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Kommentar BER-TerminverschiebungEs hängt alles an Wowereit

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

Nach dem BER-Desaster hat Klaus Wowereit zwei Alternativen: Schnell gehen oder gedemütigt noch ein paar Jahre durchhalten. Vieles spricht für letzteres.

E s klingt reichlich pathetisch, aber: Selten hatte ein Regierungschef die Zukunft – oder wenn man so will: das Schicksal – seines Bundeslandes so allein selbst in der Hand wie derzeit Klaus Wowereit. Denn der Regierende Bürgermeister wird nicht stürzen, weil ihn die Opposition einen Misstrauensantrag stellt. Auch die eigene Partei wird sich kaum gegen ihn stellen, denn er ist für sie alternativlos. Und selbst der Koalitionspartner CDU dürfte (mindestens) drei Mal überlegen, ob man zum Königsmörder werden will. Denn mit wem sollte man nach einer Neuwahl zusammenarbeiten? Eben.

Also muss Klaus Wowereit im stillen Kämmerlein entscheiden, ob er ganz schnell geht und den Weg freimacht für einen kompletten Neuanfang, der die politische Landschaft Berlins gehörig durcheinanderwirbeln könnte. Oder ob er als gedemütigter Regierungschef noch ein paar Jahre durchhält. Vieles spricht für die zweite Lösung.

Ein Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt würde sehr wahrscheinlich rasch zu Neuwahlen führen. Die Folgen wären kaum berechenbar: Stürzt die SPD ab? Käme das der CDU zugute? Schaffen die Piraten noch mal den Einzug ins Parlament? Und kann der Rest der bisher glanzlosen Opposition punkten? Unwägbarkeiten wie diese versuchen Parteien – insbesondere Langzeitregierungsparteien wie die SPD in Berlin – partout zu vermeiden. Die zahlreichen Durchhalteaufforderungen an Wowereit aus der Partei machen also Sinn.

Bild: Kathrin Windhorst
Bert Schulz

ist Co-Ressortleiter der taz Berlin.

Dass Wowereit lust- und antriebslos jahrelang vor sich hinregieren kann, hat er in der vergangenen Legislaturperiode bewiesen. Er wirkte ausgebrannt und seltsam von den Bürgerinnen und Bürgern entfremdet. Vorwürfe deswegen haben ihn aber nie gejuckt. Hätte ihn in dessen Endphase nicht die Spitzenkandidatin der Grünen, Renate Künast, aus dem Motivationstief geholt, wäre die Abgeordnetenhauswahl von den Wählerinnen und Wählern wohl schlicht verschlafen worden.

Wenn Wowereit sich die nächsten drei Tage halten kann, wird er – keine weiteren peinlichen Enthüllungen vorausgesetzt – wohl auch die nächsten drei Jahre bleiben. Das ist schlecht für Berlin, weil es inhaltlichen Stillstand bedeutet. Und es ist auch schlecht für die Politiker, weil sie an Glaubwürdigkeit verlieren. Aber wahrscheinlich entspricht es genau der Logik der Politik.

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Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
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8 Kommentare

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  • FF
    Feldwege für Idioten

    Wowi spielt auf Zeit, denn der Siegeszug des SUV hält unerschrocken an und er läßt sich auch nicht von Flughäfen aufhalten. Genau wie Strassen sind die nämlich völlig unnötig, da der Trend zum Geländeflugzeug geht und die landen auf jedem Acker.

  • A
    antares56

    Wowi und die SPD sind doch nur am Machterhalt interessiert! Und die CDU möchte auch gerne dabeibleiben.

    Da wird der Antrag der Grünen wohl nicht durchkommen (Misstrauensvotum).

  • F
    Fledi
  • P
    Peter

    @Sebastian

     

    Zitat "Ich denke nicht" - Sigmund Freud hätte seine Freude daran.

  • S
    Sebastian

    Macht der Wowi in Berlin denn insgesamt so schlechte Arbeit? Ich denke nicht.

  • C
    C.Antonius

    Vielleicht täte eine kleine Aus-Zeit in Barcelona Wowi gut. Dort gibt es eine wunderschöne Kathedrale - die Sagrada Familia - sie ist sehr bezaubernd.

     

    An die wird schon seit 100 Jahren gebaut und sie ist immer noch nicht fertig.

     

    PS.Im Moment läuft gerade der Film dazu: "Antonin Gaudi - das Geheimnis der Schöpfung."

    Trotzdem schade um unseren charmanten Bürgermeister - es ist verdammt leicht, zu spotten, und viel schwieriger, Verantwortung zu übernehmen.

  • A
    Aufrechtgehn

    Ich finde diese leider typische Verengung auf die Rücktrittsfrage falsch. Das läuft ja immer so ab: etwas läuft schief - ein Kopf muss rollen - und dann geht alles so weiter wie bisher.

     

    Viel spannender fände ich eine öffentliche Debatte darüber, woran es eigentlich liegt, dass öffentliche Bauvorhaben immer teurer werden als geplant und warum die Bauausführung oft so schlampig ist. Könnte das mit dem Vergaberecht zu tun haben, das immer den billigsten Anbieter bevorzugt? Mit der Weitervergabe an Subunternehmer? Warum gibt es noch keine neutrale Stelle, die bei Großbauprojekten im Interesse der Bürger die Kostenvoranschläge kritisch nachrechnet? Jede Privatbank, die sich einen neuen Wolkenkratzer bauen lässt, wälzt mit armdicken Knebelverträgen das Kostenrisiko auf die beauftragten Bauunternehmen ab, warum bleibt es bei Bauten der öffentlichen Hand am Steuerzahler hängen?

     

    Aber diese Fragen werden nicht gestellt, stattdessen hetzt man lieber Politiker. Und meint, mit einem Rücktritt wäre alles erledigt, dann kann man die nächste Sau durchs Dorf jagen. Es gibt wahrlich viele Dinge, die man Wowereit vorwerfen kann, u.a. den Autobahnfetischismus und natürlich auch die dilettantische Steuerung beim Flughafen. Davon, dass Berlin stattdessen von einem CDU-Bürgermeister regiert wird, wird's aber nicht besser...

  • L
    LaHaine

    Nichts „macht Sinn“, das ist schlechtes Deutsch und von einem Journalisten erwarte ich mehr.