Kommentar 10 Jahre 9/11: Viele Verlierer, wenige Gewinner

Zum 10. Jahrestag von 9/11 bleibt festzuhalten: Bin Laden ist tot, der Kampf von al-Qaida ist gescheitert und auch die USA haben verloren.

Vor fünf Jahren betitelte die taz ihre Sonderausgabe zum 5. Jahrestag der Anschläge des 11. September 2001 mit einem Foto Osama bin Ladens und der Zeile "Der Sieger". Es war das Jahr 2006, der Bürgerkrieg im Irak war auf seinem Höhepunkt, die Verluste der US-Truppen auch, die Lage in Afghanistan so verfahren wie heute, und der Islamismus schien in großen Teilen der arabischen Welt auf dem Vormarsch.

Heute, zum 10. Jahrestag, ist bin Laden tot, und nicht seine Organisation hat Regierungswechsel zustande gebracht, sondern zivile Bürgerbewegungen in Ägypten und Tunesien. Der Kampf von al-Qaida um die Vorherrschaft des arabischen Widerstands ist gescheitert.

Aber: Auch der "Krieg gegen den Terror", den die Regierung Bush wenige Tage nach den Anschlägen erklärte, ist verloren. Er war es von Beginn an. Terrorkampf gegen eine Supermacht kann nur darauf abzielen, dass sie sich selbst zerstört - und das hat die Bush-Regierung überzeugend geschafft.

Zehn Jahre lang haben die USA eine gigantische Umverteilung von Mitteln aus der Staatskasse in den militärisch-industriellen Komplex erlebt. Im großen Stil profitiert hat davon einzig die Rüstungs- und Sicherheitsindustrie - so ziemlich der einzige Wirtschaftszweig, der in den USA im vergangenen Jahrzehnt wirklich prosperiert hat.

Im gleichen Zeitraum ist eine notwendige Reform nach der anderen verschoben, nicht angegangen, abmoderiert worden. Die Vereinigten Staaten haben versäumt, sich zukunftsfähig zu halten, andere Global Players überholen im Eiltempo.

Al-Qaida kann das nicht geahnt haben. Und es wäre auch unsinnig zu behaupten, dass es nach den Anschlägen des 11. September zu dieser Entwicklung keine Alternative gegeben habe. Aber die Schockstarre im demokratischen politischen Diskurs in den USA nach 9/11 hat dafür gesorgt, dass eine verantwortungslose Regierung acht Jahre lang so weitermachen konnte.

Sie hinterließ ein tief gespaltenes Land, das annähernd unregierbar ist. Das hätten sich die Planer der Anschläge nicht besser wünschen können.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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