Kommentar Abtreibungsverbot: Feldzug gegen Frauen
Das neue Gesetz gegen Schwangerschaftsabbruch in Alabama ist symptomatisch für den Frontalangriff auf Frauenrechte – nicht nur in den USA.
E s ist ein gnadenloses Gesetz, das der republikanisch dominierte Senat im US-Bundesstaat Alabama gerade verabschiedet hat: das nahezu totale Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen. ÄrztInnen drohen bis zu 99 Jahren Haft, sollten sie sich widersetzen. Und das Leben von Mädchen und Frauen wird als nachrangig klassifiziert. Denn es ist Fakt, dass Verbote von Abtreibungen nicht zu weniger Abtreibungen führen – sondern nur dazu, dass mehr Frauen dabei auf qualvolle Art und Weise sterben.
Alabamas Abtreibungsgesetz ist damit ein nächster, offensiver Schritt hin zum konzertierten Krieg gegen Frauenrechte, den die USA seit dem Amtsantritt eines offen misogynen Präsidenten führen. Allein in diesem Jahr gab es mehr als 20 neue Regeln und Gesetze, die den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen erschweren oder unmöglich machen. Organisationen, die Abbrüche anbieten, wurden 9 Milliarden US-Dollar finanzieller Unterstützung entzogen – weltweit. Und erst im April verhinderten die USA, dass in einer UN-Resolution zu Vergewaltigung als Kriegswaffe das Recht auf Abtreibung verankert wird.
Hinter diesen Verschärfungen steht die Lobby der fundamentalistisch-evangelikalen ChristInnen in den USA, die enge Verbindungen zum extremen Flügel der RepublikanerInnen eingegangen und damit institutionell fest verankert sind. Zum Kernstück dieser dort verfochtenen rechten Ideologie gehört die Kontrolle über Frauen. Frauen, deren Recht auf den eigenen Körper und damit auf ein selbstbestimmtes Leben beschnitten wird, sind leichter in die Schranken zu weisen. Sie werden Männern auch in anderer Hinsicht wie dem Beruf nicht mehr gefährlich. Und sie produzieren zuverlässig Nachwuchs.
Dabei sind die Gesetzesverschärfungen in den USA nicht so weit von Europa entfernt, wie es zunächst den Anschein haben mag: Auch hier greift mit dem Rechtsruck ein Backlash um sich, auch hier sind in Ländern wie Polen, Ungarn oder Italien die Rechte von Frauen und LGBTI massiv gefährdet. Und dass die US-amerikanische Rechte vor Europa weder ideologisch noch personell Halt macht, hat erst im März der klerikalfaschistische World Congress of Families in Verona gezeigt. Dessen in eben dieser US-amerikanischen Rechten beheimatete Führungsriege ist, wie sie kurz vor den Wahlen zum europäischen Parlament gezeigt hat, in nahezu allen rechten Parteien in Europa und bis ins EU-Parlament bestens vernetzt.
Immerhin: Auch die Gegenbewegung macht mobil. In Verona, einer Stadt mit historisch rechten Verbindungen, protestierten zehntausende gegen die Politik des Kongresses. Und in den USA ist das Entsetzen ob des Gesetzes ähnlich groß wie der Aufschrei dagegen. Kliniken aus anderen Bundesstaaten solidarisieren sich mit Frauen aus Alabama, in den sozialen Medien fordern Frauen einander auf, Gruppen zu bilden, um selbst zu lernen, Abtreibungen durchzuführen. Ob der Feldzug der RepublikanerInnen in den USA Erfolg haben wird, wird sich letztlich vor dem Obersten Gerichtshof zeigen. Nächstes Jahr wird der erbittert geführte Kampf um Frauenrechte erst einmal Wahlkampfthema werden. Die Fronten werden härter.
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