Kommentar Ausspähaffäre um Merkel: Die NSA kann ganz beruhigt sein
Die Bundesregierung zeigt sich empört über die Ausspähung von Merkels Handy. Die Europäer könnten Druck auf die USA ausüben. Tun sie aber nicht.
D ie neue Handelsware zwischen der Bundesrepublik und den USA heißt Empörung. Ordentlich verpackt vom Noch-Außenminister Westerwelle und mit Geht-gar-nicht-Grußkarte der Kanzlerin aufgehübscht, zeigt die Bundesregierung dem großen Verbündeten die Grenzen seines Handelns auf. US-Präsident Obama hat sich bereits entschuldigt. Deutschland kann beruhigt sein: So etwas wird nie wieder vorkommen.
Wer’s glaubt, wird selig. In Wahrheit sorgt die bundesdeutsche Politik gerade dafür, dass die Überwachung von Merkels Telefon zwar beendet sein mag, sich an den Prinzipien der Überwachung aber nichts ändern wird. Wie sollte sie auch? Die deutschen Geheimdienste sind bei der Aufklärung mutmaßlicher terroristischer Bewegungen viel zu sehr auf ihre helfenden Kollegen in Washington angewiesen, als dass sie auf deren Daten verzichten könnten.
Man stelle sich vor, einem Attentat würden Dutzende Menschen zum Opfer fallen, und danach stellte es sich heraus, der US-Geheimdienst NSA hätte auf Weisung der Bundesregierung den BND nicht rechtzeitig informiert, weil der Datenschutz Vorrang habe. Nein, man braucht sich das nicht vorzustellen. So etwas wird es nämlich nicht geben.
Direkt proportional zur Abhängigkeit Europas von den NSA-Gesellen gestalten sich derzeit die Bemühungen, dieser Geheimdienst möge sich künftig doch bitte auf das Abhören mutmaßlicher Terroristen und nicht etwa von unbescholtenen Bürgern beschränken. Es geschieht in dieser Angelegenheit nämlich – gar nichts.
Dabei hätten die Europäer als Gesamtheit durchaus Möglichkeiten, die USA unter Druck zu setzen. Die EU-Datenschutzverordnung etwa würde einigen US-Konzernen wie Google oder Amazon einigen Ärger bereiten und die Freiheit der europäischen Bürger deutlich erweitern. Doch was passiert: Das Thema wird auf dem EU-Gipfel unauffällig vertagt.
Mit welcher Verve die Bundesregierung das Thema vorantreibt, lassen die jüngsten diplomatischen Bemühungen erkennen. Nicht etwa Berlin und London bereiten derzeit eine gemeinsame Resolution im US-Sicherheitsrat gegen die US-Sammelwut vor. Auch nicht Paris und Rom oder gar alle vier gemeinsam. Nein, Deutschland hat sich in dieser Angelegenheit mit dem fernen Brasilien verbündet. Das wird die NSA gewiss vor Sorge erzittern lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich