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Kommentar AKW Hinkley PointLizenz zum Gelddrucken

Ralf Sotscheck
Kommentar von Ralf Sotscheck

Zwei Milliarden Pfund an Kreditgarantien gibt die britische Regierung Investoren beim Bau eines AKW. Eines überflüssigen AKW, versteht sich.

Kein neues Stonehenge: Hinkley Point C. Foto: Reuters

D ie britische Regierung liest der Atomindustrie jeden Wunsch von den Augen ab. Das muss sie auch, sonst würde niemand bei Verstand ein AKW bauen. So wurden Planungsverfahren, Umwelt-TÜV und Sicherheitsvorschriften vereinfacht, Risiken und Kosten auf den Steuerzahler abgewälzt.

Das neueste Entgegenkommen betrifft eine Kreditgarantie in Höhe von zwei Milliarden Pfund, die der britische Schatzkanzler George Osborne den chinesischen Investoren gegeben hat. Damit ist der Vertrag unterschriftsreif. Ist er erst mal unterzeichnet, gibt es kein Zurück mehr. Warum sollten die Betreiberfirmen auch aussteigen wollen? Der überaus großzügige Garantiepreis für Strom ist wie eine Lizenz zum Gelddrucken.

Und man muss sich nicht mal sonderlich viel Mühe geben. Anders als bei einem Fernseher etwa, bei dem der Hersteller die Funktionstüchtigkeit garantieren und für die Entsorgung nach Ablauf der Lebendauer sorgen muss, müssen sich die Baufirmen eines Atomkraftwerks nicht mit solch lästigen Vorschriften herumplagen.

Für die Müllbeseitigung und die Entsorgung nach Ablauf der Lebensdauer ist der Staat, also der Steuerzahler zuständig. Der springt auch ein, sollte etwas schief gehen.

Österreich Schaden zufügen

So kann man sich auf die Profitmaximierung konzentrieren, und das geht am besten durch Einsparungen beim Material. Das finnische AKW Olkiluoto hinkt Jahre hinter der geplanten Fertigstellung her, weil die Baufirma minderwertigen Beton, mangelhafte Schweißnähte und ein fehlerhaftes Sicherheitssystem abgeliefert hat.

Großbritannien wird jede Gelegenheit ergreifen, um Österreich in Zukunft zu verklagen oder zu schaden.

In Flamanville in der Normandie hat man in diesem Jahr einen potenziell katastrophalen Fehler entdeckt, weil die Druckkammer, die den Reaktor umhüllt, anfällig für Risse ist. Das Kühlsystem ist ebenfalls nicht in Ordnung. Und auch in China hinkt der Bau eines AKW wegen Sicherheitsproblemen erheblich hinterher.

Bei allen drei Modellen handelt es sich um den neuen „European Pressurized Reacor (EPR)“, und alle drei werden vom französischen Konzern EDF gebaut – ebenso wie Hinkley Point C. Gibt das der britischen Regierung etwa zu denken? Nicht im geringsten. Gegen den Rat von Experten, Umweltschützern, Analysten und der Stromindustrie hält man verbissen an dem Projekt fest. Die Minister planen sogar einen Rachefeldzug gegen Österreich, das bei der EU-Kommission Klage gegen die Subventionen von Hinkley Point eingereicht hat.

Aus einem durchgesickerten geheimen Memorandum geht hervor, dass „Großbritannien jede Gelegenheit ergreifen wird, um Österreich in Zukunft zu verklagen oder zu schaden“. Den größten Schaden würde man anrichten, indem man dem Land ein von EDF gebautes AKW schenkte.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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6 Kommentare

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  • Leider ist es nicht so einfach mit diesem Nuklearkraftwerk. Dass es Strom produziert, ist ein willkommener Nebeneffekt. In der amerikanischen Presse ist man in der Analyse weiter als bei der taz: Dieses Kraftwerk dient vor allem der Herstellung von spaltbarem Material fuer Nuklearwaffen! Nach dem Wegfall vieler AKW, v.a. Forschungsreaktoren, sind militaerische und sogar zivile (d.h. medizinische) Isotope sehr knapp geworden. Plutonium fuer moderne Nuklearwaffen laesst sich nicht leicht erzeugen und es muss gereinigt werden (WAA), um es einsetzen zu koennen. Das ist nicht nur dreckig, das dauert! Und alle Nuklearwaffen altern stark, die nuklearen Stoffe zerfallen halt und so nimmt ihre Konzentration ab. Bis hin zu unzuverlaessigen Atomwaffen, die vielleicht nur noch platzen, aber keine saubere Kettenreaktion mehr hinbekommen. Deshalb ist auch so viel Geld da: Die Not der Militaers, ihre Atomwaffen zu erneuern ist gross!

  • AREVA ist tot. Wie es besser (und billiger) geht, zeigen Russen und Chinesen.

     

    ROSATOM bietet Bau, Betrieb UND Rückbau aus einer Hand an (ein Rundum-Sorglos Paket) und hat damit bereits Aufträge für 30 KKWs bekommen.

    Hinkley ist Chinas Fuß in der europäischen Tür, die spekulieren natürlich auf die überfälligen Neubauten.

    Lesetip: http://www.world-nuclear-news.org/NP-Rosatom-plans-next-phase-of-nuclear-and-radiation-safety-21091501.html

  • Oder sind Politiker nur die Handelungsgehilfen der Wirtschaft/Industrie die nach Ausscheiden aus der Politik ihren Lohn erhalten?!!!!

  • Dazu passendes Zitat von Ursula Sladek (EWS Schönau) aus einem Interview:

     

    "Daneben ist der Bau des neuen Atomkraftwerks im britischen Hinkley Point ein Skandal, den man nicht einfach so hinnehmen kann. Über 35 Jahre garantiert die englische Regierung dem französischen Versorger EDF einen nahezu doppelten Stromabnahmepreis als marktüblich – sogar mit Inflationsausgleich! Die Atomenergie hatte 60 Jahre lang Zeit zu beweisen, dass sie sich wirtschaftlich lohnt und hat dies nicht geschafft."

     

    Das vollständige Interview gibt es in meinem Blog unter http://www.der-freigeber.de/energiewende-braucht-aktive-buerger/ - Das Zitat stammt von Seite 2.

  • Man muss halt vorsorgen, für die Anschlussverwendung!

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    Ist ja nicht garantiert, das man in der Politik lange an der Macht bleibt und da sind "gute Freunde" in der Indstrie sehr wichtig. Wenn man die wärend seiner Amtszeit richtig füttert, fällt danach auch mal ein "Brosamen" für einen selbst ab, wenn es vorbei ist. Das ist doch "Ganoven"Ehrensache! (die einzigen auf die man sich noch verlassen kann) Siehe dazu auch Gas-Gerd et all.

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    Brummt Sikasuu

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    Ps. Solche Dinge werden natürlich bei Ẃirtschaftlichkeitsberechnungen, Umẃeltverträglichkeitsprüfungen gar nicht berücksichtigt, deswegen ja auch diese negativen Gutachten. Auch Politiker muss man jahrzehntelang zum Abklingen "Zwischen-&Endlagern" siehe Pofalla, und Lagerkosten sind halt nicht überschaubar. Sonst könnte es passieren das die aus Hunger&Armut auf einmal aus dem Nähkästchen plaudern. die Umwelt mit Informationen kontaminieren....

    Da ist "sicherer Einschluss" in einen gutbezahlten Job wohl die bessere Lösung:-((

  • Ich dachte erst, bei dem Bauwerk auf dem Foto würde es sich um eine dieser idyllisch gelegenen Burgruinen handeln, die massenhaft rumstehen an britischen Küsten. Nun also ein Atomkraftwerk. Aber so richtig weit bin ich ja gar nicht abgekommen von jenem Weg, der gradlinig verläuft zwischen alten Burgruine und der neuer Technik. Beides verdankt seine Existenz uralten Unsitten.

     

    Der Unsitte zum Beispiel, über wildfremde Leute zu entscheiden. Für die Existenz der Burgruinen sind diverse Adlige verantwortlich. Die haben nicht nur über reichlich gestohlenes Geld verfügt, sondern auch über genügend Leibeigene, die sie zum Bau von Burgen (und zum anschließenden Kriegführen) einsetzen konnten. Und zwar ganz ohne Rücksicht auf deren sonstige Verpflichtungen. So hat man damals sei defektes Ego repariert.

     

    Heute repariert man sein defektes Ego ziemlich ähnlich. Man lässt nur keine Burgen mehr errichten von seinen Untertanen, sondern beispielsweise Kernkraftwerke. Ob die Untertanen das Geld, das ausgegeben wird, lieber woanders angelegt gesehen hätten, ist den noch lebenden Herrschern so egal wie den bereits verblichenen.

     

    Einen Unterschied allerdings gibt es. Musste früher, wer eine Burg bauen lassen wollte, die Investition mit der Bosheit des Feindes begründen, müssen Herrscher heutzutage nicht mal mehr die Ungefährlichkeit derjenigen behaupten, die den Anlass liefern für die Steuergeldverschwendung. Man wurde schließlich freiwillig gewählt. Da darf man auch ganz sinnlose Entscheidungen verfügen.

     

    Und überhaupt: Wir sind doch da in Großbritannien, nicht wahr? Da gilt es als Magie, wenn einer noch mehr Knete machen kann aus sehr viel Geld. Als weißer Magie natürlich. In sofern ist Hinkley Point C. wohl doch ein neues Stonehenge. Oder jedenfalls beinah.