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Kommentar AfD-ParteitagDie Ein-Personen-Partei

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Zum ersten Mal hat sich die Basis der rechtspopulistischen AfD gegen Parteichef Bernd Lucke gestellt. Die Partei könnte unberechenbar werden.

Verhindert er das Schlimmste oder hat er es selbst geschaffen? Bernd Lucke Bild: dpa

E s ist der erste Riss. Mit breiter Mehrheit stimmte die AfD auf ihrem Parteitag in Erfurt gegen die von der Parteispitze vorgelegte neue Satzung. Erstmalig erhob sich die Basis der AfD damit gegen ihr schier übermächtiges Oberhaupt: Parteichef Bernd Lucke.

Der muss sich sehr sicher gefühlt haben. Denn seine Satzung hätte vor allem einem mehr Macht garantiert: ihm selbst. Trotz allen Gegenwinds aber brachte Lucke den Entwurf auf dem Parteitag ein. Nur war der Widerspruch zur selbstpostulierten Basisdemokratie zu offensichtlich – die Mitglieder stellten sich quer.

Wie sehr die Partei aber weiter an ihrem Anführer hängt, zeigte sich wenig später: Da schenkte sie Lucke bereits wieder Ovationen. Sie weiß, dass sie ihren Erfolg vor allem ihrem Chef zu verdanken hat. Nur ein Jahr nach Gründung Jahr wird die AfD wohl mit achtbarem Ergebnis ins EU-Parlament einziehen, im Herbst verpasste sie den Bundestag nur denkbar knapp. Weil sie ein braches politisches Terrain bediente, rechts der Union. Und weil dieses Rechtsaußen nicht durch einen Demagogen, sondern einen eloquenten Ökonomieprofessor aus Hamburg verkauft wurde: Lucke.

Die Gefolgschaft birgt aber auch Gefahr. Denn die Basis, die in Erfurt reihenweise selbstverständlich mit der rechten Postille Junge Freiheit im Saal saß, kann auch anders. Immer wieder stellten Mitglieder in Erfurt Rechtsaußen-Anträge: Der Begriff des politischen Flüchtlings solle nicht „ausgedehnt“, die Scharia abgelehnt, „ideologische Beeinflussung“ an Schulen beendet werden. Lucke hielt jedes Mal Gegenreden – und stimmte den Parteitag um.

Wohin die AfD steuert, hängt also an ihm. Auch Lucke ist kein Liberaler: Er schimpfte auf Medien, kritisierte „Asylmissbrauch“. Aber Lucke rang dem Parteitag auch Applaus für den Satz ab, die AfD „diskriminiert nicht nach Rasse, Religion oder sexueller Orientierung“.

Bisher hält der Chef die AfD vor allzu extremen Ausreißern ab. Die Spannungen in der Partei aber, die zwischen enttäuschten FDPlern und Erzkonservativen balanciert, sind enorm. Fügen sie der Autorität ihres Parteiobersten weitere Risse zu, dann könnte die AfD zu einem unberechenbaren Irrläufer werden.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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10 Kommentare

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  • Ihr gebt diesen populistischen Geisterfahrern viel zu viel Raum.

  • "Immer wieder stellten Mitglieder in Erfurt Rechtsaußen-Anträge: Der Begriff des politischen Flüchtlings solle nicht „ausgedehnt“, die Scharia abgelehnt, „ideologische Beeinflussung“ an Schulen beendet werden."

     

    Ist das wirklich Rechtsaußen? Natürlich lehne ich im Namen der Frauenrechte die Scharia ab. Auch kann es nicht diverse Rechtssysteme innerhalb einer Gesellschaft geben. Und die Schule sollte definitiv neutral und nicht ideologisch geprägt sein. Denn die Schule soll eine Allgemeinbildung vermitteln damit jeder sich frei für seine Interessen entscheiden kann.

    Und natürlich sollte auch der Begriff politischer Flüchtling eng umrissen sein.

     

    Ich sehe dort weniger rechtsaußen, denn was wäre das Gegenteil? Scharia in Deutschland? Mit allen Konsequenzen? Oder Schulen in denen nur gelehrt wird, was einem persönlich gefällt? Oder vielleicht was einer Regierungspartei gerade gefällt? Oder generell nur eine Sichtweise lehren, damit Fragen gar erst Fragen aufkommen?

    Oder sollten tatsächlich alle Flüchtlinge, auch Wirtschaftsflüchtlinge, als politische Flüchtlinge betrachtet werden? Mit allen Konsequenzen bei der aktuell schon mangelhaften Integration der tatsächlich politisch Verfolgten Menschen.

     

    Nein, das scheint mit alles weniger Rechtsaußen zu sein als eine vollkommen legitime Position, auch wenn man diese nicht teilt.

     

    Gruß

    • @Amadi:

      Die Fragen sind alle sehr gerechtfertigt, werden aber leider nur mit rhetorischen und polemischen Gegenfragen beantwortet werden.

    • @Amadi:

      Ihre Behauptungen sind leider sehr ignorant. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) urteilte in mehreren Verfahren, dass die Scharia „inkompatibel mit den fundamentalen Prinzipien in der Demokratie“ sei. Das Bundesverfassungsgericht wird das nicht anders sehen. Auch ein Gesetzbuch auf Grundlage des Alten Testaments wird nicht bei uns eingeführt werden können, wo ungläubige Menschen, Homosexuelle und Frauen, die sich nicht unterordnen, gesteinigt werden können.

      Asylrecht ist ein Menschenrecht, inwiefern wird das ausgedehnt?

      Aufklärung an Schulen ist menschenrechtskonform, dafür muss ich kein Experte für Menschenrechte oder Verfassungsrechtler sein, um dies behaupten zu können.

      • @Frederik Nyman:

        Ja, höchstrichterliche Stellen haben die Scharia als unvereinbar mit unserer Demokratie beurteilt, dennoch gibt es Schariagerichte in Deutschland wie auch in vielen anderen Staaten Europas. Ignorant ist es daher die Formen der Paralleljustiz nicht zu unterbinden und Parteien, die dieses Fordern als Rechtsaußen zu bezeichnen.

        Ausgedehnt oder besser aufgeweicht wird das Asylrecht in dem Aufenthaltsgenehmigungen oder ein Abschiebestopp, abseits des wichtigen und notwendigen Asylrechts, gewährt werden. Wir können uns gerne darüber unterhalten, wie wir Zuwanderung auch aus armen Ländern gestalten, aber nicht über den Weg: abgelehnter Asylstatus, der einfach nicht vollstreckt wird.

        Beim Thema Schule ging es mir eher darum das generell die Ausrichtung nicht ideologisch geprägt sein sollte. Speziell zum Thema Aufklärung: es gab auch vorher diesen Unterrichtsbereich und da wurden mitnichten bestimmte Lebens- und Liebensformen schlechter gestellt oder nicht menschenrechtskonform unterrichtet. Natürlich kann die Frage gestellt werden ob der Umfang der angeplanten Inhaltsänderung nicht einer ideologie hinterher folgt. Aber verstehen wir uns nicht verkehrt. Ich freue mich auch dass ein größerer Augenmerk auf vielfältigere Lebenswege gesetzt wird. Aber man muss auch fragen können in wie weit es notwendig ist und auch wann diese Aufklärung notwendig ist.

         

        Gruß

        • @Amadi:

          Solange dies nicht diskriminierend geschieht, habe ich kein Problem damit. Das ist aber leider in Baden-Württemberg nicht der Fall, wenn man die Petition, die Argumentation der Gegner usw. betrachtet. Wenn diese Mitmenschen nicht fähig sind, Kritik zu äußern, ohne eine ganze gesellschaftliche Gruppe zu diskriminieren und feindselige Mentalitäten erneut zu entfachen bzw. zu verstärken, ist es nicht verwunderlich, wenn zunehmend eine Abwehrhaltung hieraus entsteht. Dann sind insbesondere die aufgeklärten Menschen in der Gesellschaft nicht bereit, auf diese diskriminierenden Argumente einzugehen. Es macht sich dann nur eine Haltung bei mir und einigen Mitmenschen bemerkbar, die sich mit dem Satz „Keine Toleranz gegenüber der Intoleranz“ beschreiben lässt.

          Der abgelehnte Asylstatus, der nicht vollstreckt wird, beruht doch auf Abschiebungshindernisse. Das werden Sie auch nicht ändern können, es wird immer Abschiebungshindernisse geben, die aus humanitären Gründen die Vollstreckung der Abschiebung verhindern. Es sei denn, Ihnen sind die humanitären Gesichtspunkte egal. Das würde dann allerdings wiederum gegen die Menschenrechte verstoßen.

          In unserem Rechtsstaat hat die Justiz bereits jetzt alle notwendigen gesetzlichen Mittel Paralleljustiz zu unterbinden. Neue Gesetze werden hier nicht benötigt mit denen sich die AfD profilieren könnte. Ich sehe gerne ein, dass hier eine Aufstockung der Mitarbeiter und finanziellen Mittel durchaus erforderlich sein kann. Wenn die AfD die Steuern für Vermögende erhöhen will, um die Justiz besser auszustatten, stehe ich diesem Punkt nicht ablehnend gegenüber.

    • @Amadi:

      Wo gibt es denn Bestrebungen, in Deutschland die Scharia einzuführen, so dass eine solche Forderung nötig wäre? Und inwiefern ist momentan die Schule "ideologisch geprägt"? Ist der Begriff "Politischer Flüchtling" momentan nicht definiert?

      Ich meine, wer solche Forderungen stellt, unterstellt doch, dass wir von Islamisten (oder sonstigen "unerwünschten Kräften") unterwandert sind und nur noch ganz bestimmte politische Flüchtlinge aufnehmen dürfen.

      Wer solche Forderungen stellt, stellt unser derzeitiges Demokratisches System in Frage, nichts anderes.

      • @sema:

        Scharia: Scharia-Richter als Paralleljustiz (einfach mal googeln)

         

        Schule: neuer Lehrplan in Baden-Württemberg für 2015

         

        Flüchtling: Der Begriff wird, insbesonder auch in der taz, völlig undiffernziert und inflationär verwendet.

        • 2G
          2097 (Profil gelöscht)
          @Ernst Tschernich:

          Der Kommentator Frederik Nyman hat es oben bereits korrekt erwähnt in seinem Kommentar, Ihre Hinweise sind daher völlig überflüssig und der Verweis auf die diskriminierende Kampagne gegen den Bildungsplan in Baden-Württemberg ebenso.

  • Der taz-Bericht über die diffuse Versammlung der AfD/Rechtspopulisten spricht für sich! Jetzt zum Hauptthema dieser zusammen gewürfelten Gruppierung! Die EU/Eurokritik: Die soziale Schieflage oder die hohe Jugendarbeitslosigkeit sowie politische Unfähigkeiten einzelner Regierungen im Verbund Europa kann doch nicht der Euro-Einheitswährung in die Schuhe geschoben werden! Es wurde doch nie behauptet, dass alles perfekt, gut oder nichts Verbesserungswürdig wäre in der EU. Aber zurück zur Kleinstaatlichkeit wie es die AfD/Populisten fordern, das ist bestimmt der schlechteste Weg!