Kommentar Afrikas Entwicklung: Der Boden als Bodenschatz
Chinesisch-afrikanische Partnerschaft ist der Schlüssel zur globalen Entwicklung. Aber die Schattenseiten davon sind extrem düster.
W ie viele Baukräne ragen über einer Stadt in den Himmel? Das ist immer noch das verlässlichste Indiz für Entwicklung und Wirtschaftswachstum. Der Bedarf an mehr Bautätigkeit liegt auf der Hand: Die Weltbevölkerung wächst jedes Jahr um über 80 Millionen Menschen, bis zum Jahr 2050 wird es weltweit 2,5 Milliarden zusätzliche Großstadtbewohner geben, viele davon in boomenden Megastädten, wo aus Chaos, Konflikten, neuen Lebenszusammenhängen und jugendlicher Kreativität die Gesellschaften von morgen entstehen.
Kein Wunder, dass Sand, ohne den es kein Beton und kein Glas gibt, also auch keine Hochhäuser, Autobahnen oder Großstädte, im Wortsinne das Fundament der Zukunft darstellt. Sand ist der Bodenschatz an sich. Und gerade weil diese Ware so unspektakulär daherkommt und allgegenwärtig ist, ist ihre Gewinnung und Verarbeitung zu einem lukrativen und damit natürlich von Kriminalität durchsetzten Geschäftszweig geworden.
Der Raubbau, den chinesische Unternehmen in Afrika betreiben, macht davor nicht halt, im Gegenteil. China ist die Nummer eins, wenn in Rekordzeit irgendwo komplette Großstädte und Verkehrsnetze aus dem Boden gestampft werden müssen. Afrika steht nach objektiven Gesichtspunkten ganz vorn, wenn es darum geht, in endlosen stinkenden Slums und wuchernden gewalttätigen Megastädten menschenwürdige Lebensverhältnisse zu schaffen, vor denen die Leute nicht bei der ersten Gelegenheit davonlaufen.
Chinesisch-afrikanische Partnerschaft ist der Schlüssel zur globalen Entwicklung. Aber die Schattenseiten davon – Entrechtung und Raubbau – sind extrem düster. Afrika muss sich entwickeln, und dann gibt es irgendwann weniger Flüchtlinge, so lautet das aktuelle Modedogma der Entwicklungspolitik.
Entwicklung kann eine Fluchtursache sein
Aber Entwicklung heißt eben auch, Megastädte zu bauen – und unzähligen Menschen die Lebensgrundlage mit dem Bagger zu nehmen. Auch Entwicklung kann eine Fluchtursache sein.
Schon Europa im 19. Jahrhundert und China im 20. Jahrhundert erlebten den Aufbau von Industriegesellschaften als Verstädterungsprozess, der Abermillionen Landbewohner entwurzelte. Europa exportierte seine überschüssigen Bewohner in Kolonien und schlachtete sie in Kriegen ab, China kasernierte die seinen in rechtlosen Unterschichten oder verhinderte ihr Entstehen per Ein-Kind-Politik.
Jetzt ist Afrika an der Reihe. Welche Optionen gibt es da? In den chinesischen Sandgruben Afrikas entscheidet sich mehr als nur das Überleben ugandischer Fischer. Es geht auch um den zukünftigen Zusammenhalt der Welt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“