piwik no script img

Kolumne WutbürgerDüdel-dü-di, düdeldüdidü

Kolumne
von Isabel Lott

Die Telefonie im öffentlichen Raum ruft nach Notwehrmaßnahmen. Nach drastischen Notwehrmaßnahmen. Und ich antworte.

Nicht jeder ist neugierig auf mobile Telefongespräche. Bild: dpa

M anchmal träume ich davon, das Handy wäre nie erfunden worden. Dieses Gerät und seine Nutzer haben sich inzwischen zu einer echten Plage entwickelt. Es gibt keinen Ort mehr, nicht einmal das Kino, an dem die Leute nicht in ihr Handy quatschen.

Obwohl es die Mehrzahl aller von mir Befragten als störend empfindet, schreiten die wenigsten ein. Diese Duldsamkeit geht mir ab, daher bilde ich eine individuelle kämpferische Einheit.

Ich habe verschiedene Strategien entwickelt, um die „Ins-Handy-Schreier“ zu stoppen. Den gestressten Jungunternehmer, der glaubt, seine Anweisungen ans Personal in der Straßenbahn geben zu müssen, frage ich voller Mitleid, warum er sich kein Büro leisten könne. Der legt dann meistens ziemlich hastig auf, denn so will er auf keinen Fall wirken.

Bild: Wolfgang Borrs
Isabel Lott

Jahrgang 1962, ist seit 2003 Fotoredakteurin der taz. Mit ihren KollegInnen aus der Fotoredaktion ist sie für die Bebilderung der Zeitung verantwortlich. Am Layouttisch prallen dann Wunsch und Wirklichkeit aufeinander. Als gute Wutbürgerin hat sie das Wort „bisschen“ aus ihrem Wortschatz gestrichen.

Manche Unterhaltungen unterbreche ich auch gern und frage, ob sie das Problem mit ihrer Einkommensteuer wiederholen könnten, das hätte ich jetzt nicht richtig kapiert. Gut funktioniert auch die Frage, ob sie das Gespräch auf laut stellen könnten, damit ich hören kann, was die Gegenseite dazu meint. Danach ist meistens Ruhe.

Eine Methode, von der ich gehört habe, soll absolut effizient sein. Einfach „Komm ins Bett, Schatz, mir ist kalt“ in das fremde Handy zu rufen. So weit bin ich aber noch nicht. Ich muss auch zugeben, dass ich Kampfhundbesitzer und solche Mitbürger, die ausstrahlen, Konflikte vorwiegend nonverbal zu lösen, aus Feigheit ignoriere.

Trotzdem bin ich weit davon entfernt, mich zu ergeben, obwohl der aktuelle TV-Spot eines Mobilfunkanbieters doch ziemlich ernüchternd ist. Der Film zeigt tanzende junge Menschen, dann klingelt das Smartphone einer jungen Frau, die natürlich sofort rangeht und beteuert, der Anrufer störe nicht. Sie verlässt die Tanzfläche und dreht dem DJ ganz cool die Musik ab. Die Stimme im Off säuselt: „Fühl dich wie zu Hause“. Und zu Hause ist, wo dein Smartphone klingelt.

In meinem Spot würde der DJ ihr das Teil abnehmen und in die Tonne treten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Lieber Frau Lott,

     

    Des Öfteren schon verfolgte ich ihre Beiträge, mit dem Fazit: Sie sträuben sich gegen den Fortschritt.

     

    Mal beschweren sie sich über junge Menschen die draußen Grillen, ihren Spaß haben und sich jugendhaft und lebhaft verhalten, mal beschweren sie sich über Handys und deren negativen Nutzen.

     

    Ein kleiner Rat von mir: Leben sie doch in einer Höhle wie ein Steinzeitmensch.

  • E
    Eleonore

    Das störende am Telefon ist das konstante einseitige Lamentieren unrelevanter Teildialoge. Während man beim trivialen realen Gespräch zweier Personen wenigstens noch über die Dummheit des gleichen aufgrund der Nachverfolgung schmunzeln kann, erschliesst sich diese beim Telefonat nur einseitig.

     

    Ganz deutlich plädiere ich für ein Telefonabteil wie im ÖV in Japan. In einem Wagen/ Abteil darf telefoniert werden, im Rest des Zuges nicht. Da können sich dann die peinlichen kleingeistigen Afmerksamkeitssuchenden gegenseitig belästigen.

  • H
    highks

    Jetzt mal ganz ehrlich - empfinden sie es auch als lästig, wenn Menschen sich einfach so unterhalten, also ohne Telefon? Das kommt nämlich in der Realität viel häufiger vor, und ist meist sogar lauter, weil zwei- oder mehrstimmig.

     

     

     

    Weshalb ein Gespräch am Telefon daher stets als unverschämt und störend empfunden wird? Ist es die unglaubliche Technik- und Fortschrittsfeindlichkeit der Deutschen? Diese Technikfeindlichkeit macht sich auch immer dann bemerkbar, wenn in Artikeln über wissenschaftliche Forschung berichtet wird. Die Kommentare der deutschen Leser sind dazu großteils unerträglich feindselig. Schließlich haben wir schon genug Technik, wir brauchen keine neue, denn die kann ja nur furchtbar sein. Neue Technik ist nämlich immer furchtbar und macht alles nur kaputt.

     

     

     

    Dem, ach so coolen, Autor, der sich in die Gespräche anderer Personen einmischt, und diese mit dummen Kommentaren zu unterbrechen versucht (wohlgemerkt in der Öffentlichkeit, in der jeder das Recht hat, mit jedem so lange und so laut zu sprechen, wie er will, auch am Telefon!) würde ich wünschen, dass ihm einmal ein gestresster Jungunternehmer oder anderer "Telefonverbrecher" das Smartphone dezent auf die F... äh den Mund haut!

  • Es soll ja Menschen geben die dazu aus Notwehr einen (in D leider illegalen Störsender) betreiben.

     

     

     

    Angeblich ist so ein Ding für unter 200€ in Zigarettenschachtelgröße beschaffbar?

  • FK
    Frau Kirschgrün

    DANKE. Sooo gute Sprüche, um "die" auszubremsen, toll. Das werde ich in abgewandelter Form jetzt auch machen - so viel eigene Phantasie muss dann schon sein.

     

    Diese Handy-Quatscher gehen mir auch gehörig auf die Nerven. Die tun IMMER so, als wären sie alleine im Bus, in der Bahn, im Zug, im Restaurant (Café), im Geschäft, einfach überall - und dabei wollen Sie ihr erbärmliches Dasein nur wichtiger machen als es ist und als sie es sind. Als würde es auch nur ansatzweise irgendjemanden interessieren, was für geistigen Müll sie absondern . . . wirklich wichtige Gespräche führen nicht einmal "Willi-Wichtig"s in der Öffentlichkeit.

     

     

     

    Armselig und bedürftig.

     

     

     

    Also, besten Dank für die Anregung mit den Sprüchen.

     

    Schöne, ruhige und "handystille" Zeit wünsche ich uns allen.

     

    Frau Kirschgrün

  • U
    Ulan

    In meinem Film nähme der DJ das Ding, ließe es auf die Tanzfläche mit den erstarrt stehenden Tänzern schliddern und legt einen Pogo auf. Das Handy verschlingt die Moshpit.

     

    Das Recht auf Tanz trumpft das Recht auf Telefonieren