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Kommentar AfD und VerfassungsschutzTräume von Gewalt

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Der Rechtsstaat hat die Pflicht, sich gegen die zu schützen, die ihn ablehnen. Deshalb muss die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Nicht nur der AfD-Nachwuchs ist verdächtig – vom Logo bis zu den Flechtsandalen Foto: dpa

S elbstverständlich muss die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Ihre Funktionäre marschierten in Chemnitz Seit’ an Seit’ mit kahl rasierten Rechtsradikalen. Ihre Mitglieder träumen in den dunklen Nischen von Facebook von Gewalt. Sie möchten zum Beispiel kritische JournalistInnen „auf die Straße zerren“ (und was täten sie dann?). Der Thüringer AfD-Rechtsaußen Björn Höcke deutet die deutsche Geschichte um und verunglimpft das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“.

Eigentlich kann es keiner mehr leugnen: Zumindest in Teilen der AfD gibt es Bestrebungen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Deshalb ist es gut, dass die Rufe in SPD und Grünen nach einer Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz lauter werden. Und Innenminister Horst Seehofer (CSU) täte gut daran, sein Zögern zu überdenken.

Der Rechtsstaat hat das Recht und die Pflicht, sich gegen Leute zu schützen, die ihn ablehnen. Eine solche Beobachtung wäre keineswegs ein Allheilmittel gegen die extremen Auswüchse in der rechten Partei. Die Behörden entscheiden selbst, wie scharf sie überwachen. Oft sammeln sie nur Informationen, die sich mit überschaubarem Aufwand im Netz recherchieren lassen.

Umsturzlustige SED-Rentner

Auch die AfD-Führungsriege wäre vermutlich wenig erschüttert, schließlich hätte sie einmal mehr die Gelegenheit, sich als Opfer zu inszenieren. Doch in der Auseinandersetzung mit der AfD geht es auch ums Prinzip – und um Symbole.

Der Verfassungsschutz verwendet viel Energie darauf, Linksextremismus zu erforschen. Ein paar umsturzlustige SED-Rentner taugen durchaus als Überwachungsobjekt. Warum sollte er sich die subtilen und offenen Drohungen aus der AfD gefallen lassen? Außerdem ist ein klares Signal an all die WählerInnen angebracht, die glauben, die AfD sei im Grunde eine etwas konservativere CDU.

So mancher Protestwähler aus der bürgerlichen Mitte wird sich gut überlegen, ob er bei Verfassungsfeinden mitlaufen will.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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5 Kommentare

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  • Die AFD bzw. ein großer Teil ihrer Mitglieder sind Verfassungsfeindlich.



    Die Freiheiten und Grundrechte der Menschenrechte und unserer Verfassung werden von diesen wie auch anderen Rechtsradikalen exklusiv nur für sich selbst gefordert aber anderen Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion etc verweigert und das ist nunmal nicht kompatibel mit unserem Grundgesetz.



    Dieser laut gröhlende Minderheit die von unserer Gesellschaft verlangt sie als Mehrheit wahrzunehmen und auf ihre Bedingungen einzugehen sollte man nun wirklich nicht den Gefallen tun über ihr Weltverschwörungsgelaber ernsthaft zu diskutieren.



    Leider wurde dies von Presse und Politik doch gemacht und als Resultat gibts jetzt offen gezeigte Hitlergrüße und "Heil Hitler" gegröhle von diesen Nazis.



    Vielleicht kapiert jetzt endlich mal die Presse, dass es falsch ist den Rechtsradikalen die Schlagzeilen zu opfern und mit Kuschelpädagogik auf "Sorgen" und "Nöte" rechtsradikaler Hetzer einzugehen, deren Ursprünge in einem verzerrten, krankhaften Weltbild liegen.



    Vielleicht kapieren das auch so langsam einige Politiker die geglaubt haben man könne diese Verfassungsfeinde wieder an die Verfassung binden wenn man sich selbst etwas Verfassungsfeindlich gibt oder sich rechtsradikale Schlagwörter einfallen läßt.



    Nicht die Gesellschaft die hinter den Menschenrechten und unserer Verfassung stehen sollten Angst haben vor Nazis und anderen Verfassungsfeinden.



    Nazis und Verfassungsfeinde müssen Angst haben vor der Gesellschaft und dem Staat!

  • Wenn es einen funktionierenden Verfassungsschutz gäbe, müsste er die AfD längst beobachten.



    Was aber soll es bringen, wenn ein Verfassungsschutz, der schon den NSU weitgehend unbehelligt machen ließ, die AfD beobachtet? Da beobachtet dann am Ende nur eine völlig unkontrollierbare Behörde einen erheblichen Anteil ihrer eigenen Mitarbeiter. Ich fürchte, damit würde man der AfD nur einen großen Gefallen tun, denn offizielle Beobachtung ohne Konsequenzen ist sowas wie ein Freibrief für alles Mögliche und Unmögliche.

  • Ob es die Mitläufer stört das eine Partei vom VfS beobachtet wird, dass kann angesichts der Menschen die mit rechten Gewalttätern, ob auf der Straße oder auch nur im Geiste, in Reihe und Glied stehen und bereit sind solche Leute auch politisch zu unterstützen, bezweifelt werden.



    Die Mitte der Gesellschaft hat durchaus verstanden dass solche Verfahren, dank dem gescheiterten NPD Verbotverfahren durch mitwirken des VfS, doch eigentlich nicht mehr als eine Farce sind.



    Mehr als der erbärmliche Versuch sich gegen Jahrzente der Blindheit auf dem rechten Auge zu erwähren ist es doch im Endefekt nicht.



    Jeder der sich nicht Mitte, Mitte rechts in der Öffentlichkeit (Demo) äussert oder im Zweifelsfalle denkt wird doch in unserem Land als "Linker" und damit schon fast zum Staatsfeind abgestempelt, behandelt und wenn es irgendwie geht überwacht! Das wird die letzten siebzig Jahre und auch heute noch noch so gehandhabt. Dank der guten politischen Bildung unserer Verfassungsorgane. Welcher rechte Stammtisch kann dass von sich behaupten!?



    Weiter träumen und sich einlullen lassen. Es ist ja bald vorbei, dann ist Chemnitz wieder vergessen und alles kann seinen "normalen" Weg gehen. Bis zum nächsten Anschl.... eh, mal.



    Ach ja, die Leute Protestwähler zu nennen kommt schon wirklich einer Verharmlosung gleich. Es sind wohl eher Überzeugungstäter.

  • Ist der Aufruf, Journalistinnen auf die Straße zu zerren, kein aggressives - kämpferisches Verhalten?



    Das könnte nämlich ein Parteiverbot nach GG 21/2 ermöglichen, ganz ohne Verfassungsschutz.

  • Seehofer wird die AFD nicht überwachen, zumindest nicht vor den Landtagswahlen in Bayern.Wie sähe es denn aus, wenn man einen möglichen Koalitionspartner als potenziell verfassungsfeindlich einstuft?