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So sehr ich Dominik Johnson in der politischen Berichterstattung über DR Congo schätze, so sehr verwundert mich immer wieder seine Schönschreiberei der wirtschaftlichen Lage Zentralafrikas. Leider muß ich hier dem Kommentar von Andreas Suttor völlig zustimmen: "Ist das Ihr Ernst??" Ich lebe in Uganda, 40% Inflationsrate, politische und juristische Unsicherheit, unglaublich hohe Kriminalität, Korruption, Bestechung und Erpressung durch Regierung und Behörden sozusagen tägliche Praxis. In der Tat gibt es einen Bauboom in Kampala, der aber dadurch bedingt ist, daß Korruptionserlöse irgendwie gewaschen und angelegt werden müssen. Ob sich für die vielen superteuren Appartmentwohnungen und Häuser überhaupt Mieter oder Käufer finden werden halte ich für äußerst fraglich, viele verfallen bereits seit zwei Jahren schon wieder, nie bewohnt. Es gibt keinen wirtschaftlichen Aufschwung, sondern lediglich die Schere zwischen Armut und wenigen Reichen öffnet sich weiter. Damit steigt zwar der gemeinsame "Mittelwert", aber niemand wird daraus ernsthaft einen "Aufschwung" ablesen. Meine Reisen in Burundi, Rwanda, DR Congo, Kenia und Tanzania bestätigen, daß es dort genauso steht wie in Uganda, höchstens kleine kaum nennenswerte graduelle Unterschiede hier und da. Finanzielles Investment in diesen Ländern kommt einer freiwilligen Spende in Höhe des Gesamtbetrages gleich und ist höchstens als Abschreibungsobjekt geeignet.
Es muß die Frage erlaubt sein, ob dieser Artikel wirklich ernst gemeint ist. Junge Bevölkerung und eine wachsende Anzahl von potentiellen Konsumenten sind nur zwei Faktoren, die Investoren interessieren, und leider bei weitem nicht die wichtigsten. Und bei den wirklich wesentlichen Standortfaktoren sieht es nach wie vor äußerst düster aus. Gerade das angeführte Nigeria ist ein Musterbeispiel für die Dinge, die sich noch ändern müssen. Ansätze von Rechtssicherheit wären schön, auch eine funktionierende Infrastruktur hilfreich, und nicht weniger wesentlich auch ein funktionierendes Bildungswesen für breite Schichten der Bevölkerung. Alles ist gerade in Nigeria ausserhalb der Metropolen gar nicht und in diesen nur in Ansätzen zu finden. Wer bitte investiert Geld in einem Land, wo es einem an Ausfallstraßen schon mal passieren kann, daß Wegelagerer Wegzoll verlangen?
Investoren sind keine Heiligen und Bevölkerungswachstum kein Garant für Wohlstand. Was der Autor prophezeit, bedarf der vorherigen Abstellung vieler Faktoren. Instabile Demokratien, Diktaturen und z.t.fehlende Staatsstrukturen, dazu starke politische Einflussname der intern. " Investorenengel" werden den großen afrikan. Aufschwung unwahrscheinlich machen.
Politische Destabilisierung gehört zum Handwerkszeug intern. Kapitalgeber. Nur so können Löhne niedrig, Regierende willfährig und Rohstoffe billig gehalten werden.
Reichlich naive Prognose für ein vorallem vom Klimawandel stark bedrohten Afrika. Methoden des Ausverkaufs wie Land-grabbing und kreditgeknebelte Infrastrukturprojekte werden dem Kontinent wenig davon bringen, wie sie der Autor herbei zu reden versuchte.
Alles klar D.J.! Dumm nur, dass die Politiker in Europa das Geld für diese Investitionen nicht haben. Das wird ganz woanders verwaltet und hat kein Interesse an Produktion, sondern an Spekulation...
Bravo Herr Johnson. Ich bin ganz Ihrer Meinung. Afrika ist die Zukunft!
Ein Boulevardblatt hat herausgefunden: Die KI, die auf neutral tut, tickt eigentlich linksgrün! Warum das kein Skandal, sondern Grund zur Freude ist.
Kommentar Afrikas Wirtschaft: Kapital für Lagos und Kinshasa
Europa schrumpft, Afrika wächst. Europa ist alt, Afrika ist jung. Dort muss Kapital hin, das sich nicht mehr ins kollabierende Europa traut.
Während Europa in der Krise versinkt, geht der Rest der Welt unbeirrt seinen Weg. Eine Milliarde Chinesen, eine Milliarde Inder und eine Milliarde Afrikaner sind im Begriff, die weltwirtschaftlichen Gleichgewichte zu verschieben. Die jüngste rosige IWF-Prognose zu Afrikas Wirtschaftswachstum sollte den reichen Industrienationen ihren schleichenden Bedeutungsverlust vor Augen führen.
Noch nie waren die Chancen, dass Afrika dauerhaft aus der Armut herausfindet, so gut wie jetzt. Afrikas junge Generation hat längst die Minderwertigkeitskomplexe ihrer Vorgänger abgelegt und strebt mit Macht und Selbstverständlichkeit an die Tische der Großen. Europa schrumpft, Afrika wächst.
Europa ist alt, Afrika ist jung. Europa ist überschuldet, Afrika ist unterkapitalisiert. Findige Wirtschaftsberater haben längst herausgefunden, dass es in Nigeria heute mehr Babys gibt als in ganz Westeuropa und dass dies ein ungeahntes Marktpotenzial für europäische Windelexporteure darstellt. Findige Politiker sollten ahnen, dass dies in zwei Jahrzehnten durchaus auch geopolitische Veränderungen bedeuten wird.
Europäische Politiker bangen dieser Tage wegen ihrer Schuldenkrise und fürchten eine Kreditklemme und eine globale Rezession, die alle Sanierungsbemühungen zunichtemacht. Sie sollten nach Lagos oder Kinshasa schauen und neue Zuversicht schöpfen. Hier warten Millionen junge Menschen auf die Möglichkeit, sich selbst endlich menschenwürdige Verhältnisse aufzubauen.
Investitionen in Afrikas Megastädte, wo das Elend zum Himmel stinkt und Massenarbeitslosigkeit herrscht, wären das beste Konjunkturpaket der Welt - und die beste, weil menschenwürdigste Anlage für herumschwirrendes globales Kapital, das sich nicht mehr ins kollabierende Europa traut.
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Kommentar von
Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.