Kommentar Atom-Deal aus Sicht Israels: Neuer Naher Osten

In Israel herrscht Konsens: Der Deal mit den Mullahs ist abzulehnen. Aber deswegen Krieg führen will derzeit niemand.

Benjamin Netanjahu

Israels Alternative sei nicht zwingend ein Krieg gewesen, sondern ein anderes Abkommen, sagt Benjamin Netanjahu. Foto: dpa

So recht überzeugen mag die israelische Kritik an dem diese Woche auf den Weg gebrachten Iran-Abkommen nicht.

Teheran könne die Vereinbarungen hintergehen, heißt es über den „Meister des Betrugs“, doch um welchen Preis? Dass der Iran in absehbarer Zeit neue Sanktionen riskiert, ist mehr als unwahrscheinlich. Zehn Jahre Ruhe an der iranischen Atomfront sind erreicht. Das sind einmal gute Nachrichten aus Vorderasien. Ein Präventivschlag der israelischen Armee hätte weniger gebracht.

„Aber nein“, konterte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf US-Präsident Barack Obamas Rede zum Abschluss der Verhandlungen: Israels Alternative sei nicht zwingend ein Krieg gewesen, sondern ein anderes Abkommen.

„Die Erleichterung der Sanktionen“, so Netanjahu, hätte „an ein verändertes Verhalten des Iran geknüpft“ werden sollen. Jerusalem ging es nie nur um die Atombombe. Die Abkehr vom Terror hätte im Abkommen stehen müssen und die Anerkennung Israels durch den Iran.

Typisch Netanjahus Stil

Das klingt typisch nach Netanjahus Stil, einem anderen Staat die Politik diktieren zu wollen – aber wäre ein kleiner Absatz, eine kurze Erklärung, dass der Kampf gegen Israel nicht länger zur iranischen Außenpolitik gehört, wirklich zu viel verlangt gewesen?

Vor 70 Jahren berieten sich auf der Potsdamer Konferenz Sowjets, Amerikaner und Briten über die Zukunft Deutschlands. Heute leben viele ihrer Enkel in Berlin. Drei von ihnen haben wir getroffen. Das Gespräch lesen Sie in der taz.am wochenende vom 17./18. Juli 2015. Außerdem: Lange Beine, pralles Dekolleté? Alles von gestern. Die neuen weiblichen Schönheitsideale sind die Oberschenkellücke und die Bikini-Bridge. Über den Wahn von Selfie-Wettbewerben im Internet. Und: In Kabul haben sich Witwen einen eigenen Stadtteil gebaut. In der Gemeinschaft gewinnen sie Respekt zurück. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Darauf wenigstens hätte der Verbündete im Weißen Haus trotz aller Verstimmung beharren müssen, wenn er Israel schon nicht dabeihaben wollte bei den Verhandlungen.

Israel und Iran haben keine gemeinsame Grenze. Die beiden Staaten standen sich noch nie in einem direkten bewaffneten Konflikten gegenüber; und doch gelten sie jeweils für den anderen als größter Feind.

Das Problem für Israel war, dass die westlichen Verhandlungspartner einer aus eigener Sicht viel zu reduzierten Direktive folgten.

Die palästinensische Hamas in Gaza und die libanesische Hisbollah bedrohen Israel, nicht aber die USA oder Europa. Für den Westen sind IS und Al Qaida ein viel größeres Problem, und Iran ist ein willkommener Partner im Kampf gegen sie.

Unter den Parteien in Jerusalem herrscht weitgehender Konsens gegen das Abkommen, von der arabisch-antizionistischen Vereinten Liste abgesehen.

Israels Zeitungen, auch der linken Haaretz, die als einzige die Einigung begrüßte, geht es nun um die Millarden Dollar, die die Wirtschaft Irans binnen kürzester Zeit wieder auf die Beine stellen werden, um übervolle Öllager und um europäische Firmen, die „schon Schlange stehen“, um ins Geschäft zu kommen mit Partnern in Teheran. Und es geht ihnen darum, welche Terrorgruppen davon profitieren.

Neues Wettrüsten

Die Hamas und die Hisbollah können ohne Zweifel beruhigt sein darüber, dass ihr Mäzen nun wieder zahlungsfähig ist. Wie gern hätte man in Jerusalem den Iran noch eine Weile verarmen lassen, und wie wenig realistisch war dieser Wunsch.

Ein neues Wettrüsten ist abzusehen mit konventionellen Waffen. Oppositionsführer Yizhak Herzog fährt in die USA, um die kaputten Beziehungen zu reparieren und um über Sicherheitspakete für Israel zu verhandeln.

Bunkerbrecher stehen kaum noch auf seiner Liste, denn obschon radikale Stimmen gerade jetzt zur Eile drängen, zum Zuschlagen, bevor Iran mit den Milliarden, die jetzt ins Land fließen, die Abwehrsysteme modernisiert, ist ein Präventivschlag wohl vom Tisch.

„Israel kann mit einem nuklearen Iran leben“, erklärte diese Woche Ehud Barak. Der ehemalige Generalstabschef und Verteidigungsminister muss es wissen. Israel rührte die Kriegstrommeln stets heftig, um die Welt zu mobilisieren, was nun, da über ein Auflockern der Sanktionen entschieden ist, keinen Sinn mehr macht.

Übrig bleiben Sabotageaktionen, wie es sie in der Vergangenheit schon gab: Computerviren und Mordanschläge auf iranische Physiker.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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