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Kolumne WutbürgerSie wollen doch nur radeln!

Kolumne
von Isabel Lott

Junge Frauen sind eine perfide Untergruppe der Kampfradler: Kindergruppen und alte Leute werden rigoros weggeklingelt. Oder angefahren.

Sie sitzen gerne sehr aufrecht, halten zielstrebig Kurs und haben immer Vorfahrt. Bild: dpa

S eit Boris Becker öffentlich rumjault, Babs habe ihn geschlagen, wird das Thema Frauen und aggressives Verhalten in den Medien als Nachricht mit Neuigkeitswert verhandelt.

Für mich ist das nicht neu, ich fahre nämlich Fahrrad und bin jeden Tag mit jungen Frauen konfrontiert, die aussehen, als ob sie auch für Tiere bremsen, aber in der Realität eine besonders perfide Untergruppe der Kampfradler bilden. Sie unterscheiden sich vom gemeinen Aggro-Radler dadurch, dass sie überhaupt kein Gefühl für ihren aggressiven Fahrstil haben – sie wollen doch nur radeln.

Auf ihrer Tatwaffe, dem Fahrrad, sitzen sie gerne sehr aufrecht, halten zielstrebig Kurs und haben immer Vorfahrt. Egal wie eng der Bürgersteig ist, den sich die Fußgänger mit den Fahrradfahrern teilen müssen, sie halten immer voll drauf. Statt Bremsen haben sie eine große Klingel, die sie im Dauereinsatz betreiben. Kindergruppen, Touristen, alte Leute, eigentlich alle, die sich auf den Fahrradweg verirren, werden rigoros weggeklingelt und im Ernstfall auch mal angefahren.

taz am Wochenende

Ein afrikanischer Flüchtling wagt erneut die gefährliche Überfahrt von Marokko nach Spanien. Dieses Mal will er es professioneller angehen. Ob er so die Angst und das Risiko überwinden kann, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 19./20. Oktober 2013 . Außerdem: Wird man da irre? Ein Schriftsteller über seinen freiwilligen Aufenthalt in der Psychiatrie. Und: Vater und Sohn – Peter Brandt über Willy Brandt, den Kanzler-Vater. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Sie rasen bei Rot über die Ampel, erschrecken Fußgänger und brettern im Dunkeln in schwarzen Klamotten ohne Licht durch die Gegend. Sie sind auch nie bereit, kurz anzuhalten, damit jemand ausparken kann, und überholen einen an den engsten Stellen und gefährden sich und andere dabei. Jüngstes Beispiel ist die junge Frau, die mit großem Schirm einhändig durch den Regen fuhr, mich unbedingt überholen musste, dabei anrempelte, so dass ich fast vom Fahrrad fiel und ohne Reaktion weiterfuhr.

Als ich an der nächsten Ampel frage, ob sie das Wort Rücksicht überhaupt schon mal gehört habe, wurde sie pampig. Vehement verteidigte sie ihr Recht, alle aus dem Weg zu räumen, die ihre Fahrt aufhalten könnten.

Nun ist es Herbst und bald treffe ich die Damen wieder in der Bahn. Ich freue mich schon auf ihre triumphierenden Blicke, wenn sie mal wieder schneller als die Hochschwangere waren und ihr den Sitzplatz wegschnappen konnten.

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11 Kommentare

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  • L
    Lenkdrachen

    Einfach Klingel wegnehmen und Lenkeranleitung geben. Ferdsch

  • das gute am "schlechten" Wetter in der kalten Jahreszeit ist...,

    die ganzen "Schönwetterfahrradfahrer"

    verschwinden wieder von den Radwegen und Bürgersteige und Menschen wie ich haben wieder ein wenig Ruhe beim Fahrrad fahren bis im März die ersten warmen Sonnentage kommen..., ;)

  • 7G
    7571 (Profil gelöscht)

    Ich weiß nicht, ob Ramsauer wirklich der Erfinder des Wortes Kampfradler ist, aber es würde zu ihm passen. Traurig nur, wer alles dieses Wort aufgreift und missbraucht. Jedem ist schon eine rücksichtslose Radfahrerin begegnet. Und rücksichtslose Radfahrer. Sind nun alle RadfahrerInnen rücksichtslos? Hier wird und wurde ein neues Stigma geschaffen. Der Blick für das Ganze, der nötige Abstand, geht dabei verloren. Schade.

  • K
    Klarsteller

    Herrliche, PC-freie Darstellung der Wirklichkeit.

  • S
    Stützradfahrer

    Ich bin erstaunt und entzückt gleichermaßen.

    Haben die AutorInnen der Huffington Post jetzt ein zweites Geschäftsfeld entdeckt und verkaufen ihre gut recherchierten, mit hervorragenden Argumenten versehenen Artikel nun auch parallel an die taz?

    Tatsächlich wird hier der Journalismus ganz neu erfunden. Und die taz ist ganz vorn dabei!

     

    Aber merkwürdig, nicht direkt wort- und themengleich, meine ich doch, diesen Artikel auch schon auf ZEIT online gelesen zu haben. Sicher nur eine Verwechslung meinerseits aufgrund der trickreichen Rhetorik.

     

    Abschließend: Nichts ist schöner, als als Radfahrer zu lesen, wie andere Radfahrer sich grundlos gegenseitig hassen. Gut abgeguckt bei den Autofahrern, die mal wieder die Nase vorn haben!

    • L
      Lotte
      @Stützradfahrer:

      So läuft das Zeitungsgeschäft eben, gehen Sie doch dagegen demonstrieren. Und Radfahrer zu hassen, fällt auch so gar nicht schwer, es sind einfach zu viele, die meinen, sich über Recht, Gesetz und Benimm hinweg setzen zu können.

    • @Stützradfahrer:

      volle Unterstützung meinerseits

  • K
    Ki

    "Kampfradler" SRSLY?

     

    Ich weiß ja nicht in welcher Stadt Sie wohnen, aber auf Radfahrer einschlagen geht ja so leicht, die mag sowieso keiner. Widerliches Pack...

     

    Von den Damen in den Porsche Cayenne und anderen Försterautos geht wesentlich mehr Gefährdungspotenzial aus.

  • R
    ridicule

    Alte Bauernregel:

     

    Wer Wind sät, wird Sturm ernten.

  • 0
    0814

    Genau, 3,5 Mrd. Kampfradlerinnen. Musste wirklich mal gesagt werden. Danke!

    • G
      Gast
      @0814:

      Täglich ein(e) auf dem Gehweg (mit schönem danebenliegenden Radstreifen) reicht mir schon.