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Kommentar Bahnsicherheit in EuropaDas Drei-Klassen-System

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Anders als Paris will Berlin keine einheitlichen und systematischen Kontrollen im Bahnverkehr. Das ist gut, greift aber doch zu kurz.

Die Terrorgefahr macht an der deutschen Grenze nicht Halt. Foto: dpa

W er in diesen Tagen mit dem Zug durch Europa reist, stößt auf ein Drei-Klassen-System der Sicherheit und Überwachung. Beim Eurostar von London nach Paris und Brüssel geht es zu wie in einem Flugzeug – mit Leibesvisiten und Ausweiskontrollen. Beim Thalys von Brüssel nach Paris fahren immerhin noch teils bewaffnete Polizisten mit. In Deutschland hingegen könnte man meinen, es habe nie eine Terrorattacke gegeben.

An diesem Drei-Klassen-System dürfte sich auch nach dem Treffen der Innen- und Verkehrsminister am Wochenende in Paris nicht viel ändern. Deutschland blockierte dort nämlich alle Vorstöße aus Brüssel und Paris, die auf einheitliche und systematische Kontrollen hinausliefen. Berlin möchte weder Namenstickets wie in französischen TGVs noch Metalldetektoren wie im Eurostar nach London. Nur in begründeten Einzelfällen soll es Ausnahmen geben.

Das ist gut so – und greift doch zu kurz. Denn zum einen macht die Terrorgefahr nicht vor der deutschen Grenze Halt. Es macht keinen Sinn, dass der Thalys-Schnellzug in Frankreich und Belgien streng kontrolliert wird, bei der Fahrt nach in Deutschland hingegen Narrenfreiheit herrscht. Das lädt potentielle Attentäter geradezu ein, künftig nicht in Brüssel, sondern in Köln zuzusteigen, wo die Polizei durch Abwesenheit glänzt.

Zum anderen zeigt der Fall des Thalys-Attentäters, dass es nicht nur um die Sicherheit bei Bahnreisen geht. Der Täter war vor seinem versuchten Angriff auf Bahnreisende unbehelligt von Berlin in die Türkei geflogen, von wo aus er zum IS nach Syrien weitergereist sein soll. Weder die deutschen noch die türkischen Behörden haben diese Form des Terror-Tourismus verhindert. Nur deshalb konnte der Mann später im Thalys gefährlich werden.

Letztlich geht es darum, mögliche Terroristen in allen europäischen Verkehrssystemen zu überwachen und zu stellen. Eine freie Bahn für freie Bürger ist gut und schön – doch das Problem geht weit über Zugreisen hinaus.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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9 Kommentare

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  • Wichtiger wäre meiner Ansicht nach, dass Muslime mal über die eigene Religion einmal kritisch nachdenken, anstatt alles nachzuplappern was ein Imam vorbetet. Stichpunkte wären : Menschenrechte, Frauenrechte, Zwangsbeschneidung bei Säuglingen ,Zwangsehen, Kopftuch usw. Wo gibt es kritische Diskussionen dazu bei Muslimen ? Verbotene Kritik an einer Religion macht sie nur unglaubwürdig.Außer dem würde ich mir wünschen, das muslimische Frauen sich mit nicht muslimischen Frauen solidarisch zeigen sollten und weiter für Gleichberechtigung gemeinsam kämpfen würden. Da gibt es immer noch viel zu tun. Statt das Kopftuch als Zeichen der Abgrenzung zu tragen, einfach mal abnehmen und Solidarität mit anderen Frauen zeigen. .

    Immer nur fordern, D müsse mehr für Integration tun, reicht nicht. Mal selber anfangen !

  • Ist doch klar, dass in Deutschland verschärfte Sicherheitskontrollen, wie z.B. mit Metalldetektoren am Einlass abgelehnt werden. Solche zusätzlichen Kontrollen führen zu erheblichen Wartezeiten bei der Abfertigung. Dies führt dazu, dass immer weniger Passagiere die Bahn als Reisemittel wählen werden. Meiner Meinung nach können solche Sicherheitsvorkehrungen Terroranschlähe eh nur schwer verhindern... Schwieriges Thema...

  • Und was ist, wenn der nächste Vorfall in einem Supermarkt stattfindet? Und der übernächste in einem Restaurant? Und der überübernächste auf einem Marktplatz? Glauben Sie ernsthaft, man könne dem wirksam vorbeugen?

     

    Es ist hysterisch und lächerlich - man kann nicht alles überwachen! Attentäter finden immer Lücken. Und die Lücken sind naturbedingt immer riesig. Reine Illusion, zu glauben, man könne jemals diese Lücken schließen - aber vielleicht könnte man mal mit Chuck Norris reden?

     

    Außerdem reicht es mir schon, daß heutzutage auf jedem kleinen Dorffest irgendwelche militant uniformierten Security-Knackies rumpatroullieren und sich aufspielen.

  • Ich gehe davon aus, der Autor fordert den Polizeistaat. So lesen sich seine Ausführungen jedenfalls. Denn es ist ja ohne die Totalüberwachung aller in allen Lebenssituationen keine absolute Sicherheit gegen Terror möglich.

     

    Damit fordert er, die freiheitliche Grundordnung abzuschaffen. Da haben allerdings dann einige, einschliesslich mir selbst, etwas dagegen.

     

    Wer den Terroristen nachgibt, um den totalitätern Staat zu erschaffen, der hat dem Terror zum Erfolg verholfen.

     

    Bleiben wir also gelassen. Im Gegensatz zu “Sauerlandbombern” und “Ladehemmungsangriffen” sterben tatsächlich Menschen in Deutschland durch rechte Gewalt.

  • "Denn zum einen macht die Terrorgefahr nicht vor der deutschen Grenze Halt."

    Bow hey, macht sie doch auch nicht außerhalb eines Zuges, Autos oder Flugkabine. Herr Bonse, denken Sie mal fertig, Terroristen sind nicht so eingleisig, wie Sie annehmen. Konsequent fertig gedacht, müssten wir alle einen Chip implantiert kriegen.

    Da bleib ich doch gerne drittklassig.

  • Der Herr Bonse ist kein Demokrat. Seine Auffassung von der totalen Überwachung der Bahnreisenden ist Bestandteil des neoliberalen Überwachungs- und Kontrollstaates.

     

    Er sollte sich in Zukunft journalistischer Tätigkeit enthalten. Das Grundgesetz sichert jedem Bürger Bewegungsfreiheit zu. Es ist ein Grundrecht auf Anonymisierung darin eingebettet.

     

    In den Niederlanden ist das Gespür für die unantastbare Privatsphäre verkümmert. Dort hat die VVD (gleicht der unappetitlichen FDP) mit ihrem Koalitionspartner grünes Licht für eine Chipkarte gegeben, aus der sich die Bewegungsprofile eines jeden Reisenden rekonstruieren lassen. Jeden Bahnhof mit automatischen Türen zu versehen, die nur Inhaber mit dieser Karte durchlassen, wurde zurück gestellt. Es kam im Feldversuch zu Personenunfällen, die schleunigst unter den Teppich gekehrt wurden. Wer anonym reisen will muss eine anonymisierte Karte mit weniger Komfort kaufen. Es kann sich eben nicht Jeder ein Grundrecht leisten. Damit ging der Traum der FDP in Erfüllung von der Privatisierung des Grundgesetzes. Diese Forderung wurde später von der AfD übernommen unter Einfluss des totalitären Markteinpeitschers Andre Lichtschlag.

     

    Was bei solchen Systemen unterschlagen wird, ist die Tatsache, dass diese elektronischen Karten schrankenlos ausgewertet werden. Die Ermittlungsbehörden haben jederzeit Zugriff darauf. Das gilt auch für die elektronisch lesbaren Zeitkarten der Nahververkehrsverbünde in der BRD. Nun ist es in den Zügen Zufall, wenn jemand kontrolliert wird und die Daten ausgelesen werden. Im Nahverkehr nicht. Allein die Tatsache, dass diese riesige Datenmenge schwer zu beherrschen ist, hat noch nicht zum Protest geführt. Doch das ist nur eine Frage der Zeit, denn der VRR in NRW plant die Einführung solcher Karten um lückenlose Bewegungsprofile zu erstellen. Man begründet das mit mehr Komfort bei dem Linienangebot und kilometergenauer Abrechnung. Selten so gelacht.

  • Im Gegensatz zum Kommentarschreiber fallen mir vor allem Widersprüche bei der offiziell verkündeten Version auf:

    - "Ladehemmung" bei der AK47: Ich hatte das Unglück, 18 Monate lang mit diesen Dingern hantieren zu müssen - Ladehemmungen gab es nie; die Kalaschnikow ist berühmt dafür, extrem "robust" zu sein;

    - in seine Pistole hatte der mutmaßliche Attentäter kein Magazin geschoben - warum eigentlich, wenn er doch ein Blutbad anrichten wollte?

    - der Festgenommene "war den Sicherheitsbehörden bekannt" - dies wiederholt sich bei so vielen "Terrorfällen" seit 9/11 als Stereotyp: 9/11 selbst, Sauerland-Gruppe, Toulouse (M.Merah), Charlie Hebdo, Thalys ...

    Gerade den letzten Fakt finde ich sehr seltsam. Bei 9/11 hat man es noch mit Kompetenzwirrwarr und Rivalität der Sicherheitsbehörden zu erklären versucht - aber seitdem? Warum passiert dies wieder und wieder? Brauchen die Sicherheitsbehörden am Ende diesen Pool potenzieller "Gefährder" für ihre ganz eigene, natürlich geheime Agenda?

  • Hallo Herr Bonse.

     

    In Deutschland herrsche "Narrenfreiheit", schreiben Sie. Sie meinen damit vermutlich die im Grundrecht auf Freizigkeit im Artikel 12 des Grundgeseztes verankerte Freiheit?

     

    Und dann heisst es in Ihrem Beitrag weiter unten:

     

    "Letztlich geht es darum, mögliche Terroristen in allen europäischen Verkehrssystemen zu überwachen ..."

     

    Ah, "mögliche Terroristen". Schön gesagt, aber ein reichlich unscharfer Begriff. Das bedeutet letztendlich nichts anderes, als "wir alle".

     

    Ich widerspreche dem Tenor Ihres Kommentares: Für mich hat das Recht, in einer Gesellschaft grundsätzlich erst einmal anonym reisen, bezahlen und am sozialen Leben teilhaben zu dürfen etwas mit dem Lebenswert innerhalb dieser Gesellschaft zu tun.

     

    Bitte schreiben Sie klar und deutlich, wenn Sie eine Vorratsdatenspeicherung von Reisebewegungen per Flugzeug, Bahn, Bus, Taxi, Fähre etc. fordern. Aber nicht so hintenherum. Ich glaube jedenfalls, dass Sie damit auf einem Holzweg sind.

    • @Markus Hanning:

      Herr Hanning, volle Zustimmung!

       

      Herr Bonse, was ist das denn für ein Kommentar, in der taz noch dazu? Kontrollen sind ja ok bei visapflichtigen Grenzen, oder wo auf einen Schlag Hunderte aus dem Himmel gebombt werden können. Aber hier? Da hat nun also auch im Zug mal ein durchgeknallter wannabe-Jihadi versucht, ein paar Leute um sich herum umzubringen. Schrecklich, keine Frage. Hätte er aber genauso gut in irgend einem Café, Kindergarten, Linienbus oder Bibelkreis tun können, vielleicht sogar noch öffentlichkeitswirksamer. Wollen Sie all diese Orte jetzt auch unter totale Polizeiüberwachung mit namentlich registrierter Ticketkontrolle stellen? Wer so denkt, erledigt den gesellschaftszerstörerischen Terroristenjob schon selber.

      SMH. Dachte eigentlich, wir hätten diese Lektion nach 9/11 mal gelernt.