Kommentar BND im Kosovo: Im Gestrüpp fremder Interessen
Der Kosovo beschuldigt den BND ohne Beweise vorzulegen. Jede vernünftige Regierung hätte den Fall angesichts der Hilfsleistungen aus Deutschland unter den Teppich gekehrt
Erich Rathfelder, 60, betreut seit über 15 Jahren in dem Dreieck Berlin, Split, Sarajevo die Region Südosteuropa. Sein jüngstes Buch: "Schnittpunkt Sarajevo. Bosnien und Herzegowina zehn Jahre nach dem Krieg" (Schiler Verlag, 2006).
Seinen in Geheimdienstkreisen nicht gerade guten Ruf hat der BND mal wieder bestätigt. Es ist zwar kaum anzunehmen, dass die drei in Pristina verhafteten BND-Agenten wirklich eine Bombe auf das EU-Quartier geworfen haben, wie ihnen vorgeworfen wird. Aber Spott allein ist nach der Entwicklung der letzten Tage nicht mehr angebracht. Vielmehr stellt sich die Frage, warum die Regierung des Kosovo ihren Vorwurf aufrecht erhält, ohne entsprechende Beweise vorzulegen.
Ein deutsches Motiv, die EU-Mission anzugreifen, ist ja nicht ersichtlich. Hätte Kosovos Präsident Thaçi dafür wirklich Beweise, wäre der Skandal perfekt, und die deutsche Außenpolitik hätte immensen Schaden davongetragen. Aber angesichts der großen personellen und finanziellen Hilfeleistung aus Deutschland kann das kleine Kosovo daran kein Interesse haben. Selbst im schlimmsten Fall hätte jede vernünftige Führung einen solchen Vorgang deshalb unter den Teppich gekehrt.
Was also steckt dahinter? Einerseits treibt die albanische Führung das Bedürfnis, nach innen und außen Stärke zu demonstrieren. Nach außen, weil der Westen um des lieben Friedens willen mit Russland der UN-Politik zu folgen scheint und die Teilung des Kosovos in serbische und albanische Zonen hinnimmt. Er übt auf die Regierung Thaçi Druck aus, ihrerseits nachzugeben. Nach innen, weil die kosovarische Regierung erst im letzten Moment und nicht schon viel früher gegen den UN-Plan aufgetreten ist. Die Unruhe in der Bevölkerung könnte der Regierung Thaçi gefährlich werden; der BND-Skandal lenkt erst einmal davon ab.
Und zweitens: Würde die Eulex-Mission bald Wirklichkeit, würde sie daran gehen, einen Rechtsstaat aufzubauen. Korruption, Vetternwirtschaft und organisierte Kriminalität würde der Kampf angesagt. Das wäre gut für das Land - doch für manchen bisher Mächtigen unangenehm. Gerade die Deutschen haben den Ruf, Saubermänner zu sein, und der BND ermittelt auch auf diesem gefährlichen Terrain. Ob dieser Zusammenhang für den aktuellen BND-Skandal wichtig ist, bleibt jedoch reine Spekulation. ERICH RATHFELDER
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