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Kolumne Zwischen MenschenIm unsortierten Teil des Lebens

Wenn man Gebrauchtes kauft, bekommt man eine Geschichte geschenkt. Diese hier führt über einen Keller zu einer Verzauberung.

Auf dem Weg nach unten: Keller erzählen viel über die dazugehörigen Menschen Foto: dpa

I ch folge einer Fremden in den Keller. Hinter uns fallen Eisentüren zu. Es ist dunkel. „Also, das Megafon“, sagt die Frau. „Das gehört meinem Sohn, aber ich verstecke es hier. Sein Vater hat es ihm gekauft. Einem Fünfjährigen ein Megafon schenken! Schönen Dank auch! Kannst dir ja vorstellen, was das für Lärm ist.“ Die Frau schließt eine Kellertür auf. „Da wären wir.“ Vor uns liegt einer dieser Kellerräume, den die Menschen nicht einrichten, sondern vollstopfen. Ich habe die Frau im Internet wegen ihres Kleinanzeigen-Inserats kontaktiert. Jetzt platze ich in den unsortierten Teil ihres Lebens.

Es heißt, dass der Keller das Unbewusste symbolisiere, dass sich in ihm die Seele eines Menschen spiegelt. Kartons, Spielsachen, Möbel, eine Matratze, stapeln sich hier. Die Frau beginnt zu suchen. Sie zerrt Kartons hervor, schaut in Tüten, steigt über Möbel. „Ja, wo ist es denn?“, murmelt sie. „Ich hatte es doch.“ Sie öffnet Schranktüren: „Es muss doch hier irgendwo sein.“ Ich stehe im Flur. Etwas hält mich davon ab, ihr genau zuzuschauen. Die Suche in ihrem Keller fühlt sich privat an. Und nur sie kennt ja die Ordnung ihres Chaos. „Das ist mir jetzt echt peinlich“, sagt sie. Dann läuft sie hinaus zum Treppenaufgang.

„Schaatz“, ruft sie hinauf. „Weißt Du, wo das Megafon ist?“

„Da kommen welche wegen der Matratze“, tönt eine Männerstimme von oben. „Ach so, die Matratze. Das auch noch“, sagt die Frau. „Aber das Megafon, ist das in der Wohnung?“ „Das ist im Auto“, ruft der Mann. „Und wo ist das Auto?“ „Bleib du mal da. Ich komme!“

Bild: privat
Christa Pfafferott

ist Autorin und Dokumentarfilmerin. Sie hat über Machtverhältnisse in einer forensischen Psychiatrie promoviert. Als Autorin beschäftigt sie sich vor allem damit, Unbemerktes mit Worten sichtbar zu machen.

Wir laufen die Treppe hinauf, eine andere Frau kommt uns im Treppenhaus entgegen:

Die Suche in ihrem Keller fühlt sich privat an. Nur sie kennt ja die Ordnung ihres Chaos

„Die Matratze“, fragt sie. „Kann man die eigentlich rollen? Unser Auto ist klein.“

„Ihr habt Vorstellungen“, sagt die Frau und verschwindet dann mit ihr im Keller. Ihr Mann kommt mir entgegen: „Ich habe zwei Fünfjährige in der Wohnung“, sagt er: „Haben gerade Knete gegessen.“ Er grinst und läuft mit mir in die Tiefgarage. Ich spüre, wie die Zeit verrinnt, und fühle gleichzeitig etwas Echtes, Belebendes, so mittendrin im Lebensabenteuer dieser Familie: das Geschenk der Geschichte, das man bekommt, wenn man Gebrauchtes kauft.

Im Kofferraum liegt das Megafon: weiß, rot, glänzend. Der Mann schaltet es an und hält es mir hin: „Sprechen sie rein“, sagt er. „Hallo“, sage ich. Meine Stimme hallt durch die Tiefgarage, sonst verstärkt sich nichts. „Sie müssen richtig reinsprechen“, sagt der Mann. „So: Hal-lo!“ Nichts passiert. „Hm, das muss doch gehen.“ Er drückt an den Knöpfen herum: „Vielleicht liegt es an den Batterien. Komm, wir suchen mal welche in der Wohnung.“

Der Sohn schaut mich böse an

Wir gehen hinauf, im Treppenhaus stemmt die Frau gerade mit der Käuferin die Matratze aus dem Keller. In der Wohnung toben zwei kleine Jungs herum. „Besser, wenn der Junge nicht das Megafon sieht“, sagt der Mann. „Wenn er merkt, dass wir sein Spielzeug verkaufen, ist die Hölle los.“ Er sucht nach Batterien und legt sie dann ins Megafon: „Hallo!“ Seine Stimme klingt plötzlich laut und metallisch durch die Wohnung. Sofort kommen die Jungen angelaufen: „Von wem ist das?“ „Das gehört der Frau“, sagt der Mann und zeigt auf mich. Sein Sohn schaut mich böse an. „Du darfst jetzt noch ein letztes Mal hineinsprechen“, sagt der Vater feierlich. Er hält ihm das Megafon vor den Mund. „Hallo“, sagt der Junge. Dann rennt er wieder davon.

„Von den neuen Batterien lasse ich Ihnen eine drin“, sagt der Mann und holt die restlichen wieder für sich hinaus. Ich gebe ihm das Geld, ich handle nicht mehr den Preis, ich überlege nicht mehr, ob ich das Megafon nehmen soll. Ich habe das Gefühl, wir beide haben uns den Abschluss dieses Geschäfts jetzt verdient.

Am Abend klingelt mein Telefon. Die Frau aus dem Keller ist dran. Sie scheint noch etwas ordnen, etwas klären zu wollen. „Ich wollte mich für das Durcheinander eben entschuldigen“, sagt sie. „Du musst ja denken, dass wir nicht mehr alle Tassen im Schrank haben.“ Und dann sagt sie den Satz, mit dem sie ab jetzt das Megafon verzaubert. „Viel Glück für alles, was du damit vorhast.“

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