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Kommentar 10 Jahre 9/11Viele Verlierer, wenige Gewinner

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Zum 10. Jahrestag von 9/11 bleibt festzuhalten: Bin Laden ist tot, der Kampf von al-Qaida ist gescheitert und auch die USA haben verloren.

V or fünf Jahren betitelte die taz ihre Sonderausgabe zum 5. Jahrestag der Anschläge des 11. September 2001 mit einem Foto Osama bin Ladens und der Zeile "Der Sieger". Es war das Jahr 2006, der Bürgerkrieg im Irak war auf seinem Höhepunkt, die Verluste der US-Truppen auch, die Lage in Afghanistan so verfahren wie heute, und der Islamismus schien in großen Teilen der arabischen Welt auf dem Vormarsch.

Heute, zum 10. Jahrestag, ist bin Laden tot, und nicht seine Organisation hat Regierungswechsel zustande gebracht, sondern zivile Bürgerbewegungen in Ägypten und Tunesien. Der Kampf von al-Qaida um die Vorherrschaft des arabischen Widerstands ist gescheitert.

Aber: Auch der "Krieg gegen den Terror", den die Regierung Bush wenige Tage nach den Anschlägen erklärte, ist verloren. Er war es von Beginn an. Terrorkampf gegen eine Supermacht kann nur darauf abzielen, dass sie sich selbst zerstört - und das hat die Bush-Regierung überzeugend geschafft.

Bild: taz
Bernd Pickert

ist Auslandsredakteur der taz.

Zehn Jahre lang haben die USA eine gigantische Umverteilung von Mitteln aus der Staatskasse in den militärisch-industriellen Komplex erlebt. Im großen Stil profitiert hat davon einzig die Rüstungs- und Sicherheitsindustrie - so ziemlich der einzige Wirtschaftszweig, der in den USA im vergangenen Jahrzehnt wirklich prosperiert hat.

Im gleichen Zeitraum ist eine notwendige Reform nach der anderen verschoben, nicht angegangen, abmoderiert worden. Die Vereinigten Staaten haben versäumt, sich zukunftsfähig zu halten, andere Global Players überholen im Eiltempo.

Al-Qaida kann das nicht geahnt haben. Und es wäre auch unsinnig zu behaupten, dass es nach den Anschlägen des 11. September zu dieser Entwicklung keine Alternative gegeben habe. Aber die Schockstarre im demokratischen politischen Diskurs in den USA nach 9/11 hat dafür gesorgt, dass eine verantwortungslose Regierung acht Jahre lang so weitermachen konnte.

Sie hinterließ ein tief gespaltenes Land, das annähernd unregierbar ist. Das hätten sich die Planer der Anschläge nicht besser wünschen können.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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4 Kommentare

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  • D
    drubi

    Ich kann nicht sehen, dass der Krieg gegen den Terror von Anfang an verloren war. Doch die Ziele waren nicht mehr überschaubar und beherrschbar mit Beginn des Irakkrieges: allein die Idee einen zweiten größeren militärischen Konflikt zu beginnen bevor der erste zu einer stabilisierten Situation geführt hatte, zeigte, dass Politiker nur in Kategorien reiner Kampfkraft dachten. Diese - eine rein technische Angelegenheit - war auch gar nicht das Problem. Rumsfeld hatte mehrmals auf anfrage behauptet auch einen Plan für die Zeit nach einem militärischen Sieg zu haben. Damit hat er m.E. gelogen und diese Lüge hat viele Leben gekostet und viele Mittel gebunden, mit denen erheblich bessere Arbeit gegen Terror hätte geleistet werden können.

  • C
    carn

    Also vor 5 Jahren lag man vollkommen daneben, aber jetzt ist das Ergebnis eindeutig, die USA sind kaputt?

     

    Lächerliche Analyse, wenn man vor 5 Jhren so daneben lag, dann kann man leicht wieder so danaben liegen. In 5 Jahren ist die EU vielleicht Pleite, China im Bürgerkrieg und die USA auf Wachstumskurs wegen neuer Zunwanderung. Oder auch nicht.

     

    Aber bei taz (und vielen andern) ist die Prognose immer, dass die USA den Bach runtergehen. Wetten, dass das schlaue Intelektuelle schon 1910 behauptet haben?

  • D
    daswois

    Der Irrsinn hat doch mit der Tatsache einzug gehalten, dass sich zwei Skulls&Bones-Mitglieder die Präsidentschaft unter sich ausgemacht haben.

  • S
    saalbert

    "Es war das Jahr 2006, der Bürgerkrieg im Irak war auf seinem Höhepunkt, die Verluste der US-Truppen auch..." - Die Verluste "war" auf dem Höhepunkt?

    "Heute, zum 10. Jahrestag, ist bin Laden tot, und nicht seine Organisation hat Regierungswechsel zustande gebracht, sondern zivile Bürgerbewegungen in Ägypten und Tunesien." Bürgerbewegungen "hat" zustande gebracht?

    So etwas nennt sich "falsche Ellipse".

    "Im großen Stil profitiert hat davon einzig die Rüstungs- und Sicherheitsindustrie..." - Ach, "Sicherheitsindustrie"? Das ist die, die für den Krieg im Inneren sorgt, oder?