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Kommentar AmazonErwartbarer Dämpfer

Eva Völpel
Kommentar von Eva Völpel

Die Spaltung von Belegschaften bei Arbeitskämpfen ist nichts Neues. In diesem Fall zeigt sich, dass Amazon ein schwieriger Gegner für Verdi ist.

Alle Räder laufen weiter, wenn dein starker Arm es will. Bild: dpa

P unktsieg für Amazon: dass sich über 1.000 Beschäftigte gegen die Streiks aussprechen, lässt sich öffentlich gut verkaufen und ist ein Dämpfer für die Streikwilligen und die Gewerkschaft Verdi.

Auch wenn ein großer Teil der Unterschriften unter den Augen des Managements zustande gekommen zu sein scheint, sind solche Entwicklungen an sich nichts Überraschendes. Immer wieder kommt es bei Arbeitskämpfen zur Spaltung von Belegschaften, auch ohne Druck von oben. Weil Beschäftigte Angst vor den Konfrontation mit der Geschäftsführung haben, weil sie glauben, ein Arbeitsplatz, egal wie er aussieht, sei besser als keiner, oder weil sie auf die Entfristung ihres Vertrags hoffen.

Die aktuellen Entwicklungen zeigen vor allem eines: dass Amazon ein schwieriger Gegner ist. Das Unternehmen siedelt sich nicht nur mit Vorliebe in strukturschwachen Regionen an, in denen Arbeitsplätze begehrt sind. Es zieht in dem Konflikt mit Verdi auch alle Register. Streikerfolge, wie die plötzlich doch mögliche Auszahlung von Weihnachtsgeld, werden umgedeutet als generöse Geste, Beeinträchtigung des Weihnachtsgeschäfts durch Arbeitsniederlegungen werden bestritten. Das klingt zwar nach Märchenstunde, aber niemand kann es nachprüfen.

Eines aber ist sicher, der Konflikt bei Amazon wird sich noch lange hinziehen. Es geht dabei nicht nur um bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Sondern auch darum, in einer Branche, die durch ihre Expansion noch viele Arbeitsplätze im traditionellen Einzelhandel verdrängen wird, rechtzeitig Standards zu verteidigen. Zum Beispiel den, dass sich auch ein big player wie Amazon daran gewöhnen muss, dass Gewerkschaften in Deutschland legitime Interessenvertreter der Beschäftigten sind, mit denen man verhandeln muss.

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Eva Völpel
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1976. Ist seit 2009 bei der taz und schreibt über Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie die Gewerkschaften
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18 Kommentare

 / 
  • E
    Existentialist

    Über eine Million Kleinunternehmer, hochqualifizierte Freiberufler in der BRD haben einen Stundenlohn von deutlich unter 8,50 EUR.

    Da liegen die Gehälter bei Amazon deutlich darüber.

    Darüber sollte man auch schreiben.

    • @Existentialist:

      Sollen wir jetzt alle Gehälter auf 8,50 Euro absenken, oder was? Das wäre sicher im Sinne des Marktes, aber ist es im Sinne der Menschen? Wohl kaum.

    • @Existentialist:

      Man sollte auch nicht vergessen, dass der Lohn nur bedingt aussagekräftig ist. Entscheidend ist auch, welche Leistung dafür erbracht werden muss. Und wenn ich bis zu 15km am Tag im Eilschritt durch die Lager von Amazon flitzen muss, dann ist das schon hart an der Belastungsgrenze.

  • P
    Polen

    Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Amazon seine BRD Standorte vollständig nach Polen verlagert, ich würde auch so handeln.

    "Danke" Verdi!

     

    http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2013-10/amazon-verdi-arbeitsbedingungen-polen-logisitik

    • HB
      Harald B.
      @Polen:

      Da befürchte ich auch! Wem kanpp über 10 Euro für eine Tätigkeit ohne berufliche Qualfikation nicht reichen, der landet bald in der Arbeitslosigkeit. Viele Beschäftigte haben das erkannt.

      Das erinnert an das Märchen vom Fischer (Amazonstreikende) und sin Fru (verdi).

    • @Polen:

      Das nennt sich Globalisierung. Die Arbeitsplätze landen zwangsläufig dort, wo die Löhne und Umweltauflagen am geringsten sind.

       

      Der springende Punkt ist: Bei der Globalisierung fragt niemand, ob die Menschen von den Löhnen leben können und niemand fragt die Natur, ob die Ressourcenausbeute tragbar ist. Was zählt ist das Kapital. Wer das nicht begreift, ändert nichts, sondern macht Deutschland Schritt-für-Schritt zu einem Billiglohnland.

      • @Ash:

        Man könnte Globalisierung auch durchgängig durch Kapitalismus, "freie" Marktwirtschaft oder Neoliberalismus ersetzen.

  • L
    Lowandorder

    Woody Guthrie - Which side are you on?

     

    Was hilft gegen eine Bürgerinitiative? - eine Bürgerinitiative!

    Das Schema ist so alt wie die Arbeitskämpfe,

    die Welt der Streikbrecherorganisationen.

     

    Historisch feines Beispiel ist die Vorgängerorganisation

    des THW - Technischen Hilfswerks - nach dem WK I;

    die TN - die Technische Nothilfe.

     

    Unter dem Deckmantel - " Krankenhäuser etc ohne Strom" -

    wurde gegen die Arbeiterklasse - " Alle Räder stehen still, wenn mein

    starker Arm das will" - diese Streikbrecherorganisation geschaffen.

    ( Mein Vater03 arbeitete am Hochofen als naiver Gymnasiast so lange mit,

    bis er das Spiel durchschaute).

    vgl Klaus Theweleit - Männerphantasien.

     

    Auch heute - Ihr Geschenk pünktlich zum Fest - sind der

    Phantasie keine Grenzen gesetzt;

    und - Kohle wird mit derartigen Gelddruckmaschinen

    ( das ist der Cent, aber wo ist der Euro?) ja bekanntlich

    reichlich verdient - und Steuern etc nicht gezahlt;

     

    philosophisch abgesichert via Sloterdjken as usual:

    BMW etc und wie sie sonst noch alle auf Caymans et al versammelt sind.

    Da haut's selbst FDJ-Angie schon mal in den Schnee.

    Gute Besserung allein - wird's nicht richten.

    Auf die Dauer hilft nur Power.

     

    ps und wenn selbst inne taz geglaubt wird

    der Leviatan sei tot - dann wird's Zeit wieder

    die Lederjacke anzuziehen.

    Schönen Tach noch.

  • AU
    Andreas Urstadt

    ps

     

    ich hatte direkt Kontakt mit Amazonmitarbeitern und die Unterschriften druecken ein existierendes Klima aus und das ist ein Grundklima und keine Spaltung, die ja voraussetzt, dass sich alle vorher einig gewesen waeren.

     

    Die Gewerkschaft luegt einfach.

     

    Wer sich nicht an basics haelt, ist bei mir unten durch.

     

    Meine Meinung sagte ich amazonfuehrungsleuten direkt, aber Punkte kritisierend, welche die Gewerkschaft nicht sehen will. Weil amazon immer noch besser aussieht als der Rest, der ueberhaupt nicht bestreikt wird, gewerkschaftliches Legitimitaetsproblem. Amazon koennte 1000% besser sein von der Lebensarbeitsqualitaet, wer coole Sachen verkauft, muss auch cool sein.

     

    Der Gewerkschaftshorizont ist viel zu niedrig und viel zu unsophisticated.

    • @Andreas Urstadt:

      ...schreibt einer im Auftrag der Amazon-PR-Abteilung. Wenn die Gewerkschaft lügen würde, gäbe es rechtliche Schritte von Seiten des Amazonas.

       

      Amazon wird zu Recht bestreikt, weil die Hunde sich weigern, die Löhne des Versandhandels zu zahlen. Bums, aus, Nikolaus!

      • 5G
        5393 (Profil gelöscht)
        @Ash:

        @Slobo

         

        amazon zahlt die Löhne des Versandhandels/Logistik und steht mit den Löhnen dafür an der Spitze. Man sollte sich mal informieren bevor man die Keule rausholt. verdi will stattdessen den Tarif des stationären Einzelhandels!!! Wer bei amazon arbeitet hat idR überhaupt keine Chance einen Job im Einzelhandel zu bekommen. Dazu gehört Kundenberatung usw. bspw. Wissen zur Musikindustrie, Buchhandel usw Elektronik - das sind Ausbildungsberufe. Amazon nimmt Leute ohne Ausbildung - man sollte sich informieren, bevor man lostritt. Wer schreibt, dass amazon 1000% besser sein könnte, ist sicher kein amazonmitarbeiter. /// übrigens ließ der Buchhandel seit Jahrzehnten Logistikfahrer zu Dumpinglöhnen nachts die Bücher in die Buchhandlungen fahren, in 24h jedes lieferbare Buch, wie sowas läuft, hat nie jemand hinterfragt. ........

  • AU
    Andreas Urstadt

    "auch wenn" - warum nicht, wenn s mit Unterstellungen geht

     

    war die Kommentatorin vor Ort?

     

    auch mal mit der Regionalpresse geredet?

     

    Oder nur mit Gott, der alles sieht...

  • W
    Werner

    Eine Option hat die Redakteurin allerdings vergessen. Es könnte doch eventuell auch sein, dass es bei Amazon Angestellte gibt, die finden, dass eine Anstellung mit einem Stundenlohn von über 10€, plus Zuschläge, plus Aktienoptionen sowie unbefristetem Arbeitsvertrag (auch die gibt es dort) für eine ungelernte Kraft eine gar nicht so schlechte Wahl ist. Viele gelernte Friseusen dürften deutlich schlechter bezahlt werden. Sicherlich ist die Arbeit bei Amazon kein Zuckerschlecken. Aber aus eigener Erfahrung weiss ich, dass anstrengende und stressige Tätigkeiten in der freien Wirtschaft eher die Regel als die Ausnahme sind. Und einige wenige Cent mehr pro Stunde, wie Verdi sie verlangt, mögen dem Ansehen der Gewerkschaft dienen, die Arbeit wird dadurch aber nicht leichter.

  • SU
    Solidarität und Aufklärung

    Weiter kämpfen! Nicht wenige haben noch Angst, aber es werden dagegen die mehr, die sehen, dass sich Kämpfen lohnt und Solidarität stärker ist als Egoismus, Einschüchterung, Lügen und Profitsucht.

    Es wurde schon einiges erreicht. Alles Gute bei den weiteren Auseinandersetzungen!

  • C
    cocorici

    Die Gewerkschaften sind so lange legitime Interessenvertreter der Beschäftigen, so lange sie die Interessen der Beschäftigen vertreten, und darüber entscheiden alleine die Beschäftigten. Wenn die Beschäftigten von Amazon sich mehrheitlich gegen die Gewerkschaften wenden, sind die Gewerkschaften eben KEINE legitimen Interessenvertreter der Beschäftigten mehr! Wer legitime Interessenvertreter der Beschäftigten sind entscheiden die Beschäftigten immer noch selbst, und nicht irgendwelche Journalisten!

    Im Übrigen bin ich Amazon sehr dankbar, dass sie sich in ländlichen, strukturschwachen Gebieten ansiedeln, ohne Unternehmen wie Amazon, die in solchen Gebieten investieren und Arbeitsplätze schaffen, wären diese Gebiete tot.

  • O
    ostendfaxpost

    Die Vorlage davon hatten wir bereits 2008 bei Lidl. Da ließ die Firma auch einige ihrer Leute demonstrieren. Ich verweise dazu auf Indymedia.

    http://de.indymedia.org/2008/05/216479.shtml

  • D
    Demon

    Natürlich ist Amazon ein harte Nuss. Das Unternehmen zahlt einen Basislohn - also den für die einfachsten Tätigkeiten - zwischen 9,55€ und 11,50€ pro Stunde, je nach Standort. Den Leuten, selbst den vollkommen unqualifizierten einzureden, dies sei ein unzumutbarer Hungerlohn, ist eben nicht ganz einfach. Inbesondere, wenn diese Leute sehen,dass z.B. nebenan in der Fleischfabrik 3€/h gezahlt werden. Das gibt einem schon zu denken, ob man es bei Amazon wirklich so schlimm hat, wie die Funktionäre von Verdi behaupten. Dorthin in die Fleischfabriken verirren sich Verdi-Funktinäre übrigens nie, denn der Kampf gegen "Fleischbetrieb XY" ist nicht so prestigeträchtig und medienwirksam wie der gegen so eine amerikanische Inkarnation des Bösen namens Amazon.

     

    Wobei, zugegeben, vielleicht spielt die Herkunft des Unternehmens doch keine Rolle, hat Verdi ja schließlich auch einen heroischen Kampf gegen Schlecker geführt und gewonnen - mit dem Ergebnis: Operation gelungen, Patient tot.

     

    http://www.wiwo.de/unternehmen/handel/schlecker-aus-verdi-hat-sich-zu-tode-gesiegt/6701146.html

  • P
    Paketretoure

    Es gibt allerdings auch noch eine zweite mögliche Lesart:

    Dass nämlich insbesondere die Verdi-Spitze Streikbereitschaft und Zeitpunkt für Arbeitskämpfe völlig falsch eingeschätzt bzw. gesetzt hat und das eine Niederlage mit Ansage wird.

    Ganz Ähnliches gab es 2003 beim von der IG-Metall Führung in völliger Verkennung der Lage durchgesetzten Metallarbeiterstreik in Sachsen, wo örtliche Gewerkschaftschefs ausdauernd vor einem Arbeitskampf gewarnt haben und dieser dann auch für die Gewerkschaft krachend verloren ging.

    Selbst Gewerkschaftsmitglieder waren damals der Meinung, dass die aufgestellten Forderungen zu dieser Zeit völlig unrealistisch waren.

    Nun sind sicherlich auch die meisten Amazon-Mitarbeiter froh, wenn sie mehr Geld in der Lohntüte haben.

    Ob der Weg von Verdi mit der Brechstange aber jetzt der richtige und erfolgversprechende ist, darf bezweifelt werden.

    Fairerweise muss auch hinzugefügt werde, dass Amazon vielen niedrigqualifizierten Menschen eine Beschäftigung bietet, die woanders so schnell sicherlich nichts finden würden.