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Kommentar Aus für Kevin SpaceyDas Leben ist kein Groschenroman

Kommentar von Hans Hütt

Die Empörung über die sexuellen Übergriffe des Schauspielers paart sich mit Lüsternheit. So reproduziert sie das, was sie verurteilen will.

Auch wenn sich unter der eleganten Obefläche Abgründe auftun: Kein Grund zu lüsterner Häme Foto: dpa

W as macht Bösewichte wie Präsident Frank Underwood in der US-Serie „House of Cards“ so interessant? Sind es ihre Missetaten, das von ihnen in Szene gesetzte Verhältnis zwischen Wirklichkeit und Fiktion oder ist es die Schamlosigkeit, mit der Kevin Spacey als Frank Underwood aus seiner Rolle tritt und seine nächste Schandtat erläutert?

Mit scheinbar gewissenlosem Vorsatz spielt er einen Schurken, der alle Grenzen übertritt. Der Zweck scheint die Mittel zu heiligen. Wie wirkt diese Inszenierung auf das zeitgenössische Verständnis von Politik? Der Bösewicht spielt mit normativen Erwartungen an die Politik und mit ihrer Desillusionierung. Wer sich erhöht, der wird erniedrigt werden. Dass ihn nun Vorwürfe sexuellen Missbrauchs ereilen und seiner Karriere ein Ende bereiten, rechtfertigt weder Häme noch Heuchelei.

Die öffentliche Resonanz wirkt selbst wie ein Rollenspiel, das sich seines Spielcharakters unbewusst scheint. Empörung paart sich mit Lüsternheit. Die ambivalenten Gefühle reproduzieren, was sie verurteilen. Ihr Mitgefühl mit den Opfern sexuellen Missbrauchs scheint anständig, wäre es nicht auch zugleich so detailversessen, als handelte es sich bei der Serie von bekannt gewordenen Übergriffen um einen Fortsetzungsroman, der kostenlos zu abonnieren wäre.

„Vernachlässigt und elegant, waren sie geil auf Katastrophen, von denen sie kein Kind bekommen konnten. Sie lagen mit dem Unglück anderer Leute im Bett und befriedigten sich mit einem künstlichen Mitleid. Die Pressetribüne war überfüllt.“ Das schrieb Ödön von Horváth im Kapitel 23 des Romans „Jugend ohne Gott“, der 1937 erschien und dessen Verfilmung 2017 in die Kinos kam.

Im Spiel mit der Empörung bleibt das Verlangen ausgeblendet, als verdanke es sich einem Lichtschalter, der nach moralischem Belieben an- oder ausgeknipst wird. Das nicht zu verstehen, macht das Mitgefühl mit den Opfern nicht gegenstandslos. Besser wäre es, wenn das Gefühl sich nicht des Verstandes entäußerte, sonst machte es sich gemein mit Heuchelei.

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2 Kommentare

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  • Hm. Mit keinem Wort wird hier erwähnt, dass Kevin Spaceys Opfer Männer waren.

     

    Ich würde gerne mal wissen, ob das nur mein subjektiver Eindruck ist, oder ob das wirklich so ist, dass das Geschlecht bei Artikeln über Missbrauch an Männern seltener ausdrücklich betont wird?

     

    Vielleicht hab ich da einen Bias. Deswegen würde ich das gerne mal wissen.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Dürfte ich einen Mediatorenvorschlag via Blog nach Amerika schicken?

    Man sollte einen Film produzieren, wo man Kevin Spacey wieder leibhaftig sieht, wie er sich selbst spielt, mit Ärzten, Geschädigten, anderen Patienten und Kinofans seiner früheren Filme.

    Titel: 'Wie es dazu kam'.

    Dann wäre doch alles 'vom Tüsch', wie Herr Pofalla nach der unseligen NSA-Affäre, die sehr gekonnt von ihm beseitigt wurde, gesagt hatte.

    Wenn man die richtigen Worte und Maßnahmen sucht und findet, dann bekommt jeder Mann wieder seine weiße Weste. Kann doch nicht so schwer sein. Oder?