Kommentar Arktis-Ölförderung: Der russische Bär ist nervös
Norwegens Vorhaben, in der Barentsee Öl zu fördern, wird in Russland Hysterie verursachen. Zu groß ist die Angst, bei der Verteilung der Schätze des Nordens leer auszugehen.
Norwegen will in der Barentssee rund um Spitzbergen und die Jan-Mayen-Insel die Erlaubnis zur Suche und Förderung von Öl erteilen. Nicht nur Umweltschützern missfällt das Vorhaben. Auch Norwegens Nachbar Russland wird sich darüber empören. Zusätzlich wecken die Energie- und Rohstoffschätze der Arktisregion nicht nur bei den Anrainern unverhüllte Begehrlichkeiten. Selbst die EU verlangt, bei der Ressourcenausbeutung beteiligt zu werden.
Für das vom Energie- und Rohstoffexport lebende Russland besitzt der Streit um ungehobene Schätze des Nordens eine weitere, brisante Dimension. Der Pariser Vertrag (1920) regelt die Nutzung der Offshore-Gebiete Spitzbergens nämlich nicht explizit. Trotzdem geht Norwegen von der 200-Seemeilen-Zone souveräner Staaten vor ihrer Küste aus. Norwegen legt die Uneindeutigkeit also großzügig zu seinen Gunsten aus. Insofern ist Moskaus Einspruch gegen die Übergriffe verständlich; die stets aufkommende Hysterie kann er aber nicht rechtfertigen. Sobald die Arktis aufs Tapet kommt, gebärdet sich der Kreml, als ginge es um Sein oder Nichtsein.
Gleichzeitig schickt aber auch Moskau Schiffe auf offene See, um Bestände auszuloten. Unlängst beschloss der Kreml-Sicherheitsrat, bis 2020 dieser Zone den Status der wichtigsten Schatzkammer zuzuerkennen und eigens eine Arktis-Truppe aufzubauen. 2015 hofft er auf die internationale Anerkennung der arktischen Grenzen. Das ist eher unwahrscheinlich.
Als Moskau 2007 mit Getöse und Titanflagge am Meeresgrund arktischen Besitzanspruch markierte, geschah dies in sowjetischen U-Booten aus finnischer Produktion, finanziert von einem schwedischen Millionär. Es zeigte die Nervosität der Russen. Das Wissen um die eigene technologische Rückständigkeit bedrückt ebenso wie die Angst, leer auszugehen.
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