Kommentar Ausländer in der Bundeswehr: Die Integrationsarmee
Nach der Abschaffung der Wehrpflicht soll sich die Bundeswehr für Menschen ohne deutschen Pass öffnen. Das ist eine logische Konsequenz, aber eine ehrliche Debatte fehlt.
D ie Bundeswehr lädt ein. Die künftige Berufsarmee soll sich öffnen für hier lebende Menschen ohne deutschen Pass. Das Verteidigungsministerium zieht damit die Konsequenz aus der richtigen Entscheidung, die ungerecht gewordene Wehrpflicht abzuschaffen. Doch die geplante Einbeziehung Nichtdeutscher kann nur gelingen, wenn die Debatte darüber ehrlich geführt wird.
Erstens darf die Bundeswehr nicht zur staatlich bezahlten Abstellkammer für sozial auffällige Jugendliche verkommen. Deshalb darf die Armee trotz Nachwuchssorgen ihre Anforderungen nicht senken. Sondern sie muss potenzielle Soldaten fit machen, dass sie diesen hohen Ansprüchen genügen. Durch Angebote, Schulabschlüsse nachzuholen, durch Sprachkurse und die Orientierung darauf, dass eine Rückkehr ins zivile Berufsleben möglich sein muss.
Zweitens muss ein bilaterales Abkommen zwischen der Türkei und Deutschland her. Nur dies ermöglicht es Menschen mit türkischem Pass, hierzulande Armeedienst zu leisten. Türkischstämmige bilden die größte Einwanderergruppe. Ohne sie ginge eine Öffnung der Armee für Migranten an ihrer wichtigsten Zielgruppe vorbei. Der Ministeriumsplan, fast ausschließlich EU-Bürgern den Eintritt zu ermöglichen, ist realitätsfern.
MATTHIAS LOHRE ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.
Drittens braucht das ohnehin prekäre Ideal des "Bürgers in Uniform" ein neues, stabileres Fundament: Welchen Sinn ergibt noch das Gelöbnis, "das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen", wenn der Soldat laut Pass nicht Teil dieses Gemeinwesens ist? Darin spiegelt sich eine alte, nie abschließend beantwortete Frage: Wofür brauchen wir die Bundeswehr?
Die Aussetzung der Wehrpflicht ist nicht die Lösung aller Probleme der Armee, sie schafft neue. Vor allem eine Hoffnung wird unerfüllt bleiben: Eine kleinere Berufsarmee ist keine Garantie zum Geldsparen. Will sie der Integration dienen, kann dies sogar ziemlich teuer werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!