Kommentar Afghanistan-Einsatz: Weiter im Blindflug
Weil die Bundesregierung sich nicht eindeutig positionieren will, muss sie den Awacs-Einsatz als weitere zivile Hilfsaktion verkaufen. Dabei könnte doch alles viel einfacher sein.
E s könnte so einfach sein. Die Bundesregierung erklärt Parlament und Öffentlichkeit: Es gibt in Afghanistan eine neue Strategie der US-Streitkräfte und auch der Nato. Der Einsatz von Bodentruppen wird verstärkt. In der Folge gibt es mehr sogenannte Luft-Boden-Operationen. Mit anderen Worten: Die Truppen geraten vermehrt in Kämpfe - und lassen sich im Zweifelsfall rausbomben. Solch ein kombinierter Luft-Boden-Krieg stellt höhere Anforderungen an die Luftraumüberwachung. Die Zahl der militärischen Flüge steigt. Da kann man die Awacs gut brauchen.
So könnte es sein. Ist es aber nicht. Die Bundesregierung beharrt stattdessen darauf, dass in Afghanistan erstens kein Krieg herrscht und sie zweitens - wenn es denn möglicherweise doch einen geben sollte - mit diesem auf keinen Fall etwas zu hat. So wie wir guten Deutschen den Afghanen seit Jahren mit dem Bau von Brücken, Brunnen und Schulen die Infrastruktur für blühende demokratische Landschaften gebracht haben, so wollen wir ihnen nun auch beim Aufbau eines Luftverkehrsnetzes helfen. Die eingesetzten Bundeswehrsoldaten werden präsentiert als reguläre Fluglotsen, die zufällig eine Uniform tragen, der Awacs-Einsatz wird als eine neue Form technischer Entwicklungshilfe dargestellt. Das lächerliche Gerede vom robusten Aufbaueinsatz hat eine neue Dimension erreicht
Dies alles geschieht, weil die Bundesregierung sich nicht positionieren will. Steht sie nun zu dem militärischen Vorgehen der Nato in Afghanistan? Unterstützt sie die Entsendung von mehr Bodentruppen und die Ausweitung der Kampfeinsätze? Wenn ja, dann ist die Entsendung der Awacs konsequent - und sollte so begründet werden. Doch das hieße ja, offen über den Einsatz in Afghanistan zu sprechen. Und das ist offensichtlich nicht erwünscht, schon gar nicht so kurz vor einer Bundestagswahl. Dann lieber im politischen Blindflug weiter in Richtung neuntes Kriegsjahr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid