Kommentar Bahn-Börsenpläne: Volkswirtschaftlicher Humbug
Die Aufgabe der Bahn muss verkehrspolitisch bestimmt werden. Erst danach kann sich die Frage stellen, mit welcher Unternehmensform sich das erreichen lässt.
Kurz nach seiner Amtsübernahme schwadroniert der neue Bahnchef Rüdiger Grube vom Börsengang - so wie es sein Vorgänger Hartmut Mehdorn jahrelang getan hat. Dem verhagelte die Wirtschaftskrise im vergangenen Herbst in letzter Minute diese Pläne. Und das ist gut so. Denn nun gibt es immerhin die Chance, die Aufgabe der Bahn endlich verkehrspolitisch zu bestimmen. Erst danach kann sich die Frage stellen, mit welcher Unternehmensform sich dieses Ziel am besten erreichen lässt.
Bis zum Herbst galt die klare Priorität: Der Staat soll sich raushalten - er hat von Wirtschaft keine Ahnung. Tatsächlich sind Politiker mit Sicherheit nicht die besseren Betriebswirte. Das ist auch nicht ihre Aufgabe. Doch die Krise hat deutlich gemacht, dass der Staat die Rahmenbedingungen für Unternehmen setzen muss, weil die Volkswirtschaft sonst unermesslichen Schaden erleidet. Genau das erleben wir zurzeit. Deshalb muss die Reihenfolge endlich wieder umgedreht werden: Erst muss der Rahmen gezimmert sein, dann dürfen sich die Unternehmen darin austoben.
Für die Bahn heißt das: Die Frage der Privatisierung einzelner Unternehmensteile ist sekundär. Vielmehr gilt es zu definieren, was der Schienenverkehr leisten soll. Es ist eine politische Entscheidung, ob drei Minuten Zeitgewinn auf einer Hochgeschwindigkeitstrasse wichtiger ist als die Erreichbarkeit vieler Kleinstädte und ob die Nutzung von Schienentrassen teurer ist als die von Straßen. Die DB hat in den letzten Jahren mehr Geld mit Lkws verdient als mit Zügen. Betriebswirtschaftlich war das sinnvoll - volkswirtschaftlich und umweltpolitisch Humbug. Unter anderen Bedingungen würde das anders aussehen. Dafür muss die Politik sorgen. Der Börsengang der Bahn ist hierfür völlig irrelevant.
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