piwik no script img

Kommentar Annapolis-GipfelNahostkonflikt als Projektionsfläche

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Bei der Konferenz in Annapolis geht es darum, Interessenüberschneidung arabischer Regierungen mit den USA zu artikulieren. Palästinenser und Israelis sind wieder Projektionsfläche.

N iemand hatte tatsächlich geglaubt, die Konferenz in Annapolis würde die Wende im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern bringen. Zwei schwache Regierungen ohne echte Verhandlungslegitimation und Durchsetzungsfähigkeit sprechen miteinander - na und? Insofern kann auch niemand ernsthaft über das magere Ergebnis der Konferenz in den USA enttäuscht sein. Die empörten und die "Show" verurteilenden Kommentare in manchen Medien der Region sind insofern heuchlerisch.

Bild: taz

Bernd Pickert ist Auslandsredakteur der taz.

Wer hingegen davon spricht, allein das Zustandekommen der Konferenz mit dieser Teilnehmerliste sei bereits ein Erfolg gewesen, kommt der Sache näher. Nur: Mit der Lösung des Israel-Palästina-Konfliktes hat das nur bedingt zu tun. Genauer: Ein Tätigkeitsnachweis an der Palästina-Front ist Voraussetzung für die neue Allianz der USA mit den "gemäßigten" sunnitischen arabischen Staaten. Und die wendet sich gegen den Iran.

Denn darum ging es eigentlich: Die Interessenüberschneidung der arabischen Regierungen mit den USA, nämlich die immer stärkere Rolle des Iran in der Region einzudämmen, sollte sich endlich auch artikulieren. Ohne eine Dynamik suggerierende Symbolik im Israel-Palästina-Konflikt aber ist das nicht zu haben. Nur zu gut wissen auch die arabischen Machthaber um die Popularität von Irans Präsidenten Mahmut Ahmedinedschad in der arabischen Welt - und die der mit ihm verbandelten radikalen Palästinenserorganisationen sowie der libanesischen Hisbollah. Und nicht wenige arabische Regierungen schauen genauso besorgt auf Irans Atomprogramm wie die USA.

An Irans Aufstieg zur dominierenden Regionalmacht sind weder seine Nachbarn noch die USA interessiert. Palästina ist dabei der Schlüssel, diesen Aufstieg zu behindern - oder das Schlachtfeld, auf dem der Konflikt blutig ausgetragen wird. Palästinenser und Israelis sind wieder einmal Projektionsfläche, der Schauplatz eines Stellvertreterkrieges. Dass das so sein kann, haben ihre Führungen jahrzehntelang möglich gemacht. Annapolis hat daran - leider - nichts geändert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!