Kommentar Autonomentreffen in Berlin: Reden über Verbotszonen
Ohne Ergebnisse des Treffens in Berlin vorwegzunehmen: Festzuhalten bleibt, der massive Polizeieinsatz in Hamburg zu Jahresbeginn ist nicht vergessen.
E rstens soll man da jetzt nichts herbeischreiben und zweitens auch nichts vorfrüh bewerten. Ob es am Wochenende in Berlin zu größeren oder kleineren Ausschreitungen kommt oder nicht, ist ohnehin eine letztlich unpolitische Frage. Aus der Ankündigung linker Gruppen, in Berlin am Wochenende eine „Offensive“ zu starten, lassen sich dennoch einige Schlüsse ziehen. Der erste ist: Hamburg ist nicht vergessen.
Dort hatte es zu Jahresbeginn eine stadtpolitische Auseinandersetzung gegeben, die tief hinein in die sozialdemokratischen und liberalen Lager für Verstimmungen gesorgt hat, als aus dem Konflikt um ein linkes Kulturzentrum plötzlich ein städtisches „Gefahrengebiet“ mit erweiterten Polizeibefugnissen wurde.
Man muss die – nicht neue – Verbalrhetorik linksradikaler Ankündigungsschriften überhaupt nicht teilen, um dennoch eines attestieren zu können: Tatsächlich ist in den vergangenen Jahren die Bereitschaft gestiegen, durch polizeitaktische Maßnahmen Grundrechte einzuschränken. In Dresden und Frankfurt, wo von den Gewerkschaften über Attac bis zu den Sozialdemokraten – gemeinsam mit einigen Kommunisten und Anarchisten – Demonstranten auf die Straße gingen, antwortete die Polizei wiederholt mit äußerst restriktiven Mitteln.
Außer in Berlin, wo die Polizei seit Jahren mit einer Strategie der verhältnismäßigen Zurückhaltung bei Demonstrationen immer wieder Erfolge erzielt hat, senden die Polizeiführungen nahezu aller großen deutschen Metropolen ein durchaus alarmierendes Zeichen: Wir lassen erst gar nicht zu, was uns allzu sehr stört. Das Ergebnis sind Demonstrationsverbotszonen.
Weil diese Entwicklung bedenklich ist und viele Menschen betrifft, ist ihre öffentliche Erörterung nötig. Ob man dazu wirklich gleich zu den Pflastersteinen greifen muss, sei mal dahingestellt.
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