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Kommentar Atom-Deal aus Sicht IsraelsNeuer Naher Osten

Kommentar von Susanne Knaul

In Israel herrscht Konsens: Der Deal mit den Mullahs ist abzulehnen. Aber deswegen Krieg führen will derzeit niemand.

Israels Alternative sei nicht zwingend ein Krieg gewesen, sondern ein anderes Abkommen, sagt Benjamin Netanjahu. Foto: dpa

S o recht überzeugen mag die israelische Kritik an dem diese Woche auf den Weg gebrachten Iran-Abkommen nicht.

Teheran könne die Vereinbarungen hintergehen, heißt es über den „Meister des Betrugs“, doch um welchen Preis? Dass der Iran in absehbarer Zeit neue Sanktionen riskiert, ist mehr als unwahrscheinlich. Zehn Jahre Ruhe an der iranischen Atomfront sind erreicht. Das sind einmal gute Nachrichten aus Vorderasien. Ein Präventivschlag der israelischen Armee hätte weniger gebracht.

„Aber nein“, konterte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf US-Präsident Barack Obamas Rede zum Abschluss der Verhandlungen: Israels Alternative sei nicht zwingend ein Krieg gewesen, sondern ein anderes Abkommen.

„Die Erleichterung der Sanktionen“, so Netanjahu, hätte „an ein verändertes Verhalten des Iran geknüpft“ werden sollen. Jerusalem ging es nie nur um die Atombombe. Die Abkehr vom Terror hätte im Abkommen stehen müssen und die Anerkennung Israels durch den Iran.

Typisch Netanjahus Stil

Das klingt typisch nach Netanjahus Stil, einem anderen Staat die Politik diktieren zu wollen – aber wäre ein kleiner Absatz, eine kurze Erklärung, dass der Kampf gegen Israel nicht länger zur iranischen Außenpolitik gehört, wirklich zu viel verlangt gewesen?

taz.am Wochenende

Vor 70 Jahren berieten sich auf der Potsdamer Konferenz Sowjets, Amerikaner und Briten über die Zukunft Deutschlands. Heute leben viele ihrer Enkel in Berlin. Drei von ihnen haben wir getroffen. Das Gespräch lesen Sie in der taz.am wochenende vom 17./18. Juli 2015. Außerdem: Lange Beine, pralles Dekolleté? Alles von gestern. Die neuen weiblichen Schönheitsideale sind die Oberschenkellücke und die Bikini-Bridge. Über den Wahn von Selfie-Wettbewerben im Internet. Und: In Kabul haben sich Witwen einen eigenen Stadtteil gebaut. In der Gemeinschaft gewinnen sie Respekt zurück. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Darauf wenigstens hätte der Verbündete im Weißen Haus trotz aller Verstimmung beharren müssen, wenn er Israel schon nicht dabeihaben wollte bei den Verhandlungen.

Israel und Iran haben keine gemeinsame Grenze. Die beiden Staaten standen sich noch nie in einem direkten bewaffneten Konflikten gegenüber; und doch gelten sie jeweils für den anderen als größter Feind.

Das Problem für Israel war, dass die westlichen Verhandlungspartner einer aus eigener Sicht viel zu reduzierten Direktive folgten.

Die palästinensische Hamas in Gaza und die libanesische Hisbollah bedrohen Israel, nicht aber die USA oder Europa. Für den Westen sind IS und Al Qaida ein viel größeres Problem, und Iran ist ein willkommener Partner im Kampf gegen sie.

Unter den Parteien in Jerusalem herrscht weitgehender Konsens gegen das Abkommen, von der arabisch-antizionistischen Vereinten Liste abgesehen.

Israels Zeitungen, auch der linken Haaretz, die als einzige die Einigung begrüßte, geht es nun um die Millarden Dollar, die die Wirtschaft Irans binnen kürzester Zeit wieder auf die Beine stellen werden, um übervolle Öllager und um europäische Firmen, die „schon Schlange stehen“, um ins Geschäft zu kommen mit Partnern in Teheran. Und es geht ihnen darum, welche Terrorgruppen davon profitieren.

Neues Wettrüsten

Die Hamas und die Hisbollah können ohne Zweifel beruhigt sein darüber, dass ihr Mäzen nun wieder zahlungsfähig ist. Wie gern hätte man in Jerusalem den Iran noch eine Weile verarmen lassen, und wie wenig realistisch war dieser Wunsch.

Ein neues Wettrüsten ist abzusehen mit konventionellen Waffen. Oppositionsführer Yizhak Herzog fährt in die USA, um die kaputten Beziehungen zu reparieren und um über Sicherheitspakete für Israel zu verhandeln.

Bunkerbrecher stehen kaum noch auf seiner Liste, denn obschon radikale Stimmen gerade jetzt zur Eile drängen, zum Zuschlagen, bevor Iran mit den Milliarden, die jetzt ins Land fließen, die Abwehrsysteme modernisiert, ist ein Präventivschlag wohl vom Tisch.

„Israel kann mit einem nuklearen Iran leben“, erklärte diese Woche Ehud Barak. Der ehemalige Generalstabschef und Verteidigungsminister muss es wissen. Israel rührte die Kriegstrommeln stets heftig, um die Welt zu mobilisieren, was nun, da über ein Auflockern der Sanktionen entschieden ist, keinen Sinn mehr macht.

Übrig bleiben Sabotageaktionen, wie es sie in der Vergangenheit schon gab: Computerviren und Mordanschläge auf iranische Physiker.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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10 Kommentare

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  • "aber wäre ein kleiner Absatz, eine kurze Erklärung, dass der Kampf gegen Israel nicht länger zur iranischen Außenpolitik gehört, wirklich zu viel verlangt gewesen?"

     

    Sehe ich auch so. Das hätte Herrn Netanjahu den Wind aus den Segeln genommen, denn nicht eine möglicherweise noch zu bauende iranische Atombombe ist derzeit eine Gefahr für Israel , sondern weiterhin die finanzielle und militärische Unterstützung von Hamas, Hisbollah, etc. durch den Iran. Unsäglich finde ich außerdem, dass sich der Westen einem Land anbiedert, das die Menschenrechte im eigenen Lande mit Füßen tritt und die Bürger in ein Scharia-Korsett zwängt, das ihre Freiheit stranguliert. Jede Frau - ob In- oder Ausländerin - wird gezwungen, eine Kopfbedeckung zu tragen. Auch deutsche Fernsehreporterinnen, die aus Teheran berichten, wie bei einem Bericht in der ARD gestern zu sehen war. Und Herr Gabriel knüpft schon die ersten Geschäftsbeziehungen mit einem solchen Land. Das ist abstoßend.

    • @Nicky Arnstein:

      och wie süß!

      als ob so ein kleiner absatz das problem der konkurrenz auf dem energiemarkt gelöst hätte!

      hätte es nicht.

      aber zugegeben, solcherart probleme lassen sich immer noch gut unter dem existenzrecht-gerede verstecken.

      und unter dem von menschenrechten und "Scharia-Korsett". embedded feminism kommt bei manchen leutz immer wieder gut an. so gut, dass ihnen garnicht mehr auffällt, welch denkwürdige allianz politischer theologien entsteht, wenn Saudi-Arabien und Israel in einem boot sitzen.

      • @christine rölke-sommer:

        Bin - was die öligen Geschäftsbeziehungen des Westens zu Saudi-Arabien angeht (auch zu Kuwait, Qatar, etc.) - ganz auf Ihrer Linie. Es wäre moralisch unbedenklicher, wenn man nur Geschäfte mit in Sachen Menschenrechte lupenreinen Staaten machen würde. Aber das ist eben nur wishful thinking.

  • Es ist zu hoffen das dieses Abkommen nicht durchkommen wird.

    Es wäre eine destabilisierung für die ganze Region.

  • "Das klingt typisch nach Netanjahus Stil, einem anderen Staat die Politik diktieren zu wollen ..." Die sprachlichen Modi einer Journalistin sind ein Sache, diese auf den MP eines Landes zu projizieren jedoch eine andere. Das zwischen den Zeilen sprechen scheint Netanjahus Spezialität zwar nicht zu sein, im Kern hat er kein Diktat ausgesprochen, vielmehr fordert er eine Position ein, die alles andere als diktatorisch ist: das Existenzrecht Israels. Was wäre gewonnen, würde er das mit den verschwurbelten Floskeln der Politiker tun, die den Atom-Deal unterzeichneten?

  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    Nunja, sicher waere es schoen, wenn man die Feindschaft zwischen Iran und Israel per Vertrag reduzieren koennte, aber der von Frau Knaul eingeklagte Passus, Israel nicht feindlich gesinnt zu sein, ist nicht ganz durchdacht. Zum einen waere das eine bilaterale Angelegenheit, die von Israel genauso abverlangen müsste, Feindschaft gegen den Iran zu unterlassen. Zum anderen sollte man nicht ganz unberücksichtigt lassen, dass Israel keinerlei Absicht zeigt, seine Menschenrechts- und Raubverbrechen an den Palaestinensern zu beenden, und man schwerlich den Iran per Vertrag dazu verpflichten kann, sich nicht für die Menschenrechte der Palaestinenser einzusetzen. Ob der Iran das ehrlich meint,den Palaestinensern helfen zu wollen, oder nur mit Israelhass innenpolitisch zu agieren sucht, kann bei Vertraegen leider nicht mit eingebunden werden. Frau Knaul sollte nicht vergessen, dass Israel mit seinen nun über 40J ausgeübten vom IGH als solche erklaerten Menschenrechtsverbrechen und(!) dem Willen, diese fortzusetzen, elementare Hürden setzt, eine Feindschaft vertraglich einzuschraenken, sodass ihre Forderung naiv ist. Unabhaengig ob der Iran nun an den Menschenrechten der Palaestinenser interessiert ist, oder nur so tut, per Vertrag auszuschließen, sich gegen die Völkerrechtsverbrechen Isarels einzusetzen, geht nunml schlecht.

    • @1393 (Profil gelöscht):

      Ich finde, ein Land, das die Menschenrechte im eigenen Lande mit Füßen tritt, Andersdenkende und Andersgläubige systematisch foltert, ist sicherlich nicht prädestiniert dazu, "sich gegen die Völkerrechtsverbrechen" welchen Landes auch immer einzusetzen. Hier ein Überblick über die aktuellen Menschenrechtsverletzungen im Iran.

      http://www.igfm.de/iran/

      • 1G
        1393 (Profil gelöscht)
        @Nicky Arnstein:

        Behauptet ja auch keiner, dass der Iran prädestiniert wäre oder als Moralapostel eine gute Figur macht. Aber man kann schwerlich per Vertrag festlegen, dass der Iran nicht mal so tun darf, sich gegen die Menschenrechtsverbrechen Israels einzusetzen. Und weil sich so wenige Länder gegen die Verbrechen Israels einsetzen, auch Deutschland im Grunde gar nicht, im Gegenteil sogar die Völkerrechtsverbrechen Israels weiter unterstützen, obwohl der IGH jegliche Unterstützung ausdrücklich ablehnt

        http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=11292&Cr=palestin&Cr1

         

        kann sogar so ein Unrechtsstaat wie der Iran sich als Menschenrechtsunterstützer in Szene setzen.

  • noch ist das abkommen nicht durch den kongress.

     

    was washington jetzt bevorsteht ist die " mutter aller lobbyschlachten ", denn " Israel und AIPAC blasen zur Jagd auf Obama ", wie ludwig watzal in seinem blog schreibt.

    " ... AIPAC, und ihre Abgeordneten im US-Kongress werden in den nächsten 60 Tagen ein riesiges Tamtam veranstalten und alles tun, um das Iran-Abkommen zu Fall zu bringen..." http://between-the-lines-ludwig-watzal.blogspot.de/2015/07/israel-und-aipac-blasen-zur-jagd-auf.html

     

    dabei sind die republikaner fest in pro - israelischer hand, aber eine wachsende zahl von demokraten versagen israel die unbedingte unterstützung. womit die 2/3 mehrheit für eine überstimmung eines präsidialen veto`s in gefahr sind.

     

    grösster einzelspender der republikaner ist sheldon adelson, der den iran lieber heute als morgen, auch atomar, angreifen würde. siehe dazu -loboblog: iran deal heads toward showndown with sheldon adelson - adelson sagte 2010:

     

    "... All we care about is being good Zionists, being good citizens of Israel, because even though I am not Israeli born, Israel is in my heart...." http://www.lobelog.com/iran-deal-heads-toward-showdown-with-adelsons-gop/

     

    die demokraten und hillary clinton wiederum werden von haim saban finanziell unterstützt, der mit adelson die militante haltung zum iran teilt.

     

    noch ist das abkommen im kongress nicht durch und die kommende abstimmung wird zeigen, wie gross der einfluss israel`s in den volksvertretungen der usa ist.