Kommentar Atompläne der Union: Die Kirchhof-Falle
Die Wähler der Union akzeptieren zwar verlängerte Laufzeiten für die AKWs, neue Atomreaktoren aber lehnen die meisten von ihnen auch ab.
A nnette Schavan und Karl-Theodor zu Guttenberg haben den Wahlabend doch noch einmal spannend gemacht. Schavan gab ein Gutachten zum Neubau von Atomkraftwerken in Auftrag, Guttenberg legt ein Programm auf, um unmittelbar nach der Wahl die Sicherheitskonzepte neuer Atomreaktor-Typen prüfen zu können. Die eine lässt also die Standortfrage untersuchen, der andere die auf dem Markt verfügbare Technik. Damit gefährden sie den sicher geglaubten Wahlsieg der Union, so wie 2005 der "Professor aus Heidelberg" - Paul Kirchhofs Steuerkonzept wurde glatt abgelehnt. Das könnte sich nun wiederholen. Denn nach wie vor will eine große Mehrheit der Deutschen am Atomausstieg festhalten.
Es war die Welt am Sonntag, die mit einer - noch dazu reichlich suggestiv gestellten - Frage die Präferenzen des Wahlvolkes eindeutig abbildete: Lediglich 29,7 Prozent der repräsentativ Befragten wollen längere Laufzeiten. Im Westen der Republik war die Ablehnung einer Laufzeitverlängerung sogar noch größer als im Osten. Aber im Westen muss die Union die Wahl gewinnen, denn der Osten wählt traditionell mehrheitlich links.
Nick Reimer ist Redakteur im taz-Ressort Ökologie und Wirtschaft.
Entsprechend eilig hatte es die Kanzlerin mit einem Dementi: Niemand habe die Absicht, neue Atomkraftwerke zu errichten. Wenn die Union das aber nicht vorhat, wieso lässt sie dann Studien in Auftrag geben, die genau das Dementierte zum Ziel haben?
Sicherlich: Bei der Entscheidung in der Wahlkabine nimmt die Steuerpolitik einen anderen Stellenwert als die Energiepolitik ein. Insofern hinkt der Vergleich mit dem Bierdeckel-Konzept des Paul Kirchhof. Andererseits ging es in der Umfrage "nur" um längere Laufzeiten - nicht um neue Reaktoren. Mit längeren Laufzeiten dürfte sich manch Unionswähler anfreunden. Mit einem neuen AKW vor der eigenen Haustür aber garantiert nicht.
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