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Kommentar Abschiebung Frankreich„Lepenisierung“ statt Moral

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Hollande versucht in der Kontroverse um die Abschiebung des Roma-Mädchens die extreme Rechte zu bremsen. Das ist kurzsichtig und falsch.

Fällt der Strategie Hollandes zum Opfer: Leonarda Dibrani. Bild: reuters

G egen den Strom zu schwimmen ist nicht der Lieblingssport des französischen Staatspräsidenten François Hollande. Auch er hat die Umfrageergebnisse nach der Abschiebung der 15-jährigen Kosovarin Leonarda gelesen.

Moralische Skrupel überlässt er deshalb seiner Lebenspartnerin Valérie Trierweiler, die sagt, was die meisten französischen Sozialisten wegen der harten Immigrationspolitik von Manuel Valls nur noch heimlich denken: „Gewisse Grenzen dürfen nicht überschritten werden, und die Schule ist eine davon. Denn die Schule ist ein Ort der Integration, nicht der Ausgrenzung.“

Hollande beruft sich in der Kontroverse um die Abschiebung des Roma-Mädchens derweil auf die Legalität. Er gibt seinem populären Innenminister Valls recht. Denn er hat, wie derzeit auch die Medien, nur eines vor Augen: den scheinbar unaufhaltsamen Vormarsch der fremdenfeindlichen Rechten. Und in der Logik dieser Panik gibt jedes Zeichen von Schwäche dieser Entwicklung neue Nahrung.

Über Jahre hatte man dabei zugesehen, wie die auf Neid und Ausschluss beruhenden Ideen von Marine Le Pens Front National für immer mehr Leute „banal“ wurden. Die Argumente gegen den nationalistischen Fremdenhass haben sich abgenutzt, weite Teile der bürgerlichen Wähler betrachten die extreme Rechte mehr als Partner, denn als Gegner. In Frankreich sprechen die Politologen von einer „Lepenisierung“ in den Köpfen.

Wenn Hollande sich nun scheut, Bedenken zu äußern und sich mit einer in Ausländerfragen reaktionären Mehrheit anzulegen, ist das kläglich – und kontraproduktiv: Aus Furcht vor feindlichen Mehrheiten einer Konfrontation auszuweichen, bringt keinem Staatschef die Anerkennung skeptischer Bürger ein. Hollandes Vorbild, François Mitterrand, hätte so nie die Todesstrafe abgeschafft.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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4 Kommentare

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  • G
    gast

    wer macht denn die FN erst so groß?

     

    relativ einfache antwort: irgendwann führen linke realitätsverweigerung und arrogante gutmenschliche sprach- und denkverbote und besserwisserei auch bei den vormals wohlmeinenden zu abwehrreaktionen

     

    bei uns drückt sich das bislang zum glück nur in trittin abstrafung durch den wähler aus...

     

    sprechen sie mal mit normalen arbeitenden franzosen. die haben den hals bis oben hin voll wenn es um zuwanderung, banlieus usw. geht

     

    und da ist die fn nur die spitze des eisbergs, auch unter den wählern eher linker parteien gärt es, die nehmen den arbeitnehmerschutz gerne mit, haben mit den sonstigen inhalten aber wenig am hut

     

    wie immer gilt hier, dass veröffentlichte und tatsächliche öffentliche meinung ziemlich wenig deckungsgleich sind

  • LM
    Le monde

    Hier ein paar Bilder der von einer linken französischen zeitung unbedarft gezeigten menschenunwürdigen Behausung der am Leben bedrohten Asylsuchenden:

    http://www.lemonde.fr/europe/article/2013/10/20/leonarda-info-politique-et-telerealite_3499694_3214.html

  • Auch schon ein bisschen bekloppt zuerst zu schreiben das ein Totalauschluss den FN nicht kleingemacht hat, und dann das der Präsident genau das weitermachen soll.

    Eine gewisse Moderierung mit dem Zeitgeist ist das was man Demokratie nennt.

    Wären es linke Forderungen die populär sind und eine Rechte Regierung, dann würde in dem Artikel hier wohl von einer "undemokratischen ignorierung des Volkswillens" geschrieben werden. Nichts bläst die Partei eines Lagers mehr auf, als eine Regierung die deren populäre Forderungen ignoriert.

  • EF
    Einige Fakten

    Einige Fakten, die m.E. wichtig sind. Jeder möge sich dann selbst ein Bild machen:

     

    1. Dass beim Asylantrag falsche Angaben gemacht wurden, wird nicht einmal von der Familie bestritten.

    2. Dass keine Asylgründe vorliegen, wird nicht einmal von den Unterstützern bestritten.

    3. Abschiebungstermine werden in Frankreich zuvor den Betreffenden bekanntgegeben. Die Situation bei der Klassenfahrt wurde also einkalkuliert.

    4. Die Familie war fast 5 Jahre im Land, weil sie durch alle Instanzen gegangen ist. Ist ihr gutes Recht. Ergibt sich allein dadurch ein Bleiberecht für die gesamte Familie (das Mädchen dürfte ja inzwischen zurückkommen)? Sind Kurzverfahren besser?