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Kolumne ZumutungMit Blut unterschreiben

Anja Maier
Kolumne
von Anja Maier

Von der qualvollen und erniedrigenden Suche nach einer Wohnung in München. Und der Mangelwirtschaft großer Uni-Städte in Deutschland.

Besonders schlimm: Der Wohnungsmarkt im München-Haidhausen Bild: dpa

Hallo hübsche:)“, schreibt der Vormieter, „die wohnung hat knapp 42qm, Balkon, EBK, relativ neu renoviert. und kostet so rund 540,- EUR kalt. ist in Giesing. Wenn du lust hast zur Abschieds-Porno-Party zu kommen, würde mich freuen wird wieder ziemlich sexy und heiss werden. lg.“

Mal abgesehen von der frei flottierenden Rechtschreib-Auffassung dieses Typen, reiht sich seine Facebook-Nachricht an meine Tochter ein in eine unendliche Kette von Zumutungen. Was will sie schon? Eine Bleibe in München, einen Platz zum Wohnen, solange sie dort studiert. Ein paar Quadratmeter, nach denen sie seit Monaten ergebnislos sucht.

Doch nach wie vor geht es immer nur um das Ob. Als gäbe es kein Wie. Denn wie bitte schön soll sie – vorausgesetzt, es erweist ihr jemand die Gunst eines Mietverhältnisses – eigentlich die in der zweifellos schönen Landeshauptstadt Bayerns absurden Preise zahlen?

Ganz klar, ich muss die zahlen. Und nicht nur das. Zuvor erteile ich völlig Fremden detailliert Auskunft über meine Einkommensverhältnisse. Ich habe mir deshalb brav ein Schufa-Konto eingerichtet. Ich sage zu, in einen möglicherweise zustande kommenden Mietvertrag „mit einzusteigen“. Ich kopiere meinen deutschen Pass.

Ich erkläre schriftlich, in den zurückliegenden Jahren weder gekündigt zu haben noch gekündigt worden zu sein. Ich sage Maklercourtagen zu und bringe Freude darüber zum Ausdruck, für irgendwelche abgeranzten Schrottmöbel „Abstand“ zu zahlen. Es fehlt nicht viel, und ich bringe ein amtsärztliches Attest bei.

Nach Pappauto sehnen

In der größten DDR der Welt, in der ich aufgewachsen bin, nannte man das, was sich dieser Tage in deutschen Unistädten abspielt, Mangelwirtschaft. Die gab es damals nicht nur bei Wohnungen, sondern auch bei Schlagbohrmaschinen, Kacheln oder Pkw der Marke Trabant. Ich habe mich dem stets verweigert, denn ich fand es würdelos, mich nach einem Pappauto zu sehnen oder Gefühle für ein Werkzeug zu entwickeln. Es ging auch ohne.

Fast ein Vierteljahrhundert musste ich älter werden, um die Zumutungen des „Mietmarktes“ kennen zu lernen, eines „engen“ zumal. Jetzt mache ich mich krumm, biedere mich an und heuchele Zustimmung zu Verhältnissen, die ich verachte. Ich schäme mich für mein taz-Gehalt.

Ich erwäge, Bestechung zu zahlen oder diskret einen Auszug meines Sparkontos an Wildfremde zu mailen. Und zwar weil sie Wohnraum vermieten und sich alles erlauben dürfen. Ich frage mich, wie es Studenten ergeht, deren Eltern Hartz IV beziehen, oder die ausländisch aussehen. Oder Kinder haben.

Obwohl, ein Kind hat meine Tochter ja. Im Selbstverständnis des Münchner Wohnungsmarktes stellt dieses zauberhafte Kleinteil plötzlich einen schwerwiegenden Makel dar. „An Familien vermietet der Eigentümer grundsätzlich nicht“, musste sich meine Tochter von Maklern sagen lassen. Als wäre das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht seit sieben Jahren in Kraft.

Schon überlegt sie, das Kind einfach zu verschweigen und es erst nach dem Einzug wie zufällig aus einem Umzugskarton zu ziehen. „Huch, ein kleines Mädchen, was macht das denn hier“, könnte sie ausrufen und ihrer Tochter rasch den Mund zuhalten, wenn die „Mama“ zu ihr sagen will. Und zum Dank dafür, dass der Vermieter nicht die GSG-9 ruft, würde sie die doppelte Miete zahlen. Und ich würde das mit meinem Blut unterschreiben. Ist das ein Angebot?

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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29 Kommentare

 / 
  • Außerdem wird die Lage dadurch verschärft, dass Leute ihre Wohnung nicht mehr räumen, obwohl sie es könnten (bestes Beispiel der Multimillionär Thierse).

    • @Claudia Cometh:

      Warum sollte Thierse seine Wohnung, die er seit 27 Jahren bewohnt, räumen? Geht's noch?

  • K
    KM

    Mietpreise München

     

    Appartm. 28 qm 760 kalt

     

    52 qm 1.400 kalt

     

    27 qm 330 kalt

     

    30 qm 550 kalt

     

    37 qm 1050 kalt

     

     

     

    keine Luxuswohnungen nur in der Stadt mit Herz. Herz für guten Verdienst der Makler, der Vermieter, Staatseinnahmen ?

     

     

     

    Wie sagte Minister Ramsauer beim Verbandstag Haus und Grund , er habe alle getan für die richtigen Wegweisungen, die Haus und Grund seien seine pol. Berater, seine Treiber und wichtigen Gesprächspartner.

     

     

     

    Soll das bedeuten es gibt zu all den anderen Lobbyisten auch die Lobbyisten der Hausbesitzer ???

  • A
    abc

    Mal was zum Weinen:TU Desden, 1980 Zwei-Mann-Zimmer Hochhaus-Neubau für 20 Mark alles inklusive plus Bettwäsche

  • München erstickt halt an seiner Attraktivität. Seit Jahrzehnten will fast jeder Preuße unbedingt nach München, auch wenn er es nicht zugibt. Das hat durchaus positive Seiten (wir echten Münchner haben was zu lachen, wenn so jemand in "Tracht" herumläuft), aber die Mietsituation ist katastrophal.

     

    Vielleicht sollten wir einfach mal auf irgendeinem Gebiet weniger perfekt werden. Nur wo? Vielleicht tut sich ja was, wenn die Schwarzen mal wieder eine Chance bekommen, in München zu versagen. Das letzte Experiment (mit Korrupti-Kiesl) hat ja nicht nur die Münchner CSU in einen jahrzehntelangen todesähnlichen Schlaf fallen lassen, vielmehr mußten die folgenden rot-grünen Stadtregierungen noch jahrelang mit den schlimmen Folgen fertig werden.

     

    Also: Wählt schwarz, dann sinkt Münchens Attraktivität und mit ihr die Mieten ;-)

    • @Yves Yaltenbrucker:

      Sie können eigentlich nur die Landtagswahl am 15.September in Bayern hier meinen.

       

       

       

      Leider haben viele Leute den Unterschied von Landtagswahlen und Bundestagswahlen noch nicht begriffen.

      • @Rainer B.:

        Das ist natürlich ein Irrtum, Rainer. Ich meine selbstverständlich die Kommunalwahl im März 2014. Korrupti-Kiesl war mal OB, auch wenn es im Rückblick unfassbar erscheint...

        • @Yves Yaltenbrucker:

          Na, dann ist das ja geklärt!

  • C
    claudi

    warum redet man nur von Studenten, was ist mit den Rentnern,die finden auch keine bezahlbaren Wohnungen.

  • S
    Steven

    Sorry, so ganz kann ich dem nicht zustimmen. Wir, eine Hausverwaltung in München, haben Leerstand. Top sanierte Wohnungen 10,75 Euro pro qm. Man muß eben 6 Stationen mit dem Bus, bis zur nächsten U-Bahnstation fahren und die Häuser sind aus den 60igern. Wenn man in Schwabing, am Gärtnerplatz oder in Haidhausen sucht, was soll da anderes rauskommen. Ich glaube, unsere Studenten haben ein Luxus-Problem.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Kann sehr gut nachvollziehen, was die Autorin meint. Aber neu ist das ganze nicht. Als wir in den 80er Jahren nach einer Studentenbude suchten, mussten wir uns auch allerlei Fragen gefallen lassen: etwa zum Beruf der Eltern pder ob und wann wir zu heiraten gedächten.

     

     

     

    Schließlich erhielten wir bei einer "Dame" den Zuschlag, die uns bei der Fahrt zum Objekt zu verstehen gab, dies sei ein ordentliches Haus, in dem es weder Ausländer noch Kinder gäbe.

     

     

     

    Ich ärgere mich heute noch darüber, dass ich nicht den Mut hatte, beim nächstmöglichen Halt unter Protest auszusteigen. Den einzigen Trost, den ich diesbezüglich habe: wir haben diesem Haus beides beschert: ausländische Mitbewohner und drei Kinder!

  • O
    Optimist

    Ich habe von 2007 bis 2009 in München meine Ausbildung gemacht und muss doch sagen, dass der/die Journalist/in übertreibt!

     

    Innerhalb dieser Zeit habe ich in 3 WGs gewohnt und hatte auch immer innerhalb von 3-4 Wochen nach meiner Suche eine neue WG gefunden.

     

    Das günstigste Angebot waren mit 11qm 280€ warm inkl. Telefon und Internet.

     

    Wie die Autorin es hinbekommt nichts zu finden ist mir ein Rätsel.

     

    Übrigens: Man muss auch bereit sein Kompromisse einzugehen. Am Marienplatz hätte es mit den knapp 3oo€ nicht geklappt - dafür bin ich nach Trudering gezogen, in eine tolle WG mit netten Mitbewohnern und einem super Vermieter!

  • D
    Drehzehweh

    Das ist ja direkt preiswert. Zahle in Berlin mehr. (Nein kein hippes Viertel, nein nicht Mitte, nein keine DG-, Atelier-,Loft-, blablabla-Wohnung.) Die Masznahmen um an eine Wohnung zu kommen sind ziemlich identisch. Aber dafür hat man hier den Vorteil noch mit 50-70 weiteren Leuten gleichzeitig die Wohnung besichtigen zu dürfen. Immer wieder erfrischend. Ne Mangel gibt es nicht in der freien Marktwirtschaft - nur ungleiche Chancen. Entweder Du kaufst/mietest in der Groszstadt fuer viel Geld und hast tendenziell gute Verdienstmöglichkeiten oder Du gehst dahin wo es preiswert ist und akzeptierst mindestens ein Viertel weniger Gehalt. Arm zu Arm und "Reich" zu "Reich". Muss ja allet seine Ordnung.

  • P
    Peterchen

    @ eric

     

    als jemand der gerade in amsterdam ein Zimmer für das Erasmusjahr sucht: Die Niederländer sind noch viel schlimmer.

     

     

     

    Wer nach München zieht ist selbst schuld, aber grundsätzlich stimme ich zu, der Wohnungsmarkt ist offenkundig nicht mehr in der Lage sich selbst zu regulieren

    • @Peterchen:

      genau so isses. Und dann sind die Haeuser auch noch billigst renovierte Sch***buden

  • H
    HD-Studentin

    Ähnlich sieht die Mietlage in Heidelberg aus, wo ich studiere. Dort eine bezahlbare (!) Wohnung zu finden, die nicht meilenweit von der Uni entfernt und in angemessenem Zustand ist, zu finden, geht nur mit Glück, viel Zeit oder aber Vitamin B. Leider finden wegen der Wohnungsnot auch noch die letzten Gammelbuden für horrende Preise einen Mieter - und so lange nutzen die Vermieter das auch aus.

  • O
    Otto

    Komisch, bei meinem Freund und seiner Freundin hat es in München blitzschnell geklappt.

     

     

     

     

     

    Vielleicht liegt's an den "meine Mami zahlt's dann"-Auftritten? Oder es muss halt im Zentrum und schick sein? Klingt alles sehr ausgedacht.

  • G
    gast

    Ich suche gerade nach einer Wohnung in Paris- von 42m² für 540 kann ich nur träumen^^

  • AU
    Andreas Urstadt

    Schimpft man erst, wenn das eigene Kind die Erfahrungen macht, ist die Entruestung nicht organisch, das Interesse an der Gemeinschaft vorher partikular gewesen.

     

     

     

    Muenchen ist seit fast 25 Jahren rot-gruen mit einer Wahnsinnsmietentwicklung und einer Wahnsinnswenigwohnungsbaurate. Das liegt daran, dass es keine taz sued gibt. Mal drueber nachdenken.

  • Vorausgesetzt es war wirklich alles so, ist das eine Riesensauerei.

     

    Ich denke nicht, dass man sich sowas bieten lassen muss.

     

     

     

    Aus meiner Erfahrung in Hamburg kann ich sagen, man sollte auf keinen Fall persönliche Daten aus der Hand geben, bevor man sich über die Mietsache einig ist. Auffällig ist, dass gerade die Vermieter, die mit zahlreichen Mietprozessen gerichtsanhängig sind, ungewöhnlich viele Daten von Mietinteressenten verlangen. Vielfach ist die Vermietung zweitrangig und man will einfach nur Marken setzen und Grenzen abchecken.

     

     

     

    Und überhaupt - warum in einem Provinzkaff wie München studieren? War dort mal auf einer Tagung, die bis 16 Uhr ging. Danach wollte das Deutsche Museum besuchen. Die machen aber schon um 17 Uhr dicht. Als ich mit der Strassenbahn ankam, war schon geschlossen. Eben Provinz!

  • S
    Stud.aus.Dssldrf

    Aus eigener Erfahrung:

     

    Wenn die Mutter "Geringverdienerin" ist und der Vater sich verweigert Kontakt aufzunehmen hat man die gleiche Chance 'ne Wohnung zu finden, wie eine vergammelte Bratwurst…

     

     

     

    Da nützt auch klagen nichts, denn wo keine Wohnung, ist auch keine Klage.

  • EB
    Eric Blair

    Vielleicht sollten wir es, um eine Bleibe zu finden, wie die Holländer machen. Anstatt horrende Mieten an Miethaie zu zahlen kaufen wir uns einen Caravan oder Wohnmobil den wir dann inmitten des Opern- oder vor den Hauptbahnöfen deutscher Städte parken. Spass beiseite, der Mietmarkt in Deutschland hat sich extrem zum negativen entwickelt und beflügelt meine Auswanderungspläne zurück nach Irland zu kehren.

    • @Eric Blair:

      ;) Holland-Mieten sind hoch viel höher.

       

      Da hat scho ein Kaff wie Haarlem die gleichen Preise wie die Muenchner Innenstadt

  • H
    Haneu

    Halle(Saale), 70m², sanierter Altbau, Innenstadt, 3 Zimmer, 380€ warm.

     

    Wieso in München studieren?

  • D
    Durkheim

    Ich habe die Zusage für ein Masterprogramm in München bekommen.Leider wohne ich 500 km entfernt und kann nicht mal eben für ein Bewerbungsgespräch in einer Wg vorbeikommen.Zudem wusste ich ja wie teuer es ist,aber wenn man nicht so viel Geld hat,dann wohnt man wahrscheinlich in einer Abstellkammer ohne Fenster.Es gibt wirklich Leute,die ihre Kellerräume vermieten.Und das nicht grade günstig.Das Studentenwohnheim hat eine Wartezeit von 1-4 Semestern.Wozu hat man die denn dann?Freue mich schon auf die Zusage von Wohnheim,wenn ich mit meinem Studium fertig bin.Traurig.

    • D
      Dora
      @Durkheim:

      Ich verstehe nicht, wieso pendeln keine Option ist. Wieso muss man denn in München wohnen? Kurz vor München ist doch auch lebbar. Zum Beispiel in Dachau, Fürstenfeldbruck oder in einem der anderen Vororte. Das ist dann bezahlbar und mit der Bahn ist man schnell in der Stadt.

  • 7G
    786 (Profil gelöscht)

    Wo kein Kläger da kein Richter. Kind verschweigen, und Vermieter anschließend mit Klage drohen, ist doch auch okay.

    • G
      Gast
      @786 (Profil gelöscht):

      @Bachsau:

       

      eigentlich eine gute Idee von Dir, aber leider sitzt dann der Vermieter am längeren Hebel, von wegen uneidlicher Falschaussage.

       

      Das funktioniert nur, wenn der Vermieter im Vorfeld nicht nach dem Kind fragt.