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Kommentar 10 Jahre IslamkonferenzDie Erregungskurve ist gesunken

Kommentar von Philipp Gessler

Es ist still geworden um die Islamkonferenz. Die Zeit der großen Schwüre ist vorbei, heute sind die Mühen der Ebene wichtig. Eine gute Nachricht.

Die Teilnehmer der Islamkonferenz 2009, vorn in der Mitte: Merkel und Schäuble Foto: dpa

E rinnert sich noch jemand an die Deutsche Islamkonferenz? Vor zehn Jahren wurde sie erstmals einberufen. Und ja: Sie besteht noch immer. Aber es ist ziemlich still geworden um sie. Genau das ist die positive Nachricht. Lange Zeit verkämpfte sich die Islamkonferenz darin, von den muslimischen Verbänden und den einzelnen Personen in diesem Gremium immer und immer wieder ganz, ganz klare Distanzierungen vom dschihadistischen Terror zu verlangen – pathetische Schwüre auf das Grundgesetz und die friedlich-demokratische Grundordnung eingeschlossen.

Diese Forderungen hatten von Anfang an etwas Besessenes. Denn wie oft sollte die muslimische Seite noch betonen, dass sie es als unislamisch empfindet, im Namen Allahs Bomben in S-Bahnen explodieren oder Flugzeuge in Wolkenkratzer fliegen zu lassen? In den Anfangsjahren fungierte die Islamkonferenz allzu sehr als ein Placebo-Pillchen für eine verängstigte Öffentlichkeit.

Eine hilflose Reaktion auf eine Religion, die der Mehrheit einer empörten Bevölkerung fremd war – und leider noch ist. Es ist deshalb eine erfreuliche Entwicklung, dass die Erregungskurve um die Islamkonferenz merklich gesunken ist. Nun geht es nicht mehr um große Schwüre und noch größere Distanzierungen, sondern um die Mühen der Ebenen. Gott sei Dank!

Wie steht es um die Wohlfahrtspflege muslimischer Verbände? Wie kann eine Seelsorge etwa in Gefängnissen aussehen? Und wie wird das alles finanziert? Solche Themen eines muslimischen Alltags in der Bundesrepublik sind die eigentlich wichtigen Wegmarken eines gedeihlichen Zusammenlebens in einer multireligiösen Einwanderungsgesellschaft.

Die Deutsche Islamkonferenz ist dabei, das muslimische Leben hierzulande Schritt für Schritt zu gestalten. Dass sie dabei nicht mehr wöchentlich in den Schlagzeilen erscheint, ist eine große Chance. Es gibt schließlich noch viel zu tun. Und zwar mindestens noch weitere zehn Jahre.

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