piwik no script img

Kommentar Bahnchaos MainzGegen Pech kann man was tun

Kommentar von Richard Rother

Nicht zum ersten Mal legt eine Fehlplanung der Bahn den Verkehr lahm. Bahnchef Grube muss noch viel tun, um den Konzern zu modernisieren.

Wenn es läuft im Stellwerk. Bild: dpa

E rst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech hinzu. So oder so ähnlich mussten sich die Personalverantwortlichen der Deutschen Bahn am Knotenpunkt Mainz fühlen. Da Sommerzeit ist, begehrten die überlasteten Stellwerker Urlaub – welch Unding! –, und immerhin 20 Prozent der Fahrdienstleister durften diesen auch nehmen.

Als dann aber noch ein Drittel der Belegschaft wegen Krankheit ausfiel, war das Chaos perfekt: Etliche Regionalzüge fallen aus, Fernzüge werden umgeleitet. Schnelle Besserung ist nicht in Sicht, da Stellwerker Spezialisten sind, für die es keinen raschen Ersatz gibt. Wieder einmal hat der bundeseigene Bahnkonzern versagt, denn so etwas darf nicht passieren.

Aber es passiert, und es ist nicht das erste Mal, dass Fehlplanungen der Bahn den Schienenverkehr lahmlegen. Häufig sind übertriebene Spar- oder Gewinnvorgaben die Ursache. Legendär ist das Chaos bei der Berliner S-Bahn, einer DB-Tochter. Um die Bahn für den Börsengang – das Steckenpferd von Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn – fit zu machen, musste die S-Bahn auf Teufel komm raus sparen: in den Werkstätten und am Personal. Als dann technische Probleme auftauchten, waren diese nicht mehr beherrschbar – jahrelang fuhr die S-Bahn nur einen Notfahrplan.

Unter dem neuen Bahnchef Rüdiger Grube wollte das Unternehmen eigentlich einen Kurswechsel vollziehen: weg vom Trimmen auf Rendite, hin zu mehr Zuverlässigkeit, Kunden- und Mitarbeiterfreundlichkeit. Das Chaos von Mainz, das lange nicht die Berliner Ausmaße hat und haben wird, zeigt, dass längst noch nicht alle Weichen richtig gestellt sind.

Das Ziel bleibt richtig

Zwar ist es für einen Arbeitgeber zunächst einmal Pech, wenn plötzlich ein Drittel der Belegschaft wegen Krankheit ausfällt. Aber gerade ein Großkonzern sollte in der Lage sein, auch kurzfristig qualifizierte Leute dorthin zu bringen, wo Not am Mann ist – für Stellwerker müssten etwa regionale Pools geschaffen werden, selbst wenn die entsprechende Weiterbildung nicht umsonst ist.

Zudem lässt sich durch vorausschauende Personalplanung, die die Be- oder Überlastung von Mitarbeitern erkennt, verhindern, dass der Krankenstand sprunghaft steigt. Bahnchef Grube möchte aus der Bahn AG einen der besten Arbeitgeber machen, bei dem die Menschen gern und engagiert ihren Dienst tun. Er muss dafür noch viel tun – aber das Ziel bleibt richtig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • SH
    Siegfried Heim

    Was mich erstaunt ist die große öffentliche Aufmerksamkeit für die Vorgänge in Mainz, die ja nun wirklich nur das Pech aus planmäßiger Personalausdünnung verbunden mit Urlaub und Krankheit sind. Dagegen gibt es kaum Berichte über den Dauer-Ärger, den Bahn-Kunden haben, wenn sie an den noch viele Monate dauernden Fahrzeit-Verlängerungen wegen der Hochwasserschäden an der Strecke Berlin-Hannover/Wolfsburg leiden. Oder an den derzeit beginnenden Dauer-Verspätungen wegen der Bauarbeiten für Stuttgart 21. Das rutscht unter dem Medien-Aufmerksamkeitsradar hindurch. Dabei trifft es gerade diejenigen, die (berufsbedingt oder als Fernpendler) jedes Jahr 4000 Euro in die Bahncard 100 investieren, um klimaschädliche Flüge zu vermeiden.

     

    Siegfried Heim

  • HF
    Helmut Fuchs

    Schon ein arg zahmer Kommentar.

     

     

     

    Mit keinem Wort wird auf die Frage eingegangen, welche Verantwortung die Bundesregierung trifft. Gleichzeitig wird Herr Grube alleine aufgrund seiner Aussagen zum Mann stilisiert, der die besten Absichten habe.

     

     

     

    Zur Erinnerung: Diese Bundesregierung hat den Börsengang noch immer im Blick. Und sämtliche Bekenntnisse dieser Regierung zur Bahn haben sich als reine Lippenbekenntnisse herausgestellt.

     

     

     

    Sämtliche positiven Entwicklungen im Bahnverkehr werden von den Ländern getrieben. Nicht vom Bund. Und nicht von der DB AG.

     

     

     

    Die Bewegung dieser Regierung geht von der Bahn weg. Egal was Merkel und Ramsauer in die Mikrofone sprechen. Sinnlose Pyramidenbauten wie Stuttgart 21 werden zum Zweck der befreundeten Wirtschaft vorangetrieben. Für sinnvolle Ausbauten bleibt das Geld vom Bund aus. Auch wenn Grube im Frühjahr in Baden-Württemberg gegenteiliges Versprochen hat, wird da nichts kommen.

     

     

     

    Herr Grube verfolgt die Politik seiner Vorgesetzten: Freundlich lächeln, freundlichen Dinge sagen und im Hintergrund ganz anders handeln. Der Ausbau des DB Fernbusangebots bei gleichzeitiger Angebotsverschlechterung auf der Schiene, spricht da Bände.

     

     

     

    Es geht für die Führung der Bahn nicht um Betreiben des Schienenverkehrs zu Gunsten der Volkswirtschaft. Es geht allein um die Bilanzen und die „Gewinne“, die man dem Bund bringen kann.

     

     

     

    Insofern wird man in Mainz nun alles tun, um Stille reinzubringen. Strukturell wird sich nichts ändern.

  • H
    Hardy

    Die Bahn verschlingt jedes Jahr Millarden, die von Autofahrern in form von KFZ-Steuer gezahlt werden. Die Bahn ist ein Sorgenkind; die Straßen sind es auch. Deutschland boomt, aber die Infrastruktur ist in der Rückwärtsentwicklung. Werden die tausenden betroffenen Pendeler denn wenigstens angemessen entschädigt? Wohl kaum...

  • M
    martain

    Jajaja, Die Bahn, Die Bahn, Die Bahn hat immerzu und ueberall noch viel an Kundenfreundlichkeit zu lernen, darunter auch selbstverstaendliches, wenn man Massstaebe aus dem Kontakt mit Banken o. ae. anlegt: Habe ich doch neulich meine Bahnkarte verbummelt. In der vor meiner Arbeitslosigkeit bezahlbaren Version kostete die mich pro Jahr ueber 500 Affen. Ruediger verlangt trotzdem 15 Euro extra fuer eine Ersatzkarte, und die braucht auch noch sehr lang. Da fuehlt man sich doch vereisenbahnt...

  • S
    Sokrates

    Anderenorts kompensiert man Personalabbau mit dem aufstellen von Überwachungskameras und wundert sich, dass es nicht weniger Übergriffe gibt obwohl doch der Kollege Einauge nie Urlaub macht oder krank ist.

     

    Irgendwann ist halt eine Grenze erreicht, nach deren Überschreitung den Entscheidern ihre Kosten-Nutzerechnung von der Realität vor die Füsse geworfen wird.