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Kommentar Auftritt Feine Sahne FischfiletDie Rechten haben nicht gewonnen

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Erst ausladen, dann einladen: Das Anhaltische Theater lädt die Punkband Feine Sahne Fischfilet nun doch zum Konzert. Das ist bemerkenswert.

Demmin in Mecklenburg-Vorpommern im Mai: Auftritt der Band „Feine Sahne Fischfilet“ Foto: dpa

E s hätte auch ausgehen können wie in Riesa im Sommer 2013. Am Ende der Debatte spielte dort Feine Sahne Fischfilet auf einer Wiese am alten Stadion ein Spontankonzert vor kaum mehr als einem Dutzend Freunden. Es war ihre Reaktion auf die Ausladung vom Stadtfest durch die damalige CDU Bürgermeisterin. Diese war eingeknickt, nachdem vor allem die NPD gegen den geplanten Auftritt der ihrer Ansicht nach linksextremen Band polemisiert hatte.

Fünf Jahre später hat sich nicht viel geändert. Was in Riesa die NPD war, ist in Dessau die AfD. Was dort die Stadtoberen waren, ist nun das Bauhaus. Und die CDU, ja, sie bleibt die CDU: mutlos und viel zu oft zugänglich für die Thesen der rechten Verfassungsfeinde.

Die Band hat die neuerliche Ausladung als „erbärmlich“ bezeichnet und damit das wichtigste gesagt. Wie damals hatten die Mecklenburger Antifaschisten darauf beharrt, sich nicht zu beugen, und angekündigt, Anfang November auf jeden Fall nach Dessau zu kommen. Haltung nennt man das – eine Tugend, die sie von ihren Gegnern unterscheidet.

Dass sie in Dessau aller Wahrscheinlichkeit nach kein Freiluftkonzert spielen muss, liegt am Anhaltischen Theater. Das hatte zwar zunächst erklärt, als Ersatzort nicht zur Verfügung zu stehen, diese Haltung aber am Montag revidiert. In erfreulich klaren Worten hat sich das Theater von der Absage distanziert („schlecht überlegt und falsch“), bei der Band entschuldigt und sie für einen Auftritt eingeladen.

Positives Zeichen

Besserwisserisch könnte man dem Theater vorhalten, dass es nicht sofort verstanden hat, dass die Kunst- und Meinungsfreiheit vor den Angriffen der neuen Faschisten geschützt werden muss. Man könnte sagen, das nun erfolgte Bekenntnis zur unbedingten Freiheit der Kunst, sollte auch reflexartig funktionieren; erst recht in einem Haus, das 1938 im Beisein von Adolf Hitler und Joseph Goebbels eröffnet wurde. Immerhin hat das Theater nun klargestellt: Damals wurden Künstler gegängelt, vertrieben und getötet.

Der Sinneswandel und der Mut, diesen zu begründen sind positive Zeichen. Ein Signal, dass die Rechten noch nicht gewonnen haben mit ihrer Einschüchterungsstrategie und dass Argumente noch helfen können. Womöglich gibt das auch Hoffnung, dass angesichts der zunehmenden rechten Bedrohung die oftmals zu passiven Bürger und Institutionen neuen Mut schöpfen können.

Dass es auch anders laufen kann, zeigt die Stiftung Bauhaus Dessau, die an der Konzertabsage festhält. Ihre Beteuerung den Anlass zu nutzen, um sich nun verstärkt für eine offene Gesellschaft und gegen Ausgrenzung zu engagieren, ist heuchlerisch. Ohne den Mut, die Absage zurückzunehmen, ist sie nur eines: erbärmlich.

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Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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8 Kommentare

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  • Ich glaube nicht, dass man die Welt besser macht, indem man in (fast) allen Ecken den Kampf gegen DIE Rechten und Rassisten austrägt. Ich glaube, dass eine solche Vereinfachung eher Teil des Porblems ist und nicht der Lösung.

    Die Kunstfreiheit scheint mir dadurch gegeben, dass FSF frei auftreten können. Kunstfreiheit heißt ja nicht, dass sie jeder gutfinden und einladen muss. Schon gar nicht als Kampf gegen Rechts und Rassismus - das wäre glaube ich ein Bärendienst.

  • Heißt unbedingte Freiheit der Kunst nicht auch, dass Stahlgewitter und Konsorten auch spielen dürfen sollten? Ich fände es schöner, wenn man der AfD erklären würde, dass ihre Vorwürfe Unsinn sind und auch erklärt warum. So klingt es mehr wie "ihr habt schon Recht, eigentlich. Aber: Freiheit der Kunst..."



    FSF ist aber nicht das Gleiche wie Stahlgewitter oder Division Germania.

    • @LeSti:

      FSF spielt nach meiner Kenntnis den Tutel "Staatsgewalt" nicht mehr, auf den Sie sich hier beziehen. Darüber hinaus sollten Sie den Liedtext als Ganzes sehen und nicht einzelne Teile herausschneiden. Es geht hier eher um eine Gewaltfantasie nachdem man selbst verprügelt worden ist. Kein brillanter Text, aber im Gesamtzusammenhang des Liedes und insbesondere aller Lieder von FSF kann ich damit leben, dass er einfach nicht mehr gesungen wird. Man kann das auch kritisieren, aber staatsgefährdend ist das nicht.

      Stahlgewitter dagegen lehnt in allen seinen Texten die Bundesrepublik und die Verfassung ab, verherrlicht die Verbrechen der Wehrmacht und der SS und kultiviert einen deutschen Opfermythos. Die könnten gar nichts mehr spielen, wenn sie solche Titel weglassen würden.

      Betrachtet man FSF aus der Brille von Stahlgewitter, ist FSF bundesrepublikanischer Mainstream. Anders herum bleibt Stahlgewitter eine Nazi-Combo. Der Vergleich, den Sie angeregt haben, spricht deswegen sehr eindeutig dafür, dass FSF auftreten kann, auch wenn man Stahlgewitter nicht auftreten lassen möchte.

      • @PPaul:

        Scheinbar ist es nicht deutlich geworden: Ich finde Kritik an Auftritten von FSF ziemlich unnötig. Wenn man die Auftritte aber mit dem Verweis auf die Freiheit der Kunst rechtfertigt, öffnet das Tore, die man auch zu lassen könnte. Z. B. indem man AfD Konsorten deutlich sagt: Ihr habt Unrecht, eure Vorwürfe sind haltlos, geht zurück in eure Ecke.

        • @LeSti:

          Ok, ich kann mich anschließen. Vermutlich hat man da noch keine eindeutige Position herausgearbeitet, wo die Grenzen liegen. Diese Situation wäre ein Anlass dafür.

    • 9G
      91985 (Profil gelöscht)
      @LeSti:

      Und warum nicht? Diese Band ruft zu Gewalt gegen Polizisten und staatliche Ordnung auf. Man ersetze die Wörter Deutschland, Polizei u.Ä. in den Texten durch Begriffe wie Ausländer, Moslems oder Juden. Läuft das dann auch unter „Kunstfreiheit“? Nein, Gott sei Dank nicht! Die Doppelmoral der Linken ist mal wieder schwer erträglich. Kriminelle, politisch motivierte Gewalttäter und Hetzer bleiben Staatsfeinde - unabhängig davon ob sie nun islamistisch, links- oder rechtsradikal daher kommen.

      • @91985 (Profil gelöscht):

        Nein. Wenn überhaupt ruft die Band zu Gegengewalt auf. Das ist immer noch schwierig. Aber es ist kein pauschaler Aufruf zu Gewalt gegen eine wie auch immer geartete Gruppe. Wenn man den Text als einen Kontext sieht, klappts halt nicht mehr mit den willkürlichen Zitaten.

    • @LeSti:

      Dass „FSF [...] nicht das Gleiche wie Stahlgewitter oder Division Germania [ist]“, können die fünf Jungs ja nun in Dessau unter Beweis stellen. Dadurch, dass sie Stücke spielen, die beim besten Willen niemand für rot lackierten braunen Müll halten kann. Weil sie nämlich nicht nur nicht mehr sexistisch sind, sondern auch sonst Menschen nicht pauschal verurteilen, sondern höchstens konkret.

      Für eine Punkband, die den Bauch immer noch voll Wut hat und ihre Instrumente benutzt wie andere Leute ihre Baseballschläger, ist das nicht leicht, ich weiß. Aber der Drang, berechtigten Frust abzubauen, ist für (halbwegs) Erwachsene Menschen kein Freibrief. Und wenn sich „FSF“ nicht sehr gut im Griff hat, wird die Band ihre frisch bekehrten Freunde vom Anhaltischen Theater Lügen strafen. Den Leuten von der Bauhausstiftung aber wird sie recht geben damit. Es wäre dann nämlich doch „schlecht überlegt und falsch“, sie auftreten zu lassen in einem kontext, in dem viel falsch zu machen ist. Weil es den Rechten einfach recht geben würde in ihrer dämlichen Ideologie.

      Das Risiko ist also ziemlich hoch für die Beteiligten. Ich hoffe sehr, das ist den Jungs von FSF bewusst. Ich, jedenfalls, möchte eher die Schnösel von der Bauhausstiftung blamiert sehen als die Theaterleute. Mut sollte nicht bestraft werden, finde ich. Und Feigheit nicht belohnt. Wo kämen wir sonst hin? Da hin, wo all die Rechten sind. Für mich ist da einfach kein Platz.