Kommentar Atompolitik: Unverbindlichkeit in Person
Umweltminister Röttgen hat sich endlich zur Energiepolitik geäußert. Doch die Unklarheit ist geblieben.
W as will Umweltminister Norbert Röttgen wirklich? Bisher war das unklar, weil er vielen energiepolitischen Fragen einfach auswich und stattdessen stets auf das Konzept der Regierung verwies, das erst im Herbst vorliegen soll. Jetzt hat er sich endlich geäußert. Doch die Unklarheit ist geblieben.
Was der CDU-Minister ankündigt, passt einfach nicht zusammen. Einerseits soll der letzte Reaktor vom Netz gehen, sobald die erneuerbaren Energien 40 Prozent des Stroms stellen. Wenn das Ministerium seinen eigenen Prognosen glaubt, wäre eine Laufzeitverlängerung über das Jahr 2022 hinaus dann nicht nötig. Gleichzeitig spricht sich Röttgen jedoch dafür aus, die AKWs acht Jahre länger am Netz zu lassen als derzeit geplant. Welche der beiden Ansagen gilt, lässt er offen.
Vieles spricht dafür, dass diese Unverbindlichkeit Strategie ist. Dass öffentlich der Eindruck entsteht, auch in der Union gebe es nicht nur Atom-Hardliner, kommt der Partei vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen entgegen - es beruhigt kritische Wähler und erhöht die Chancen für eine schwarz-grüne Koalition. Die Energiekonzerne können dennoch gelassen bleiben. Denn Röttgens Formulierung lässt die Möglichkeit offen, dass erst mal alle Reaktoren weiterlaufen - und allein darauf kommt es den Betreibern an.
Malte Kreutzfeld ist Leiter des Ressorts Wirtschaft und Umwelt der taz.
Der wahre Kurs von Röttgen wird sich erst an seinen ersten wirklichen Entscheidungen erkennen lassen: Welche Prämissen werden bei der Berechnung des Energiekonzepts gesetzt? Und dürfen die Pannenreaktoren, die im letzten Jahr überwiegend stillstanden, wieder ans Netz? Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Eins aber zeigen Röttgens Äußerungen zweifellos: Der öffentliche Druck in Sachen Atom zeigt auch in der CDU inzwischen Wirkung.
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