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Kolumne Wir retten die WeltWarum nicht #WirAlleForFuture?

Bernhard Pötter
Kolumne
von Bernhard Pötter

„Fridays for Future“ ist als Schülerbewegung bekannt. Dabei sollten wir alle streiken, von Lehrern hin zu Gepäckkontrolleuren.

Das Klima geht nicht nur Schüler*innen an Foto: Amanda Perobelli/reuters

M eine Frau seufzte, als sie die taz zur Hand nahm: „Oje, wieder schlechte Nachrichten vom Klima.“ Schuld war ihr Mann. Der hatte geschrieben, wie die Arktis dahinschmilzt. Und erst hinterher gesehen, dass die UNO in ihrem Bericht einen Fehler gemacht hatte: Sie hatte den schlimmsten Fall der Emissionen angenommen (was derzeit ziemlich realistisch ist), aber dann eine Erwärmung der Arktis von 5 bis 9 Grad vorhergesagt, selbst wenn das Pariser Abkommen eingehalten würde (was so nicht stimmt).

Korrekt wäre: Die Arktis schmilzt schnell. Aber wenn wir Paris einhalten, klettern am Nordpol die Temperaturen „nur“ um höchstens 5 Grad. So ist das mit den „guten Nachrichten“ im Treibhaus: Viel „WENN“ und ein großes ABER.

„Gute Nachricht“ vom Mittwoch: Deutschlands CO2-Emissionen sind 2018 um 4,5 Prozent gesunken. ABER: Gleichzeitig scheitert die Verkehrskommission, weltweit klettern die Emissionen auf einen neuen Rekord.

„Gute Nachricht“: Mittwochabend sitzen die CDU- und SPD-Chefinnen Annegret Kamp-Karrenbauer und Andrea Nahles auf einem Podium. AKK braucht nur handgestoppte 18 Minuten, bis sie sagt: „Wir haben das Klimathema zu lange aufgeschoben.“ Nahles sekundiert: „2019 wird ein Klimajahr.“ ABER: Sie führen die Parteien, die seit Jahrzehnten den Klimaschutz an die machtlosen Ökos outgesourct haben.

„Gute Nachricht“: Alle solidarisieren sich mit „Fridays for Future“, jetzt auch #EntrepreneursforFuture. Toll. ABER: Immer noch schicken wir unsere Kinder allein auf diesen Kreuzzug. Warum streiken nicht auch die LehrerInnen? Was ist mit den Bäckerinnen? Den Bademeistern, den Steuerfahnderinnen oder Zahnärzten? Ein politischer Streik wäre verboten und so heftig umstritten, wie es die Untätigkeit der Politik sein sollte. Wenn die Bänder bei VW und BMW am Freitag stillständen, machten #CarmakersforFuture klar, dass Andi Scheuer ihre Zukunft riskiert. An den Airports würde #GepäckkontrolleforFuture CO2 einsparen, wenn Flüge ausfielen. Und #SoldiersforFuture riefen, nun ja, zum Generalstreik fürs Klima.

Klimapolitik braucht Druck nicht nur von 14-Jährigen. Solange wir denken, das sei immer eine Sache der anderen, der #wer-auch-immerforFuture, so lange wird das nichts mit den guten Nachrichten. Also: Freitags stehen alle Räder still, weil der Klimaschutz es will.

Ich bin übrigens fein raus. Diese Kolumne schreibe ich am Donnerstag.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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6 Kommentare

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  • Wir müssen grundsätzlich radikal umdenken und wir dürfen keine Angst davor haben etwas zu verlieren.



    1. Es wird nicht viel sein, was wir verlieren, wir werden nur unsere Unfreiheit verlieren.



    2. Wir werden mehr gewinnen. Freiheit, Gerechtigkiet und Zufriedenheit.



    ► Zitat (anzuwenden auf alle Menschen – also Frauen wie Männer wie Divers!):



    🌈 Wir haben die Macht, Gutes zu tun, aber daraus wird nicht viel werden, solange wir "gut" als "gut für mich" definieren. Wenn wir so denken, ist es wichtiger, eine Welt zu schaffen, in der „ich“ willkommen und frei bin, als eine, in der alle willkommen und frei sind.



    Neue Daseinsweisen zu finden, bedeutet, sich von den Vorzügen zu verabschieden, die man uns als Belohnung dafür in Aussicht gestellt hat, dass wir das Spiel mitspielen.



    Innerhalb der patriarchalen Strukturen werden die Freiheiten von Frauen beschnitten. Über diese Struktur hinauszugehen bedeutet, auf die Vorzüge zu verzichten, die die Struktur ihren Mitwirkenden gewährt.



    Andererseits wären wir dann aber wieder handlungsfähig. 🌈 .



    Zitat Ende ◀︎



    Aus



    Jessa Crispin, Warum ich keine Feministin bin. Ein feministisches Manifest.



    💡 🎓 Wirklich, wirklich lesenswert. 🎓 💡 Und wie gesagt – das ist für alle Menschen gleich wirksam, die wirklich etwas verändern – auch etwas (an Macht und Vorzügen|Privilegien) "abgeben" wollen.



    Inhaltsverzeichnis:



    Einleitung 7



    1. Das Problem mit dem universalen Feminismus 15



    2. Frauen müssen keine Feministinnen sein 33



    3. Alle Alternativen sind gleichermaßen feministisch 45



    4. Wie es dazu kam, dass der Feminismus dem Patriarchat



    die Arbeit abnahm 59



    5. Selbstermächtigung. Ein anderes Wort für Narzissmus71



    6. Die Kämpfe, für die wir uns entscheiden 91



    7. Männer sind nicht unser Problem 107



    8. Sicherheit ist ein schlechtes Ziel 125



    9. Wohin es jetzt geht 141



    Anmerkung der Autorin 147



    www.suhrkamp.de/bu...crispin_46899.html

  • Endlich wird ein Generalstreik gefordert!



    Super!



    Davon träume ich schon seit Schröder.



    Wird aber wohl nichts werden… schließlich leben wir in D, da wird so lange der Obrigkeit gehorcht, bis wir von anderen "befreit" werden… ach ja… seufz …



    Bitte ein Generalstreik, ja?! … sonst "befreien" wir uns diesmal von uns selbst – selbstentäußerungsmäßig wg. Hunger, Durst, Flucht…

  • Zitat: „Immer noch schicken wir unsere Kinder allein auf diesen Kreuzzug. Warum streiken nicht auch die LehrerInnen? Was ist mit den Bäckerinnen? Den Bademeistern, den Steuerfahnderinnen oder Zahnärzten?“

    Warum? Ganz einfach, werter Bernhard Pötter: Kinder sind unschuldig. Sie haben (noch) keine eigene Macht, denn sie dürfen nicht wählen. Kinder sind schlicht glaubwürdiger als wir. Wir glauben uns nicht einmal selbe, denn wir wissen zu genau, wieso wir diejenigen gewählt haben, die so entscheiden, wie sie entscheiden dürfen. Außerdem sind unsere Kinder die, die den Schlamassel auszubaden haben.

    Schon der erste „Kinderkreuzzug“ (lat.: peregrinatio puerorum) scheint anno 1212 diesem Prinzip gefolgt zu sein. Damals sind mehrere Tausend überwiegend bettelarme deutsche und französische Kinder, Jugendliche und Erwachsene ganz und gar unbewaffnet in Richtung Jerusalem aufgebrochen. Vermutlich in der (fehlgeleiteten) Hoffnung, dass ihre Gebete erhört werden, wenn sie da ankommen.

    Mangels finanzieller Masse war allerdings am Mittelmeer Schluss mit der Pilgerfahrt. Die „Kreuzfahrer“ hatten einfach keine Schiffe und konnten auch keine mieten. War also nichts mit der ersehnten besseren Zukunft. Viele sind auf dem strapaziösen Weg gestorben. Ob sie danach einen Platz zu Gottes Rechter erhalten haben, wissen wir nicht. Überliefert ist nur, dass der Papst und seine Kirche ihre Hände in Unschuld gewaschen haben. „Selbst Schuld!“, haben sie gesagt. „Wir haben niemanden zum Pilgern aufgerufen“. So viel zum wahren Glauben und zum „System“ Kirche.

    Die jungen Leute, die heute streiken, glauben noch. Wir tun das nicht. Wir sind zu sehr Teil des „Systems“ um noch zu hoffen auf die Zukunft, die die jungen Leute wollen. Wir haben längst resigniert. Das, behaupten wir, sei unser gutes Recht, das Privileg der (angeblich) Erwachsenen. Wir wissen zu viel über uns und die Anderen, als dass wir noch hoffen dürften, deswegen gehn wir nicht mit. Danke, katholische Kirche. Und: Amen.

  • Die Frage nach dem warum ist eigentlich sehr schnell beantwortet: Das Thema interessiert die meisten Menschen einfach nicht, das Thema ist viel zu abstrakt. Was sind schon 2°C, 3°C mehr? Gut, statt 28°C im Sommer sind es dann eben 30°C...so denken doch viele. So lange man nicht zeigen kann dass es in 20, 30 Jahren bei uns aussieht wie auf dem Mars juckt das den Durchschnitt nicht. Wer schauen muss ob er mit seinem Einkommen ein Familie ernähren kann den juckt es verständlicherweise wenig ob Tuvalu nun unter geht oder nicht, oder der Eisbär ausstirbt.



    Die Schülerproteste mögen einige Denkanstöße geben, richtig was bewegen werden sie nicht. Dafür sind es zu wenige und einige werden spätestens wenn es um die Abinote geht auch wieder in der Schule sein...Keiner will die Zukunft die er/sie noch hat als Sozialfall bei Mutti auf der Couch verbringen. Dann lieber doch was "anständiges" lernen.

  • Wir brauchen in diesem Land tatsächlich einen Generalstreik, bis die Temperaturen sinken. Das könnte bis September 2019 dauern, aber wir sollten er gemeinsam versuchen.

  • Mich persönlich schreckt die Klima-Hysterie einfach nicht. Insofern bin ich auch raus. Und zwar aus den Protesten.