piwik no script img

Kommentar Alternsgerechte JobweltInseln im Hochleistungsbetrieb

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Es stellt sich die Frage, ob die Alterung der Erwerbsgesellschaft nicht in der gesamten Wirtschaft einen Schub an Humanisierung auslösen könnte.

M anchmal sind die kleinen sprachlichen Unterschiede wichtig. Der neue Trend heißt "alternsgerechte", nicht "altersgerechte" Arbeitplätze. Denn in dem Vorzeigeprojekt bei BMW geht es nicht darum, für betagtere Facharbeiter schonende Jobs zu finden. In der neuen Produktionslinie sollen vielmehr Teams aus Beschäftigten verschiedener Generationen zusammenarbeiten zu Bedingungen, die den Verschleiß an Körper und Seele möglichst gering halten und unter denen man daher "altern" kann.

Noch handelt es sich bei solchen Demografieprojekten um Modelle aus großen, finanzkräftigen Unternehmen. Doch die Frage stellt sich, ob die Alterung der Erwerbsgesellschaft nicht in der gesamten Wirtschaft einen Schub an Humanisierung auslösen könnte.

Derzeit wird der Umgang mit Stress und Belastung den Sozialsystemen zugeschoben: Es gibt den unseligen Trend, das Gesundheitssystem als Exit-Option zu gebrauchen für Leute, die nicht mehr funktionieren können. Was sich unter anderem an der steigenden Zahl der Erwerbsminderungsrenten wegen psychischer Erkrankungen zeigt. Doch so was ist teuer und volkswirtschaftlich kontraproduktiv.

taz
BARBARA DRIBBUSCH

ist Redakteurin für Soziales im taz-Inland-Ressort.

Denn Fachkräfte fehlen, die Belegschaften altern, die Zahl erwerbstätiger Frauen steigt, und diese sind wegen der häufigen familiären Belastung noch stärker auf erträgliche Jobs angewiesen. Die Alterung der Gesellschaft und der Fachkräftemangel müssen aber kein Damoklesschwert sein, sondern bieten die Chance zum Umdenken.

Die Forschung weiß, welche Bedingungen human sind: Die Möglichkeit, Stress im Job selbst zu regulieren, und transparente Hierarchien beispielsweise sind wichtig. Man muss zwischendurch auch mal nicht mit voller Kraft arbeiten, die Ansprüche senken dürfen. Die Ansprüche senken - das berührt das Allerheiligste der Personalführung in der Hochleistungsgesellschaft. Es ist Zeit, dass auch dieses Tabu fällt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!