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Kolumne WutbürgerinPsst! Lust braucht Stille

Kolumne
von Isabel Lott

Alle sagen, dass man doch bitte über Sexualität sprechen soll. Ich sage: Einfach mal die Klappe halten führt zu besseren Ergebnissen.

Bitte keine Texte! Danke ... Bild: dpa

W ollte mich der Mann an meiner Seite aus dem Haus treiben, müsste er mir nur mit dem Satz kommen, „wir müssen über unsere Beziehung reden“. Wer sich darauf einlässt, hat schon verloren.

Denn durch solche Gespräche werden Probleme produziert, die es vorher nicht gab. Tapfere Teilnehmer dieser Veranstaltung, bei der ganz offen über alles geredet wird, nennen das Beziehungsarbeit. In der Mehrzahl der Fälle, so jedenfalls meine Erfahrung, enden die offenherzigen Beziehungsarbeiter als Singles.

Genauso kontraproduktiv ist die Forderung, wir müssten unbedingt lernen, ohne jegliche Scheu über unsere Lust zu sprechen. Dadurch kämen wir nämlich in den Sexhimmel und dort würde es ganz besonders toll, wenn wir bereit seien, jegliche Intimität ans Licht zu zerren. Wer sich dem verweigere, sei entweder verklemmt oder habe seinen Restkatholizismus nicht im Griff. Dass jedoch niemand weniger Sex hat als die Verbalerotiker unter uns, gehört eigentlich zur Allgemeinbildung.

taz am Wochenende

Worauf haben Frauen Lust? Zum Internationalen Frauentag liefert die taz Erfahrungen und Argumente, die eines belegen: Sex ist politisch taz.am wochenende vom 8./9. März 2014 . Außerdem eine Reflexion über Sibylle Lewitscharoff - eine Schriftstellerin auf dem Kreuzzug gegen die moderne Gesellschaft. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Im Privaten habe ich noch die Möglichkeit, mich diesen lustfeindlichen Zumutungen zu entziehen. Aber nur bedingt. Die Ansage, einfach mal die Klappe halten, interessiert außerhalb meiner Wohnung niemanden.

Im Gegenteil, obwohl wir durch Werbung, Filme und das Internet ständig mit dem Thema Sexualität belästigt werden, reißt die Diskussion, wir sollten endlich darüber sprechen, nicht ab. Zusätzlich fordert der öffentliche Diskurs unbarmherzig Tabubrüche, in Wort und Bild. Die sollen nämlich das Tor zu Selbstbefreiung und ewiger Wollust sein.

Ich wage das allerdings zu bezweifeln, wenn ich mir die diversen Umfragen zum Thema Lustlosigkeit in deutschen Betten anschaue. Inzwischen bin ich davon überzeugt, dass in niedersächsischen Dörfern mit seinen maulfaulen Bewohnern in puncto Sexualität mehr abgeht als Samstagnacht im Berghain in Berlin.

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17 Kommentare

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  • TA
    Traum A.

    Als "alter" Niedersachse sage ich da mal nix zu.

  • PT
    Prima T.

    Lauter Opakalyptiker hier.

  • LOL . Einfach toll . Das mußte doch endlich auch mal gesagt werden !

  • Danke für dieses Statement!Mir geht dieses allgegenwärtige leidige Thema derart auf den Sack(hihihi).

    Gerade hier ist es höchste Zeit endlich zu erkennen:Weniger ist mehr.

  • Läßt sich dieses Modell auch auf die Demokratie übertragen. Dann her damit!

  • P
    Pan

    Selten habe ich eine deutsche Entsprechung des englischen "to be in denial" so sehr vermisst wie bei diesem Artikel. Ist doch alles gut, ich hab kein Problem, also was soll es, was ihr macht bringt doch auch nichts - ist einfach viel zu lang.

  • E
    endlich!

    Danke Frau Lott. Damit ist alles gesagt...

  • S
    Stinko

    Bravo, Danke!

  • S
    Sexbombe

    Der letzte Satz ist einfach das Sahnehäubchen auf dem Zuckerguß - Danke dafür!

  • E
    ExPsyche

    Es gibt aus den USA repräsentative Umfragen die zu anderen Ergebnissen kommen. Paare die über Ihre Sexualität offen und häufiger miteinander sprechen haben besseren Sex und bleiben länger zusammen.

    Dies entspricht auch meiner beruflichen Erfahrung als Paartherapeut.

  • L
    Lena

    Es kommt immer auf die Art des Redens an.

    Derzeit führe ich wohl meine angenehmste Beziehung und wir reden wirklich über alles. Wir können sogar die Handys tauschen, ohne ein dummes Gefühl haben zu müssen.

     

    Es tut gut, alles sagen zu dürfen.

    Und es macht gar nichts kaputt.

     

    Kaputtreden geht auch nur, wenn's eh kaputt ist.

    Wir müssen reden - das muss ja auch seinen Grund haben, so 'ne Aussage. Kenne die nur, wenn eh schon alles zerbricht...

     

    Und ob dadurch mehr oder weniger im Bett abgeht, ist doch total egal. Es gefällt dann nur wirklich beiden ;)

  • M
    milla

    Und was ist bitte so schlimm daran als Single zu "enden"...soll uns das jetzt sagen, lieber Klappe halten aber dafür in einer Beziehung sein, weil alles andere ja nicht lebenswert sein kann? Lieber schlechten Sex als keinen Sex haben?

  • F
    Filterguy

    Gibt es eigentlich auf dieser Seite eine Art Filter fuer Beitraege bestimmter Autoren?

  • KK
    Karl K

    korrekt -

     

    aber was ein passendes Foto

    - selten so gelacht:-)))

     

    wie wärs mal mit dem

    Tier mit den zwei Rücken!¿

  • G
    gastname

    ich sage, sich das rauspicken, was interessant ist und dem eigenem verstand und gefühlen vertrauen. dann klappt fast alles. man kann auch mal müll lesen, man muß nur damit für sich selbst richtig umgehen...

  • I
    ich

    ist den sexualität und liebe nicht ein privates interesse? jeder sollte für sich selbst ausmachen wie er damit umgeht, die einen mögen es so und die anderen so. all dieses vorschreiben und die meinungen der sogenannten experten zählen nicht, wenn man es nicht für richtig empfindet. jeder mensch sollte einfach in sich hineinhören und zuhören was er will. wenn man es dann noch schafft nicht irgendeinem ideal nachzustreben und sich selbst zu akzeptieren also man selbst zu sein und nach seinen wünschen zu leben ist doch alles io.

  • T
    tara

    Hm, also reden ist schlecht für guten Sex?

    Da habe ich genau gegenteilige Erfahrungen gemacht. Guter Sex ergibt sich vor allem dann, wenn man über seine Wünsche und Bedürfnisse reden kann, vorher oder dabei kommunizieren kann was man oder frau mag und sich auf den anderen einlässt und wissen will, was ihn oder sie anmacht. Die romatische Disnevorstellung, dass da irgendwann wer daherkommt, der von ganz alleine jedes erotische Knöpfchen findet, mag nett sein, kommt bestimmt auch ab und an vor, ist aber keinesfalls die Regel, auf die man sich verlassen kann.