktionskosten quasiindustrieller Großbetriebe in anderen EU-Staaten.

Das ist aus französischer Sicht ein unfairer Wettbewerb. Gemäß Marktgesetzen kann das nur mit dem Ruin der kleinen Familienbetriebe enden. Wer will das? Den Konsumenten, die nicht immer willig sind, aus Patriotismus für einheimische Produkte mehr zu bezahlen, kann man nicht die ganze Verantwortung zuschieben.

Das Alarmsignal der Straßenblockaden in der Normandie geht nach Brüssel an die EU, die sich mit dieser Konkurrenz mit Sozial- und Umweltdumping befassen muss. Nicht nur wegen des Überlebens der französischen Bauern, sondern auch wegen der Qualität unserer Nahrung.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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3 Kommentare

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  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "In der Landwirtschaft driftet diese Wirtschaftsunion mit divergierenden Interessen und Methoden ebenfalls auseinander."

     

    - der "freiheitliche" WETTBEWERB um ..., die URSACHE aller Probleme unseres "Zusammenlebens" wie ein wachtumwahnsinniges Krebsgeschwür im geistigen Stillstand!

  • "Den Konsumenten, die nicht immer willig sind, aus Patriotismus für einheimische Produkte mehr zu bezahlen, kann man nicht die ganze Verantwortung zuschieben."

     

    Herr Balmer? Ihr Ernst? Wem wollen Sie hier beiläufig einen Teil der Verantwortung zuschieben??? Ich fasse es nicht...

  • Dazu sagt Peter Sloterdijk am 18.12.2012 bei der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit u.a.

    Die Europäische Union ist der Club der gedemütigten Imperien

    "Wir sind an Bord eines Schiffes gegangen, dessen Kapitäne im Streit miteinander liegen, und niemand weiß, welcher Kurs eigentlich eingeschlagen worden ist. Selbst wenn wir für das Schiff unser gemeinsames Geld geben, werden wir wahrscheinlich nicht entscheiden können, wohin wir fahren wollen.

    Seit der der EU Osterweiterung sind diese Unterschiede noch stärker, der ganze Organismus erinnert eher an ein heterogenes Patchwork als an ein Imperium oder eine in sich geschlossene Kultur, an ein großes Edukationsprojekt, allein es fehlt der Lehrer.

    Das sind inkompetenten Lehrer: https://www.dropbox.com/s/6jk4p46y74ndulp/Screenshot%202015-07-24%2011.00.48.png?dl=0

    Die Eurokriese geht unvermindert heftig weiter.

    Die EURO Krise ein Sytemversagen, das als Bankenkrise begann und die EZB, die Überschussländer und der IWF konzentrierten sich darauf, den Defizitstaaten neue Sparprogramme aufzuzwingen. Das verschärfte die Rezession in den Defizitländern. Die Krise reproduziert sich selbst."

    Das erklärt mir das OXI, NEIN der GRIECHEN und wir sollten diesen Systenfehler beenden! Weder Christlich, noch Sozial, Herr schmeiß Hirn rah!

    Die neue Enzyklika vom Papst: Franziskus will uns ans Leder! http://www.kontextwochenzeitung.de/kolumne/221/franziskus-will-uns-ans-leder-2975.html