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Kommentar AsylbewerberleistungsgesetzUrteil gegen Ausgrenzung

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Karlsruher Urteil zum Asylbewerberleistungsgesetz ist ein Meilenstein. Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gilt nicht nur für Deutsche.

D as Karlsruher Urteil zum Asylbewerberleistungsgesetz ist ein Meilenstein. Flüchtlinge erhalten sofort 50 Prozent mehr Geld für ihren Lebensunterhalt. Zwar bleibt es in manchen Ländern bei der Verteilung von Sachleistungen, doch bekommen Flüchtlinge dort künftig immerhin ein verdreifachtes Taschengeld. Karlsruhe hat deutlich gemacht, dass das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nicht nur für Deutsche gilt.

Möglich und notwendig war ein so weitgehendes Urteil aber nur, weil der Gesetzgeber die Flüchtlinge in den letzten Jahren mit ekelerregender Ignoranz behandelt hat. Zwanzig Jahre ohne jeden Inflationsausgleich – so etwas kann man nur mit Menschen machen, die ausgegrenzt sind und die man noch weiter ausgrenzen will. Karlsruhe hat mit seiner Übergangsregelung nur in etwa den Abstand zu den „normalen“ Sozialleistungen wieder hergestellt, der 1993 galt, als das Asylbewerberleistungsgesetz eingeführt wurde.

Wie es nun mit dem Gesetz weitergeht, muss der Gesetzgeber entscheiden. Dabei wäre die naheliegendste Lösung das Asylbewerberleistungsgesetz einfach wieder abzuschaffen. Schließlich hat Karlsruhe die meisten Begründungen für ein Zwei-Klassen-Recht abgelehnt. So darf die Berechnung eines eigenständigen Asylbewerber-Existenzminimums zum Beispiel nicht der Abschreckung von Flüchtlingen dienen.

Bild: privat
Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

Falls das Gesetz aber doch beibehalten werden soll, muss zumindest die Auszahlung der Sozialleistungen als Bargeld vorgeschrieben werden. Die Hilfsgewährung durch Essenspakete und Gutscheine für spezielle Läden ist schikanös. Zwar kann man auch mit 336 Euro im Monat kein angenehmes Leben führen. Aber zumindest sollten Flüchtlinge selbst entscheiden können, was sie sich wo zum Essen und Anziehen kaufen wollen. Soviel Selbstbestimmung muss sein.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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14 Kommentare

 / 
  • T
    tommy

    @Abwägung:

     

    "Die Würde meines Mitmenschen ist auch meine Würde. Und ich behalte lieber meine Würde, als mein Geld."

     

    Dann spenden Sie eben für Asylbewerber (von mir aus gerne Ihr ganzes Vermögen) - aber wieso glauben Sie erwarten zu können, dass andere auch so nobel zu sein haben?

  • H
    HamburgerX

    @Marcel: Bevor Sie anderen Menschen völlig unbegründet und verleumderisch "Rassismus" unterstellen, sollten Sie erstmal nachdenken und sich mit Rechtsprinzipien vertraut machen.

     

    Es gibt kein Menschenrecht auf Daueraufenthalt in Deutschland. Das Grundgesetz unterscheidet Menschen- und Deutschenrechte. Nur Deutsche genießen prinzipiell grundgesetzlichen Schutz vor Ausweisung. Ausländer nur, wenn sie tatsächlich politisch verfolgt werden. Da die Menschenwürde für alle gilt, folgt daraus, dass sich Deutschland genau überlegen sollte, wen es darüber hinaus in sein Staatsgebiet aufnimmt und wen nicht. Die Regierung muss ebenfalls per Grundgesetzeid den "Nutzen des deutschen Volkes mehren" (nicht den Nutzen eines anderes Volks).

     

    "Eine potentielle massive Einschränkung der Wirtschaftsleistung von Deutschland" hätte zur Folge, dass der Staat die Sozialleistungen deutlich absenken könnte (Basisernährung, Sammelunterkünfte), denn das Verfassungsgericht hat in diesem Urteil und vorherigen immer wieder betont, dass der Staat die Sozialleistungen am allgemeinen Lebensstandard und der Wohlstandsentwicklung ausrichten kann.

     

    Und schließlich geht es auch um die Menschenwürde derer, denen sie ihre Einkommen wegnehmen, um es anderen zu geben. Jede Leistung muss vorher von jemanden erarbeitet werden.

     

    Es ist zutiefst ungerecht, die halbe Welt nach Deutschland einzuladen, auf Kosten derer, die hier leben. Es ist menschenunwürdig, jemandem der jeden Tag zur Arbeit geht, früh aufsteht, sich abrackert, um einen Großteil seiner Einkünfte zu bringen. Das wäre Zwangsarbeit oder Sklaventum. Das kann nur jemand begrüßen, der sein Leben lang auf Kosten anderer gelebt hat, entweder weil er jung ist (Kindergarten, Schule, Studium, alles finanziert) oder aus anderen Gründen noch nie eigenes Geld verdient hat, also das Prinzip Eigenverantwortung nicht kennt.

     

    Diese Art der multikulturellen Sozialstaatsromantik ist bevölkerungsverachtend, realitätsfern und alles andere als menschenwürdig. Die Konsequenz aus dem Urteil lautet, das Asylverfahren konsequent zu betreiben. Entweder Asyl ist berechtigt oder eben nicht, mit allen Konsequenzen.

  • ME
    M. Engel

    Dieses Urteil ist eine schallende Ohrfeige für den Gesetzgeber, der einmal mehr einen offensich verfassungswidrigen Zustand über Jahre hat bestehen lassen. Gestern war ein guter Tag für dieses Land und für die Flüchtlinge, die hier leben. Dafür, daß alle Menschen, die in Deutschland leben, ein menschenwürdiges Existenzminimum erhalten, zahle ich jedenfalls sehr gerne Steuern. Für das menschenfeindliche Grenzregime mit seinen Zäunen in Nordafrika, das mit dafür verantwortlich ist, daß jedes Jahr hunderte von Menschen im Mittelmeer ertrinken, schäme ich mich hingegen als Europäer.

  • T
    tommy

    @Marcel:

     

    "Menschen sollen Freiheit haben bei der Wahl ihres Wohnlandes und dieses Ideal kann man nur erreichen, wenn man seine Grenzen nicht durch harte Grenzen versperrt."

     

    Wieso sollten Menschen diese Freiheit haben? Mit welcher Berechtigung stellen Sie diese Forderung, die bei Umsetzung auf die Auflösung souveräner Staaten hinausläuft?

    Bezeichnend auch Ihre Aussage über Asylbewerber: "Menschen die aus welchen Gründen auch immer keine Perspektive in ihrem Heimatland sehen oder politisch verfolgt werden". Ursprünglich war Asyl NUR für politisch Verfolgte gedacht. In Ihrem Verständnis aber hat anscheinend jeder ein Anrecht darauf, der "keine Perspektive" in seinem Heimatland sieht und gerne nach Europa einwandern würde (was angesichts der Lebensumstände in weiten Teilen der Welt potenziell Millionen, wenn nicht Milliarden sein dürften).

    Angesichts der fortgesetzen Bemühungen von Leuten wie Ihnen, mittels des Asylrechts Masseneinwanderung über die Hintertür zu ermöglichen (unter Aufbietung solcher irrsinnigen Forderungen wie "Bewegungsfreiheit für alle") bin ich mittlerweile zum Schluss gekommen, dass dem ein Ende gemacht und das Asylrecht restlos abgeschafft werden sollte. Wäre zwar für tatsächlich Verfolgte tragisch, aber das hätte sich dann Ihresgleichen zuzuschreiben.

  • L
    lowandorder

    Schau an. Bruder Kirchhof.

     

    Na bitte. Geht doch. Wir können ja auch nicht alle Paul heißen.

     

    90 % is n Wort und allemal doch besser als in die hohle Hand ...

    Und Dank an das LSG Essen - und der Rest darf sich fragen lassen, warum nicht ihr? und nicht früher ?

     

    Denen mit Schaum vorm Mund sei wie auch Frau von der Leyen - das hat ihr Vater MP Albrecht versäumt - angeraten, mal Exilliteratur der weniger Berühmten zu lesen. Wie Elend das Leben im Exil sein kann.

    Und wer sich - wie diese übrigen - meint, mit der Verfassung glaubt sich den Arsch abwischen zu dürfen, sollte erst mal beim Schaum am eigenen Mund anfangen. Solcher Rechtsbruch wie permanent gegenüber den Asylbewerbern nicht nur in letzter Zeit ist hierzulande leider nicht strafbar.

    Aber die vollgepißte Jogginghose mit deutschem Gruß in Hoyerswerda sollte eigentlich zum Hirndurchpußten reichen.

    Haß ist halt der dümmste Ratgeber.

  • A
    Abwägung

    @ isomatte

     

    Die Würde meines Mitmenschen ist auch meine Würde. Und ich behalte lieber meine Würde, als mein Geld.

  • E
    einfach

    Menschenrechte heißen Menschenrechte, weil sie für Menschen gelten. Nicht nur für Staatsangehörige.

  • NO
    Norbert Ortmann

    #Flüchtling wird zum #Asylbewerber und #ALGII zum #HartzIV - Erst jetzt erhält der Flüchtling das #Existenzminimum http://t.co/wjpYPMc7

  • M
    Marcel

    Mich erstaunen die rassistischen Kommentare von isomatte und HamburgerX!

    Es geht um die Würde aller Menschen, die nicht davon abhängen davon ob irgendjemand "Deutscher" ist oder nicht. Menschen sollen Freiheit haben bei der Wahl ihres Wohnlandes und dieses Ideal kann man nur erreichen, wenn man seine Grenzen nicht durch harte Grenzen versperrt. Es geht darum diesen Menschen, die legitim Gelder beantragen, soviel Geld zu geben, dass diese ausreichendes Existenzminimum haben. Und AsylbewerberInnen haben doch offensichtlich alles Recht dazu, da sie in ihrem Land aus welchem Grund auch immer keine Perspektive sehen oder politisch verfolgt werden. DIesen Menschen muss auch die Würde ermöglicht werden. Es ist doch offensichtlich, dass, da Hartz IV per Definition die Höhe des Existenzminimums ist, dass alles was niedriger ist das Existenzminimum nicht ermöglicht, was aber notwendig ist um Menschenwürde zu ermöglichen.

    Die rassistische Abschiebepraxis, die auch in Deutschland noch vorkommt, muss vielmehr ein Ende haben, da es die Freiheit und Würde der Menschen missachtet und die Menschen meistens in Länder abgeschoben werden, die ihnen kein würdiges Leben ermöglichen! Geld darf kein Argument sein Menschenwürde einzuschränken, nicht umsonst existiert Artikel I GG! Selbst eine potentielle massive Einschränkung der Wirtschaftsleistung von Deutschland darf kein Argument sein, dass der Staat die Menschenwürde Einzelner verletzt! Menschenwürde ist unabwägbar und unantastbar und höchstes zu schützendes Gut!

     

    Das Urteil ist also vollends zu begrüßen. Das Bundesverfassungsgericht zeigt angesichts solcher Urteile immer wieder, dass sie Artikel I sehr hochgewichten!

  • V
    viccy

    Hartz 4-Empfängern können bei Verstößen gegen Melde- oder Mitwirkungspflichten bis zu 60% der 374 Euro gekürzt werden. Ggf. gibts nur noch Lebensmittelgutscheine.

     

    Nach dem BVerfG müsste auch das gegen Artikel 1 des Grundgesetzes verstoßen, weil Lebensmittelgutscheine schwerlich gegen Kino-Karten oder Bier in der Kneipe getauscht werden können.

     

    Und dass hier eine Mitverursachung durch den Hartz4-Empfänger vorliegt, wird man nicht berücksichtigen können. Denn die Würde des Menschen ist ja "unantastbar", d.h. auch sachliche Gründe (Termin verschlafen, kein Bock auf Arbeit oder sonstiges) rechtfertigen nicht den Eingriff.

     

    Da darf man gespannt sein, wann die Argumentationsstruktur des Gerichtes bei Klagen gegen die Sanktionierungspraxis bei Hartz4 abermals aufgegriffen wird. Und noch gespannter, wie das Gericht sich dann um die eigene Gedankenführung herumlavieren wird.

  • G
    Gerda

    Diese "rechtspolitischen" Kommentare von Herrn Rath sind ja wirklich immer von erschreckender geistiger Schlichtheit - das gilt nun für die meisten Kommentare hier im Leserbereich auch (diesen hier eingeschlossen), aber soweit ersichtlich erhält Herr Rath für seine niveaufreien Beiträge auch noch vom taz-Konzern so etwas wie ein Gehalt - wahrscheinlich nicht viel, aber doch wohl mehr als EUR 336 im Monat und mit ganz großer Sicherheit mehr als die Kommentarschreiber im Leserbereich.

     

    Daher finde ich, dass da schon ein wenig mehr kommen könnte als nur das immer gleiche Bedienen links-dummer Vorurteile und Schubladen.

  • J
    Jemand

    Wurde auch mal Zeit, daß dem braunen Zeitgeist eine Grenze gesetzt wurde.

  • H
    HamburgerX

    Das Urteil sagt im Kern: Wer als Ausländer die deutsche Grenze überschreitet und nicht nur kurzfristig hier verweilt, muss Leistungen ähnlich dem Sozialhilfeniveau erhalten. Aber auch im anderen Fall dürfen sie nicht abschreckend niedrig sein.

     

    Das hat mehrere Konsequenzen:

    1. Grenzen besser sichern, zur Not Schengenabkommen kündigen.

    2. Asylverfahren beschleunigen, es muss aber fair bleiben und darf die wirklichen Fälle nicht übersehen. Das ist und bleibt die politische Verfolgung, nicht Gier nach Wohlstand.

    3. Länder mit Sanktionen u.ä. drohen, die abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen.

    4. Duldungen weitgehend stoppen, Ausweisungen konsequent forcieren.

  • I
    isomatte

    Man sollte basisdemokratisch das Volk zu dem Thema befragen. Die allermeisten Illegalen müssten schnellstmöglich in ihre Heimatländer ausgeschafft werden. Es ist mal wieder typisch für unsere Demokratie das irgendwelche Robenträger ganz oben bestimmen dürfen was gemacht werden muss. Das Volk muss endlich die Macht bekommen.

     

    Leute, es geht um unser Geld!